Bilanzierung von Darlehen mit einem nicht marktgerechten, niedrigen Zinssatz nach IFRS am Beispiel eines KfW-Unternehmerkredits
- 15.06.2021
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Nach wie vor befindet sich die Wirtschaft durch die Corona-Krise in einer außergewöhnlichen Situation. Die Bundesregierung hat zuletzt erneut die verschiedenen Förderhilfen zur Bewältigung der Pandemie angepasst, um möglichst vielen Unternehmen beizustehen. Neben vielfältigen Arten von Zuschüssen und Kostenerstattungen existiert zudem die Möglichkeit, Kredite aus staatlichen Förderprogrammen zu erhalten. Diese werden regelmäßig zu einem Zinssatz gewährt, der unterhalb der am Markt aufgerufenen Zinsen für das jeweilige Unternehmen liegt. Was passiert nun aber aus Sicht der IFRS-Rechnungslegung, wenn Unternehmen Kredite erhalten, die durch die staatliche Unterstützung zu einem Zinssatz vergeben worden sind, der unterhalb des aktuellen Marktniveaus notiert?
Wann ist ein erhaltener Kredit unter Zuhilfenahme des IAS 20 zu bilanzieren?
Diese Frage sollte immer dann gestellt werden, wenn der erhaltene Kredit in Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen oder auf Basis eines durch den Staat aufgestellten Förderungsprogramms zustande kommt. Die im Zuge der Corona-Pandemie aufgestellten Förder- und Hilfsprogramme, wie beispielsweise die Überbrückungshilfe, sind vielmals die Ausgangsbasis. Hierbei ist es unerheblich, ob der Kredit direkt von einer staatlichen Stelle gewährt wird oder ob die staatliche Stelle lediglich das Ausfallrisiko der finanzierenden Bank übernimmt.
Zusätzlich muss beurteilt werden, ob der gewährte Zinssatz vom aktuellen Marktzinssatz des jeweiligen Unternehmens abweicht. Bei der Frage, was ein marktgerechter Zinssatz wäre, muss zunächst die eigene Lage analysiert werden. Hierfür kann durch unabhängige Experten die eigene Finanzierungsfähigkeit analysiert werden. Zudem kann es hilfreich sein, bei der finanzierenden Bank zu fragen, ob und zu welchen Konditionen man einen nicht durch staatliche Stellen besicherten Kredit erhalten könnte. Häufig – und gerade in Krisenzeiten – wird die Frage nach einer möglichen Kreditzusage ohne Garantie durch die öffentliche Hand verneint werden oder nur zu unattraktiven Konditionen, sodass hier dem Grunde nach die Kriterien einer staatlichen Zuwendung erfüllt werden.
Behandlung des Zinsvorteils nach IAS 20 und IFRS 9
Sofern man zu dem Schluss kommt, dass das erhaltene Darlehen durch die öffentliche Hand bzw. mit staatlicher Unterstützung zu einem Zinssatz gewährt wurde, welcher sich unterhalb des Marktniveaus befindet, sind die Regelungen des IAS 20 anzuwenden. Der Standard gibt vor, dass der gewährte Zinsvorteil als eine Zuwendung der öffentlichen Hand eingestuft und entsprechend bilanziert werden muss (IAS 20.10A). An den originären Ansatz- und Bewertungskriterien des IFRS 9 für das Darlehen selbst ändert sich dadurch nichts. Der erstmalige Ansatz erfolgt also, wie nach IFRS 9.5.1.1 vorgesehen, zum Fair Value. Nach der Definition eines Fair Values muss die Berechnung eben jenes mit dem marktgerechten Zinssatz erfolgen, da stets auf eine Transaktion abgestellt werden soll, die geordnet zwischen zwei Vertragspartnern am Markt durchgeführt wird (Vgl. IFRS 13 Anhang A). Weil hier krisenbedingt öffentliche Hilfen bezogen werden, kann bei dem vereinbarten Zinssatz somit in der Regel das Kriterium der Marktgerechtigkeit verneint werden. In der Folge muss zur Berechnung des erstmaligen Fair Values ein tatsächlich marktgerechter (höherer) Zinssatz zum Zeitpunkt der Ersterfassung herangezogen werden.
Die Differenz zwischen dem Marktwert und den tatsächlich erhaltenen Finanzmitteln (in der Regel dem Darlehensbetrag) ist als Zuwendung der öffentlichen Hand zu behandeln. Dies erfolgt durch die Bildung eines Unterschiedsbetrages zwischen dem ursprünglichen Buchwert des Darlehens gemäß IFRS 9 und den tatsächlich erhaltenen Finanzmitteln.
Der entstandene Unterschiedsbetrag kann nach den Regelungen des IAS 20.13 ff. grundsätzlich nach drei verschiedenen Methoden behandelt werden. Er kann direkt erfolgswirksam vereinnahmt oder über die Laufzeit des Darlehens verteilt erfolgswirksam vereinnahmt werden. Bei der Frage der Periodenzuweisung ist es unserer Einschätzung nach sachgerecht, die entstehenden Effekte über die Laufzeit ihren zu kompensierenden Aufwänden entgegenzustellen und nicht einmalig bei Erstansatz zu vereinnahmen, da es hierbei zu verzerrenden Effekten käme, die nicht der ökonomischen Realität entsprächen. Alternativ käme auch die erfolgsneutrale Erfassung im Eigenkapital in Betracht, was sich unserer Auffassung nach hier weniger gut eignet, da eine zukünftige Zinslast gemindert werden soll und diese Zuwendung eben nicht direkt den Anteilseignern zuzurechnen ist (siehe auch SIC 10.3).
Somit halten wir eine Erfassung als passiven Abgrenzungsposten für sachgerecht (vgl. IAS 20.24). Dieser Abgrenzungsposten wird in den Folgeperioden gewinnwirksam aufgelöst, und kompensiert somit den höheren Aufwand aus der effektivzinskonstanten Aufwertung des Buchwertes.
Welche Angaben sind bei Inanspruchnahme öffentlicher Zuwendungen erforderlich?
Die Angabepflichten bei einem Kredit, der durch staatliche Zuwendungen unter Marktwert abgeschlossen wurde, finden sich im IAS 20.39. Es muss über die gewährten Zuwendungen sowohl qualitativ wie auch quantitativ berichtet werden. Dies umfasst neben der angewandten Rechnungslegungs- und Darstellungsmethode im Abschluss gegebenenfalls bestehende Bedingungen oder Eintrittshürden und Risiken aus diesen Geschäften.
Beispielhafte Darstellung der IFRS-Bilanzierung eines KfW-Darlehens
Ausgangssituation:
Unternehmen XYZ AG erhält im Zuge der Corona-Krisenbewältigung einen KfW-Unternehmerkredit am 1. Januar 2021. Das Nominalvolumen ist 10 Millionen Euro, die Laufzeit beträgt 5 Jahre und durch die 90%ige Übernahme des Bankenrisikos durch die KfW kann ein Zinssatz von 1 % p. a. vereinbart werden. Die Tilgung erfolgt endfällig, die Zinsen sind jährlich am Ende des Jahres zu zahlen. Ein vergleichbarer Kredit ohne die KfW-Besicherung hätte nur zu einem Zinssatz von 5 % p. a. abgeschlossen werden können.
Erstansatz am 1. Januar 2021:
Zunächst wird der Fair Value des Darlehens ermittelt. Hierfür werden die tatsächlich zu leistenden Zahlungsströme mit dem am Markt üblichen Zinssatz von 5 % abgezinst. Es ergeben sich folgende Barwerte:
Periode | Zahlungen | Barwert |
1 | 100.000,00 € | 95.238,10 € |
2 | 100.000,00 € | 90.702,95 € |
3 | 100.000,00 € | 86.383,76 € |
4 | 100.000,00 € | 82.270,25 € |
5 | 10.100.000,00 € | 7.913.614,28 € |
8.268.209,33 € |
Tatsächlich erhält das Unternehmen 10 Mio. Euro auf seinem Bankkonto gutgeschrieben.
Der sich daraus ergebende, verkürzte Buchungssatz sieht wie folgt aus:
Soll | Haben | ||
Bank | 10.000.000,00 | Verbindlichkeit Darlehen | 8.268.209,33 |
Passiver Abgrenzungsposten | 1.731.790,67 |
Folgebewertung zum 31. Dezember 2021:
Die Verbindlichkeit wird effektivzinskonstant mit dem Marktzinssatz von 5 % aufgezinst. Gleichzeitig werden die ersten nominalen Zinsen fällig. Der Zinsaufwand berechnet sich als „8.268.209,33 * 0,05 = 413.410,47“. Lediglich die Nominalzinsen i. H. v. 1 % des Darlehensbetrags sind zahlungswirksam:
Soll | Haben | ||
Zinsaufwand | 413.410,47 | Bank | 100.000,00 |
Verbindlichkeit Darlehen | 313.410,47 |
Nun kommt die kompensierende Wirkung des gebildeten Abgrenzungspostens zum Tragen, welcher in Höhe des die Nominalzinsen übersteigenden Betrages aufgelöst wird, sodass im Ergebnis ein Zinsaufwand in Höhe der nominellen Zinsen von 100.000 Euro im Abschluss ausgewiesen wird.
Soll | Haben | ||
Passiver Abgrenzungsposten | 313.410,47 | Zinsaufwand | 313.410,47 |
Die gesamte Entwicklung der Bilanzwerte sehen Sie anbei:
Periode | Fortgeführte Anschaffungskosten | Zinsaufwand vor Kompensation (effektivzinskonstant) | Abgrenzungsposten |
0 (Start) | 8.268.209,33 € | 0,00 € | 1.731.790,67 € |
1 | 8.581.619,80 € | 413.410,47 € | 1.418.380,20 € |
2 | 8.910.700,79 € | 429.080,99 € | 1.089.299,21 € |
3 | 9.256.235,83 € | 445.535,04 € | 743.764,17 € |
4 | 9.619.047,62 € | 462.811,79 € | 380.952,38 € |
5 | 10.000.000,00 € | 480.952,38 € | 0,00 € |
Im Folgenden sehen Sie eine exemplarische Darstellung in den Notes der XYZ AG:
Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden
Zuwendungen der öffentlichen Hand
Zuwendungen der öffentlichen Hand werden gemäß IAS 20 nur erfasst, wenn eine angemessene Sicherheit dafür besteht, dass die damit verbundenen Bedingungen erfüllt und die Zuwendungen gewährt werden. IAS 20 unterscheidet zwischen objektbezogenen Zuwendungen für langfristige Vermögenswerte und erfolgsbezogenen Zuwendungen. Zuwendungen für langfristige Vermögenswerte werden von der XYZ AG nicht in Anspruch genommen. Vorteile aus erfolgsbezogenen Zuwendungen werden periodengerecht erfolgswirksam in den Perioden erfasst, in denen die durch die Zuwendung zu kompensierenden Aufwendungen angesetzt werden. Die XYZ AG wählt dabei die Nettodarstellung, bei der die Zuwendungen den ausgewiesenen Aufwand reduzieren.
Erläuterung Bilanzposten
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten
Mit Vertrag vom 21. Dezember 2020 hat die XYZ AG einen Unternehmerkredit zur Finanzierung des Geschäftsbetriebs im Rahmen der COVID-19-Krisenbewältigung bei der Sparkasse XYZ über TEUR 10.000 aufgenommen. Der Kredit wurde mit Wertstellung per 01. Januar 2021 ausgezahlt, er hat eine Laufzeit von 5 Jahren, wird mit 1 % p.a. verzinst und endfällig getilgt. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat als staatliche Institution 90 % des Ausfallrisikos übernommen.
Am Bilanzstichtag wird das Darlehen unter Berücksichtigung eines Marktzinssatzes von 5 % mit den fortgeführten Anschaffungskosten in Höhe von TEUR 8.582 (Vorjahr TEUR 0) bewertet.
Darin nicht enthalten sind die unter den sonstigen Verbindlichkeiten auszuweisenden Abgrenzungen für Zuwendungen aus Zinsvorteilen niedrig verzinslicher Darlehen der öffentlichen Hand (KfW) gemäß IAS 20 in Höhe von TEUR 1.418 (Vorjahr TEUR 0).
Im Berichtsjahr resultieren aus diesem Darlehen Zinsaufwendungen in Höhe von TEUR 100 (Vorjahr TEUR 0), die an die Sparkasse XYZ geleistet wurden.
Fazit
Die erhaltene Zuwendung nach IAS 20.10A ist ein vergleichsweise seltener Anwendungsfall – in normalen Zeiten. Aktuell wird es jedoch häufiger vorkommen, dass Unternehmen Verbindlichkeiten erhalten, denen entweder direkt oder indirekt eine staatliche Zuwendung innewohnt. Hier ist genauer hinzuschauen. Der Standardsetter hat diesen Fall jedoch explizit vorhergesehen und Regelungen dafür geschaffen, um dem Bilanzleser ein klares Bild über die Situation zu verschaffen, in welcher ein Unternehmen Kredite zu nicht marktüblichen Konditionen erhält – wenngleich die Analyse und das Herausarbeiten der genauen Vorteile mitunter nicht ganz einfach sein kann.
Vielen Dank an meine Co-Autorin Alexandra Dittus. Bei Fragen stehen Ihnen unsere IFRS-Experten gerne zur Verfügung.