BAG kippt Verfallsklausel für Aktienoptionen nach Kündigung

Bild: drei Personen schauen auf eine Grundriss Zeichnung auf dem Tisch.
  • 25.03.2025
  • Lesezeit 5 Minuten

„Gevestete“ Mitarbeiter-Aktienoptionen dürfen nach einer Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht sofort oder beschleunigt verfallen, urteilt das BAG. Dies hat weitreichende Konsequenzen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme.

Am 19. März 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Verfall virtueller Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschieden (10 AZR 67/24). Die Arbeitgeberin hatte eine Klausel im Rahmen der Bestimmungen für Mitarbeiter-Aktienoptionen (Employee Stock Option Provisions „ESOP“) vorgesehen, nach welcher bereits ausübbar gewordene („gevestete“) virtuelle Optionsrechte im Fall einer Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer sofort verfallen.

Das BAG erklärte die Regelung für unwirksam, da Optionsrechte als essenzieller Bestandteil des Vergütungspakets gelten, welcher nicht nachträglich wegfallen kann – hierin läge eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Das Gleiche gilt für eine Regelung, die vorsieht, dass gevestete virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie zuvor angespart wurden. Die Entscheidung führt zu einer Änderung der bisherigen BAG-Rechtsprechung und ist bei der Gestaltung (virtueller) Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zu berücksichtigen.

Optionsrechte als populäres Incentive für Arbeitnehmer

Virtuelle Optionsrechte basieren auf schuldrechtlichen Vereinbarungen, durch welche Arbeitnehmer so gestellt werden, als seien sie unmittelbar am Unternehmen ihres Arbeitgebers beteiligt. Dadurch erhalten die beteiligten Mitarbeiter zwar keine „echte“ Beteiligung am Unternehmen, aber dennoch die Chance, an der Entwicklung des Unternehmens finanziell zu partizipieren. Einige Arbeitgeber bieten diese Möglichkeit als Anreiz, um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Dürfen die entsprechenden Optionsrechte erst nach dem Ablauf einer gewissen Frist ausgeübt werden, spricht man von sog. „Vesting“. Die dem Mitarbeiter gewährten Optionsrechte werden dann gestaffelt in einer bestimmten Periode („Vesting-Periode“) schrittweise ausübbar. 

Im vorliegenden Fall hatte der klagende Mitarbeiter während seiner etwa zweijährigen Anstellung bei der Arbeitgeberin ein Angebot auf Zuteilung von solchen virtuellen Optionsrechten (sog. „Allowance Letter“) erhalten und dieses durch eine gesonderte Erklärung angenommen. Nach den ESOP-Bestimmungen setzt die Ausübung der virtuellen Optionen, die zu einem Zahlungsanspruch gegen die Beklagte führen kann, deren Ausübbarkeit nach Ablauf der Vesting-Periode und ein sogenanntes Ausübungsereignis wie einen Börsengang voraus. Dabei werden die dem Arbeitnehmer zugeteilten virtuellen Optionen nach einer Mindestwartezeit von zwölf Monaten (sog. „Cliff“) innerhalb einer Vesting-Periode von insgesamt vier Jahren gestaffelt ausübbar. Die Vesting-Periode wird ausgesetzt, wenn und solange der Arbeitnehmer von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung ohne Gehaltsanspruch entbunden ist.

Arbeitgeberin schrieb Verfallsklausel in ESOP-Bestimmungen – Gericht widerspricht

Das Arbeitsverhältnis endete 2020 durch fristgerechte Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Für solche Fälle hatte die Arbeitgeberin in den ESOP-Bestimmungen eine Klausel vorgesehen, anhand welcher die bereits ausübbar gewordenen („gevesteten“) Optionsrechte nach einer Eigenkündigung verfallen sollten.

Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des klagenden Mitarbeiters waren bereits 31,25 Prozent der ihm zugeteilten Optionsrechte gevestet. Diese machte er geltend und vertrat die Auffassung, die betreffenden Optionen seien nicht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Die Beklagte lehnte den Anspruch unter Hinweis auf den Verfall der Optionsrechte ab. Die Vorinstanzen wiesen die Feststellungsklage des Klägers ab. Dem Verfall der Optionsrechte widersprach dennoch zuletzt der Zehnte Senat des BAG. Hierbei ändert das BAG explizit die frühere Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 28. Mai 2008, 10 AZR 351/07) ab.  

BAG: Verfallsklausel benachteiligt Arbeitnehmer unangemessen

Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich bei den ESOP-Bestimmungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB (AGB) handelt, die einer Inhaltskontrolle unterliegen. Bestimmt eine Verfallklausel, dass zugunsten des Arbeitnehmers bereits gevestete virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung sofort verfallen, benachteiligt diese den Arbeitnehmer unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Damit hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht stand.

Grund hierfür ist, dass es sich bei den durch teilweisen Ablauf der Vesting-Periode bereits „gevesteten“ Optionsrechten um eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer in dieser Zeit erbrachte Arbeitsleistung handelt. Der Verfall bereits „erarbeiteter“ Optionsrechte berücksichtigt damit laut dem BAG nicht die Interessen des Arbeitnehmers, denn dieser dürfte, um eine Vermögenseinbuße zu verhindern, das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. Dies stelle eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung dar.  

Auch eine Klausel, die vorsieht, dass die ausübbaren virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der „Vesting-Periode“ progressiv entstanden sind bzw. angespart und erarbeitet wurden, ist laut dem zehnten Senat unwirksam. Diese lässt die Zeit, die der Arbeitnehmer durch Erbringung seiner Arbeitsleistung aufgebracht hat, unberücksichtigt, ohne dass besondere Interessen des Arbeitgebers die kürzere Verfallsfrist rechtfertigen würden.

Weitreichende Konsequenzen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme

Durch die Änderung der Rechtsprechung stärkt das BAG nun die Rechte von Arbeitnehmern im Rahmen von (virtuellen) Beteiligungsmodellen. Arbeitgeber müssen zukünftig ihre (virtuellen) Beteiligungsprogramme fair gestalten und insbesondere den Vergütungscharakter bereits ausübbar gewordener Optionsrechte stärker berücksichtigen.

Der Verfall „gevesteter“ Optionsrechte sollte nicht mehr an die Eigenkündigung des Mitarbeiters geknüpft werden. Da die Entscheidungsgründe des Urteils bislang noch nicht veröffentlicht wurden, sind weitere Auswirkungen in der Praxis auf andere Gestaltungsmechanismen der Entscheidung noch abzuwarten. Die Entscheidung wird in der Praxis jedoch weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen haben.

Arbeitgeber sollten bestehende (virtuelle) Optionspläne überprüfen und gegebenenfalls im Hinblick auf die neue Rechtsprechung anpassen, um künftigen rechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen. Wir stehen Ihnen hierbei gerne mit fachkundiger Beratung zur Seite und unterstützen Sie bei der praktischen Umsetzung der notwendigen Änderungen.


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Autoren dieses Artikels

Marco Stahn

Director

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Daniela Stephan, LL.M.

Senior Manager

Rechtsanwältin

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