Sozialversicherungspflicht von Honorarlehrkräften erst ab 2027

Bild: Frau steht im Büro und hält einen Vortrag
  • 04.03.2025
  • Lesezeit 5 Minuten

Dank einer Übergangsregelung gilt die Sozialversicherungspflicht für Honorarlehrkräfte erst ab 2027. Doch es gibt rechtliche Fallstricke. Deshalb sollten Bildungseinrichtungen jetzt handeln und ihre Verträge prüfen.

Mit seinem sogenannten „Herrenberg-Urteil“ hatte das Bundessozialgericht (BSG) 2022 für erhebliche Unruhe bei Hochschulen, beruflichen Weiterbildungsträgern, Volkshochschulen, Musikschulen und anderen Bildungseinrichtungen gesorgt. In dieser Entscheidung (Urteil vom 28. Juni 2022, B 12 R3/20 R), die eine auf Honorarbasis tätige Musikschullehrerin in Herrenberg (Baden-Württemberg) betraf, sah das Bundessozialgericht einen Fall von Scheinselbstständigkeit. Nach Ansicht des BSG war die Lehrkraft nicht selbstständig, sondern abhängig bei der städtischen Musikschule beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig.

Bildungseinrichtungen drohen Nachzahlungen und strafrechtliche Konsequenzen 

Infolge dieser Rechtsprechung des BSG änderte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) daraufhin mit Wirkung zum 1. Juli 2023 ihre allgemein geltenden Beurteilungsmaßstäbe zur Feststellung des Erwerbsstatus von Lehrkräften. Damit wurden Bildungseinrichtungen, die bis dahin ihr Angebot auf scheinbar selbstständige Lehrkräfte gestützt haben, mit den einschneidenden Folgen einer fehlerhaften Statusfeststellung konfrontiert: der künftigen Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, aber vor allen Dingen auch einer möglichen Nachzahlungspflicht sowie steuer- und strafrechtlichen Konsequenzen. 

Entsprechend groß war nach dieser Entscheidung die Angst vieler Bildungseinrichtungen vor negativen Folgen und vor einem möglichen wirtschaftlichen Ruin.

Politik unter Druck: Expertengruppe erarbeitet Lösungsvorschläge

Da bundesweit Tausende Träger und Lehrkräfte, insbesondere in Einrichtungen der Musik- und Erwachsenenbildung betroffen sind, steht die Politik unter Druck, eine Lösung zu finden. Unter Führung des Bundesarbeitsministeriums und unter Beteiligung der Deutsche Rentenversicherung, von Fachverbänden, Gewerkschaften und der Kultusministerkonferenz wurde daher eine Expertengruppe eingesetzt, die an einer Lösung und an Empfehlungen für rechtssichere Beschäftigungsmodelle arbeitet. 

Da dies Zeit benötigt, hat der Deutsche Bundestag am 30. Januar 2025 eine Übergangsregelung bis Ende 2026 beschlossen, der der Bundesrat in seiner Sitzung am 14. Februar 2025 zugestimmt hat. Diese Übergangsregelung, die das SGB IV um den § 127 SGB IV n. F. ergänzt, findet sich versteckt im „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“. Sie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Einmalige Sonderregelung: Sozialversicherungspflicht gilt erst am 1. Januar 2027

Nach dieser Übergangslösung ist vorgesehen, dass im Falle einer Prüfung durch einen Versicherungsträger, die eine Versicherungspflicht für eine Lehrkraft feststellt, diese Versicherungspflicht erst ab 1. Januar 2027 gilt. Mit anderen Worten: bis zum 31. Dezember 2026 sind auch dann, wenn Honorarlehrkräfte abhängig beschäftigt tätig sind, keine Sozialversicherungsbeiträge von den Trägern zu zahlen. 

Mit der Regelung soll ermöglicht werden, für einen vorübergehenden Zeitraum von einer ansonsten zwingenden Nachforderung von Sozialbeiträgen abzusehen. Vor allen Dingenallem den Trägern von Bildungseinrichtungen soll damit hinreichend Zeit gegeben werden, ihre Organisations- und Geschäftsmodelle umzustellen und an das Erfordernis einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Lehrkräften anzupassen. Damit kommt Bildungsreinrichtungen nun eine Sonderregelung zugute, die im Sozialversicherungsrecht einmalig ist. 

Aber Achtung: Viele Honorarlehrkräfte dürften die Bedingungen nicht erfüllen

Die Sozialversicherungsfreiheit bis Ende 2026 besteht nach der Übergangsregelung in § 127 Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. nur dann, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Selbstständigkeit ausgegangen sind (§ 127 Abs. 1 Nr. 1) und die betroffene Lehrkraft zustimmt (§ 127 Abs. 1 Nr. 2). 

Da viele Honorarlehrkräfte schon seit Jahren für ihre Träger tätig sind, werden die meisten Verträge diese Voraussetzung aktuell kaum erfüllen. Um insoweit auf der sicheren Seite zu sein, sind alle Bildungsträger, die Honorarlehrkräfte beschäftigen, gut beraten, die bestehenden Verträge zu prüfen und erforderlichenfalls anzupassen. Wichtig ist darüber hinaus vor allen Dingen auch, dass die Lehrkraft der Tätigkeit auf selbstständiger Basis zustimmt.

Bildungseinrichtungen sollten (nachträglich) Zustimmung einholen 

Bei neu abzuschließenden Verträgen, die eine selbstständige Lehrtätigkeit vorsehen, müssen die Träger daher streng darauf achten, dass sie die Zustimmung der Lehrkraft zum Tätigwerden auf selbstständiger Basis bei Vertragsschluss erhalten. Auch für bereits bestehende Verträge sollte eine solche ausdrückliche Zustimmung unter Hinweis auf die Neuregelung in § 127 SGB IV noch eingeholt werden. Den Unternehmen ist dringend davon abzuraten, von einer stillschweigenden Zustimmung der Lehrkraft auszugehen. Die Neuregelung in § 127 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB IV unterscheidet deutlich zwischen dem Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss und der Zustimmung der Lehrkraft. Daher sollte Letztere ausdrücklich schriftlich erfolgen. 

Kann der Träger eine Zustimmung der Lehrkraft nach § 127 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV – gleich, aus welchem Grund – nicht nachweisen, greifen die Regelungen des § 127 IV n.F. nicht. Die Folge: mit der Folge, dass dDie Versicherungspflicht für Personen, die eine abhängige Lehrtätigkeit ausüben, tritt in vollem Umfang sofort eintritt und nicht erst ab dem 1. Januar 2027.

Die Regelung in § 127 SGB IV n.F. schafft Rechtssicherheit (nur) für eine Übergangszeit. Stand jetzt werden ab 1. Januar 2027 abhängig beschäftigte Honorarlehrkräfte in vollem Umfang der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Ob es dabei bleibt, wird der weitere Verlauf der Beratungen der Expertengruppe und der Gesetzgebung zeigen.

Beschäftigung von Honorarlehrkräften: Das ist jetzt zu tun

Diejenigen, die Honorarlehrkräfte beschäftigen, sollten sich bereits jetzt Gedanken darüber machen, wie die Zusammenarbeit zukünftig gestaltet sein soll und wie sie sich organisatorisch aufstellen wollen.

Zudem sollten Bildungseinrichtungen die bestehenden Verträge mit Honorarlehrkräften überprüfen und anpassen und vor allen Dingen deren schriftliche Zustimmung zu einem Tätigwerden auf selbstständiger Basis kurzfristig einholen. 

Bei der Gestaltung Ihrer Verträge und deren Anpassung ebenso wie bei allen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen unterstützt Sie das Arbeitsrechtsteam von Baker Tilly gerne. Sprechen Sie uns an. 


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Autor dieses Artikels

Gabriele Heise

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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