Arbeits- und Sozialrecht: Das steht im neuen Koalitionsvertrag

Arbeits- und Sozialrecht: Das steht im neuen Koalitionsvertrag
  • 11.04.2025
  • Lesezeit 5 Minuten

Vom Mindestlohn, über Zeiterfassung, steuerfreie Mehrarbeit bis hin zum Thema Fachkräfte – wir geben den Überblick über die wichtigsten Vorhaben der Koalitionäre im Arbeits- und Sozialrecht sowie in der Arbeitsmarktpolitik.

Am 09.04.2025 haben sich die CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Dieser wird nun den verschiedenen Parteigremien zur Zustimmung vorgelegt. Dabei lässt die SPD alle Mitglieder über den Vertrag abstimmen. Die Frist dafür endet am 29.04.2025.

Auf sieben Seiten sowie in verschiedenen weiteren Unterpunkten hält der Koalitionsvertrag in Sachen Arbeit und Soziales folgendes bereit:

Arbeitsrecht

  • Die Koalition hält am Mindestlohn fest. Dieser soll in Zukunft aber ausschließlich von der Mindestlohnkommission festgelegt werden. Er soll sich an den Tarifentwicklungen sowie an 60 Prozent des Brutto-Medianlohns orientieren. Im Jahr 2026 soll der Mindestlohn 15 Euro brutto pro Stunde betragen. Dies ist allerdings nur ein Programmpunkt. 
  • Die Koalition verfolgt das Ziel einer höheren Tarifbindung. Deshalb soll ein Bundestariftreuegesetz erlassen werden, was auf Bundesebene für Vergaben ab 50.000 Euro gilt bzw. für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro. Dabei soll die Bürokratie auf ein Mindestmaß beschränkt werden. 
  • Um mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit zu erreichen, soll in Einklang mit der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit geschaffen werden. Die konkrete Ausgestaltung soll mit den Sozialpartnern gefunden werden. Fraglich ist, ob die Umsetzung für nicht tarifgebundene Arbeitgeber dadurch wieder blockiert wird.
  • Die elektronische Erfassung von Arbeitszeiten soll unbürokratisch geregelt werden. Für kleinere und mittlere Unternehmen soll es eine Übergangszeit geben. 
  • Die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung bleibt möglich. 
  • Die Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 Arbeitszeitgesetz wird um das Bäckereihandwerk erweitert. 
  • Ruhezeitregelungen, die in der Vergangenheit oft im Fokus der Diskussion standen, sollen beibehalten werden. 
  • Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit ausgehen, werden steuerfrei gestellt. Für tarifliche Regelungen soll als Vollzeitarbeit eine Wochenarbeitszeit von mind. 34 Stunden und für nicht tarifliche festgelegte/vereinbarte Arbeitszeiten 40 Stunden gelten. Teilzeitkräfte, die über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten, können vom Arbeitgeber steuerbegünstigte Prämien erhalten. 
  • Die betriebliche Mitbestimmung wird weiterentwickelt. Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen sind Präsenzformaten gleichwertig. In Zukunft soll es auch möglich sein, Betriebsratswahlen online durchzuführen. 
  • Schriftformerfordernisse, z. B. bei Befristungen, sollen abgebaut werden.
  • Das Zugangsrecht der Gewerkschaften zu Betrieben wird um einen digitalen Zugang erweitert. Damit wird genau der Zustand geschaffen, den das BAG erst kürzlich abgelehnt hat. 
  • Der Einsatz von KI im Unternehmen soll im Hinblick auf den Umgang mit Daten geregelt werden. 
  • Die Mitgliedschaft in Gewerkschaften wird durch steuerliche Anreize für die Mitglieder attraktiver gemacht. 

Mehr zum Koalitionsvertrag:  Das soll sich im Steuerrecht ändern.

Arbeitsmarktpolitik/Sozialrecht

  • Um die Fachkräftebasis zu sichern, soll die Erwerbstätigkeit von Frauen gestärkt werden. Die Einwanderung von Fachkräften soll durch die Digitalisierung und Zentralisierung der Prozesse und eine beschleunigte Anerkennung von Berufsqualifikationen gestärkt werden. Eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung, die sogenannte „Work-and-Stay-Agentur“ wird gegründet. Hürden für Flüchtlinge bei der Beschäftigungsaufnahme werden abgebaut und Arbeitsverbote auf max. drei Monate reduziert. Dies gilt nicht für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten.
  • Menschen mit Behinderungen sollen ein Recht auf volle wirksame und gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen können. Das Behindertengleichstellungsgesetz soll weiterentwickelt werden. Der Wechsel von einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt soll gestärkt werden.
  • Das Bürgergeld soll durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende ersetzt werden. Dies werde geleitet vom Grundsatz „Fördern und Fordern“.
  • Der Arbeitsschutz steht mit hohen Standards im Vordergrund. Insbesondere die Prävention von psychischen Erkrankungen soll gestärkt werden. 
  • Für Berufskraftfahrer setzt sich die Koalition für höhere europäische Arbeitsschutzstandards ein. Insbesondere soll die Sanitär-Infrastruktur auf Park- und Rastplätzen auf Bundesautobahnen ausgebaut werden. 
  • Die Arbeitsbedingungen für die Kurier-, Express- und Paketdienstbranche sollen verbessert werden. Dies soll durch die Nachunternehmerhaftung gesichert werden. 
  • Das Friseur-Gewerbe wird in den Katalog der Branchen im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz aufgenommen.
  • Auch die betriebliche Altersversorgung soll gestärkt werden und insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern vorangetrieben werden.
  • Die Rentnerbeschäftigung wird gefördert. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt einen Gehaltsanteil von 2.000 Euro pro Monat steuerfrei. Außerdem entfällt das Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz für Arbeitnehmer nach Erreichen der Regelaltersgrenze, sodass ein befristetes Weiterarbeiten möglich ist. 

Über allen Themen steht der Bürokratieabbau. Sozialdaten sollen bei allen Zweigen der Sozialversicherung nur einmal erhoben werden („Once-Only-Prinzip“). Die Verwaltungsprozesse bei den Sozialleistungen sollen digitalisiert werden. Die Gründung neuer Gesellschaften soll in Zukunft in 24 Stunden möglich sein.

Fazit: Positive Ansätze, aber kein großer Aufbruch

Es sind zwar einige positive Ansätze erkennbar, doch ein wirklicher Aufbruch im Arbeitsrecht lässt weiterhin auf sich warten. Die Vorhaben tragen deutlich eine sozialdemokratische Handschrift, auch wenn es die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Es bleibt abzuwarten, wie diese Programmsätze dann tatsächlich umgesetzt werden.

Wir haben aktuelle Entwicklungen im Arbeits- und Sozialrecht für Sie im Blick und stehen Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen gern beratend zur Seite.

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Autor dieses Artikels

Christine Ostwald

Director

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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