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Die überarbeitete ELTIF-Verordnung bietet die Chance, dass sich europäische langfristige Investmentfonds zu einer etablierten Anlageklasse entwickeln.
Am 8. April 2023 ist die Verordnung (EU) 2023/606 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2023 (ELTIF-Reform) zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/760 (ELTIF-VO) in Kraft getreten. Die Reform der ELTIF-VO verfolgt im Wesentlichen das Ziel, die Attraktivität und Akzeptanz von europäischen langfristigen Investmentfonds (ELTIF) zu erhöhen, um so die Stabilität und Effizienz der europäischen Finanzmärkte zu verbessern.
Reform der ELTIF-Verordnung
Die seit dem 9. Dezember 2015 in allen europäischen Mitgliedsstaaten gültige ELTIF-VO regelt die Zulassung, Anlagepolitik und Bedingungen der Tätigkeit von alternativen Investmentfonds (AIF) mit Sitz in der Europäischen Union. Sie verfolgt das europäische Ziel, mit intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstum Kapital zu beschaffen und langfristigen Investitionen der europäischen Wirtschaft zuzuführen.
Die vom europäischen Gesetzgeber erhoffte Akzeptanz des Kapitalmarktes ist jedoch bislang ausgeblieben: Seit Einführung der ELTIF-Verordnung wurden in den letzten sieben Jahren lediglich ca. 77 ELTIFs (Stand 31. Dezember 2022) in der EU registriert. Grund hierfür sind die hohen Hürden für ein Investment von Privatanlegern sowie die Einschränkungen im Auflege- und Vertriebsprozess.
Die Reform der ELTIF-VO will nunmehr die bestehenden Hindernisse beseitigen und die Attraktivität und Akzeptanz von ELTIFs erhöhen. Hierzu enthält die Reform zahlreiche Änderungen in Bezug auf den Umfang der zulässigen Vermögenswerte, den Zugang für Kleinanleger sowie den Vertrieb von ELTIFs. Dadurch sollen ELTIF-Verwalter ihre Anlagestrategien flexibler gestalten und besser umsetzen können.
Wesentliche Änderungen für ELTIF-Verwalter
Der Begriff der „zulässigen Vermögenswerte“ wurde präzisiert und zugleich ausgeweitet. Während insbesondere für die Investition in Immobilien kein konkreter sozialer oder ökonomischer Nutzen mehr erforderlich ist, kann ein ELTIF künftig in Sachwerte investieren, solange diese aufgrund ihrer Beschaffenheit und ihrer Eigenschaften einen Ertragswert haben. Ein größeres Spektrum möglicher Investitionen für ELTIFs ergibt sich auch durch die Aufhebung der Mindestanforderung, dass ein einzelner Sachwert mindestens 10 Millionen Euro wert sein musste.
Hinsichtlich der Portfoliozusammensetzung wurde die Quote, die in zulässige Anlageformen investiert werden muss, als zu hoch eigeschätzt und von 70 Prozent auf 55 Prozent korrigiert. Weiterhin wurden die Diversifizierungsquoten angepasst, sodass ein einzelner Sachwert zukünftig 20 Prozent anstatt lediglich 10 Prozent des Gesamtportfolios ausmachen darf. Für Produkte, die ausschließlich an professionelle Anleger vertrieben werden, gibt es künftig gar keine Diversifikationserfordernisse mehr.
Im Weiteren wurde im Rahmen der Reform die zulässige Fremdkapitalquote bei Produkten, die auch an nicht-professionelle Anleger vertrieben werden, von 30 Prozent auf 50 Prozent und bei Produkten für professionelle Anleger von 30 Prozent auf 100 Prozent erhöht. Auch ist es für ELTIF-Verwalter in Zukunft möglich, Hebelstrategien durch die Aufnahme von Barkrediten zu verfolgen.
Wesentliche Änderungen für (Klein-) Anleger
Auch für Kleinanleger sieht die Reform der ELTIF-VO Änderungen vor, die eine Investition in ELTIFs erleichtern und zugleich den Anlegerschutz stärken sollen. Der bisherige Mindestanlagebetrag von 10.000 Euro sowie die 10-prozentige Obergrenze für Privatanleger mit liquidem Vermögen unter 500.000 Euro sind gestrichen worden. Bei Produkten mit einer Laufzeit von mindestens zehn Jahren ist jedoch ein Warnhinweis zur langen Laufzeit erforderlich.
Um weiterhin, trotz der Aufgabe der separaten Geeignetheitsprüfung nach der ELTIF-VO, einen ausreichenden Anlegerschutz zu gewährleisten, werden künftig umfassende Anforderungen an die vorvertragliche Beratung der Kleinanleger gestellt und im Hinblick auf die Geeignetheitsprüfung auf die Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) verwiesen. Auch wenn das Ergebnis der Geeignetheitsprüfung negativ ausfällt, kann der Anleger investieren, sofern er explizit zustimmt, dass er in den ELTIF einsteigen möchte.
Im Übrigen können sich Kleinanleger künftig im ELTIF-Register umfassend über ELTIFs, ELTIF-Verwalter sowie die für ELTIFs zuständigen Behörden informieren. Die bislang bestehende vierteljährliche Mitteilungspflicht der zuständigen Behörden über erteilte und entzogene Zulassungen von ELFITS wurde zugunsten des Anlegerschutzes in eine monatliche Mitteilungspflicht geändert.
Inkrafttreten und Ausblick
Die Reform der ELTIF-VO ist am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung am 20. März 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union, mithin am 8. April 2023, in Kraft getreten. Aufgrund der Übergangsregelung finden die überarbeiteten ELTIF-Vorschriften nach einer neunmonatigen Karenzzeit ab dem 10. April 2024 Anwendung.
Zugelassene ELTIFs, die bereits vor dem Inkrafttreten der Reform aufgelegt worden sind, genießen für einen Zeitraum von fünf Jahren, d.h. bis zum 10. Januar 2029, Bestandsschutz. Des Weiteren kann auch jetzt schon ein vor dem 10. Januar 2024 zugelassener ELTIF unter die neuen Regelungen fallen, sofern die zuständige Behörde des ELTIFs hiervon unterrichtet wird.
Die Reform der ELTIF-VO ebnet ELTIFs durch den Abbau bestehender Beschränkungen den Weg, sich als ernstzunehmende Anlageklasse durchzusetzen. Insbesondere für nachhaltige Projekte stellt der ELTIF eine gute Finanzierungsmöglichkeit dar, ohne jedoch auf diese beschränkt zu sein.
Ob und in welchem Umfang das vom europäischen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Steigerung der Akzeptanz und Attraktivität von ELTIFs eintritt, wird die Zukunft zeigen. Die Steigerung des Markvolumens um rund 3,94 Milliarden Euro gegenüber 2021 sowie die Ankündigung diverser Anbieter in Deutschland, ELTIFs aufzulegen, lassen jedoch das Potential sowie einen ersten Aufschwung erkennen.
Für Fragen zur Neuregelung der ELTIF-VO oder anderen aufsichtsrechtlichen Themen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Jörg Mühlenkamp
Partner
Rechtsanwalt, Steuerberater
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