Vorsteuerabzug: Neue Regelungen für Kreditinstitute

  • 11.12.2024
  • Lesezeit 5 Minuten

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat ein umfangreiches Schreiben zum Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten veröffentlicht. Darin fordert das BMF zukünftig von Banken die Erstellung einer Verfahrensdokumentation zur Ermittlung der Vorsteueraufteilung, eine Darlegung der Aufteilungsmethodik sowie eine nachvollziehbare Aufzeichnung des Vorsteuerabzugs.

Das BMF hat mit Schreiben vom 9. Dezember 2024 seine rechtliche Auffassung zum Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten erneuert. Darin bezieht es dazu Stellung, wie nach der Auffassung der Finanzverwaltung der Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten sachgerecht ermittelt werden kann. 

Das BMF positioniert sich dabei im Schreiben als „Quasi-Gesetzgeber“ und fordert zukünftig von Banken die Erstellung einer Verfahrensdokumentation zur Ermittlung der Vorsteueraufteilung, einer Darlegung warum die gewählte Aufteilungsmethodik die präzise Methodik sein soll, und fordert eine klare, einfache und für Dritte nachvollziehbare Aufzeichnung des Vorsteuerabzugs im Sinne des § 22 UStG und § 63 UStDV. 

Ferner äußert sich das BMF dahingehend, dass eine Vorsteueraufteilung nach „Segmenten“ in der Bankenwirtschaft der sachgerechte Ermittlungsschlüssel ist, zählt aber Leasinggeschäfte beispielsweise als nicht bankentypisches Geschäft. Das BMF fordert eine entsprechende Umsetzung bis zum 31. Dezember 2025 und beanstandet nicht, wenn der Steuerpflichtige bis zum 31. Dezember 2025 sich auf die Altregelung aus dem BMF-Schreiben vom 12. April 2005 beruft.

BMF-Schreiben: Deutliche Präzisierung der Anforderungen

Fazit vorab: Die neuen Regelungen stellen eine deutliche Präzisierung der Anforderungen an den Vorsteuerabzug und die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten dar. Eine sachgerechte Verfahrensdokumentation und Aufzeichnung nach §§ 22 UStG und 63 UStDV ist erforderlich. Das jeweilige Kreditinstitut ist gefordert, sich dem BMF-Schreiben zu stellen und frühzeitig entsprechende Verfahrensdokumentation zu erstellen. 

Zusammenfassend führt die Finanzverwaltung folgendes aus: 

1. Vorsteueraufteilung (§ 15 Abs. 4 UStG)

Das BMF-Schreiben geht als erstes auf die allgemeinen Aufteilungsgebote des Umsatzsteuerrechts ein. Die Aufteilung der Vorsteuerbeträge ist demnach notwendig, wenn Eingangsleistungen sowohl für Umsätze verwendet werden, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

  • Grundsatz der direkten Zuordnung: Eingangsleistungen sind zunächst direkt den entsprechenden Ausgangsumsätzen zuzuordnen. Dabei ist eine klare und nachvollziehbare Dokumentation erforderlich (§ 22 UStG).
  • Wirtschaftliche Zuordnung: Sofern eine direkte Zuordnung nicht möglich ist, wird eine wirtschaftliche Zuordnung nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten vorgenommen. Dies basiert auf Art. 173 Abs. 1 MwStSystRL, wobei in Deutschland „andere wirtschaftliche Zuordnungen“ Vorrang vor einem allgemeinen Umsatzschlüssel haben (§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG). Der gewählte Maßstab zur Aufteilung der Vorsteuer muss sachgerecht, das heißt realistisch und objektiv nachvollziehbar sein, um die tatsächliche wirtschaftliche Nutzung widerzuspiegeln. Beispielsweise dürfen selektive Elemente nicht angewandt werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2019 – XI R 18/17). Allerdings ist es grundsätzlich möglich, in einem Unternehmen verschiedene Schlüssel anzuwenden.
  • Sachgerechte Aufteilungsmaßstäbe: Die gewählte Methode muss realistisch und objektiv nachvollziehbar sein, um die tatsächliche wirtschaftliche Nutzung widerzuspiegeln. Beispielsweise dürfen selektive Elemente nicht angewandt werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2019 – XI R 18/17).

2. Maßgabe für Kreditinstitute: Segmentierung

Die Finanzverwaltung erachtet die Segmentierung als eine der präzisesten Methoden der Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten und definiert die Ermittlung wie folgt:

  • Definition: Segmentierung bedeutet die Unterteilung eines Unternehmens in organisatorisch trennbare Einheiten (z. B. Filialen, Geschäftsbereiche wie Investmentbanking oder Privatkundengeschäft, oder Produktgruppen). Diese Methode ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der Vorsteueraufteilung innerhalb eines Unternehmens.
  • Vorgehensweise:
    • Segmentbildung: Ein Segment liegt vor, wenn das jeweilige Segment für sich betrachtet abgrenzbare Tätigkeiten ausführt. Als Segmente führt das BMF-Schreiben beispielhaft Organgesellschaften, ausländische Betriebsstätten, Filialen, Geschäftsbereiche, Abteilungen oder Produktgruppen auf. Die Segmente können durch Zusammenfassung von möglichst ähnlichen Tätigkeiten gebildet werden.
    • Segmentschlüssel für Vorsteueraufteilung: Innerhalb eines Segments werden Eingangsleistungen, soweit möglich, direkt zugeordnet. Wird eine Eingangsleistung für mehrere Segmente bezogen, erfolgt eine Aufteilung. Die Vorsteueraufteilung erfolgt dann schließlich mit einem Schlüssel, der für jedes Segment individuell gebildet wird.
    • Residualschlüssel: Nicht direkt zuordenbare Gemeinkosten oder Aufwendungen, die nicht einem spezifischen Segment zugeordnet werden können, werden über einen Residualschlüssel auf Unternehmensebene verteilt. Diese Methode minimiert die unscharfe Zuordnung solcher Kosten.
  • Ziel: Die Segmentierung führt zu einer sachgerechten und präziseren Zuordnung der Vorsteuerbeträge und minimiert die Aufteilung anhand allgemeiner Schlüssel.

3. Aufzeichnungspflichten

Die Dokumentation ist zentral für die Anerkennung des Vorsteuerabzugs und die Aufteilung:

  • Gesetzliche Grundlage: Gemäß § 22 Abs. 3 UStG und § 63 UStDV muss die Aufzeichnung so erfolgen, dass ein sachverständiger Dritter die Zuordnung innerhalb angemessener Zeit nachvollziehen kann. Fehlerhafte oder unvollständige Aufzeichnungen können zu einer Schätzung durch die Finanzverwaltung (§ 162 AO) führen.
  • Pflichten:
    • Nachvollziehbare Darstellung der Zuordnung von Eingangs- und Ausgangsumsätzen.
    • Detaillierte Erfassung der Bemessungsgrundlagen und Steuerbeträge getrennt nach den Steuergruppen (steuerpflichtig, steuerfrei, vorsteuerabzugsberechtigt).
    • Besondere Sorgfaltspflichten bei Vereinfachungsregelungen (z. B. bei § 63 Abs. 5 UStDV).

4. Anwendungsregelung

Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es gibt allerdings eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2025.

  • Besondere Regeln im Übergangszeitraum: Wenn Unternehmer bis zum 31. Dezember 2025 die Regelungen des früheren BMF-Schreibens vom 12. April 2005 anwenden, wird dies nicht beanstandet, sofern die Voraussetzungen des früheren BMF-Schreibens erfüllt sind und keine entgegenstehenden neuen Regelungen bestehen.
  • Handlungsbedarf:
    • Kreditinstitute können ab sofort die Grundsätze des neuen Schreibens anwenden
    • Unternehmen, die bisher nach älteren Grundsätzen gearbeitet haben, können sich hierauf nur noch bis zum Ende der Übergangszeit berufen.
    • Für Sachverhalte, die ab dem 1. Januar 2026 verwirklicht werden, können Unternehmen nicht mehr das frühere BMF-Schreiben anwenden. Die Vorgaben des neuen Schreibens, insbesondere im Hinblick auf präzisere Methoden wie die Segmentierung, müssen zwingend berücksichtigt werden.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Nutzung des Übergangszeitraums für eine optimale Umsetzung der neuen Grundsätze!
 

Artikel teilen:

Autoren dieses Artikels

Marion Fetzer

Partner, Head of Indirect Tax

Steuerberaterin

Thorsten Went

Partner Indirect Tax, Head of Digitalisation Tax

Steuerberater

Kristina H. Schwarting

Director

Rechtsanwältin, Steuerberaterin

Marcel Späth

Director

Steuerberater

Was können wir für Sie tun?

Jetzt Kontakt aufnehmen

Kontakt aufnehmen