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Weitgehend unbemerkt hat am 10. November 2023 der Bundestag eine geplante Änderung der Wegzugsbesteuerung beschlossen, die eine erneute Verschärfung für internationale Unternehmer und ihre Familien bedeutet.
Im Rahmen des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur globalen Mindestbesteuerung (BT-Drucksache 20/8668 vom 06.10.2023) hat der Gesetzgeber auch eine Änderung der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) für Wegzüge in EU-/EWR-Länder, die vor dem 01.01.2022 erfolgten, eingeführt. Bisher wurde in diesen Wegzugsfällen eine unbefristete zinslose Stundung gewährt (§ 6 Abs. 5 AStG a.F.). Diese umfängliche Stundungsregelung hat der Gesetzgeber nun mit der Einführung eines § 21 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 AStG n.F. in 2. und 3. Lesung am 10.11.2023 erheblich eingeschränkt.
Systemwechsel zum 01.01.2022 für neue Wegzüge
Der Gesetzgeber hatte bereits mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz das Wegzugsteuerregime dahingehend verschärft, dass auch bei einem Wegzug nach dem 31.12.2021 aus Deutschland (insbesondere durch Beendigung der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht) in einen EU/EWR-Staat die Wegzugsteuer (d.h. fiktive Veräußerung gehaltener Kapitalgesellschaftsanteile in Höhe von mindestens 1 %) nicht mehr dauerhaft und zinslos gestundet werden kann. Insoweit besteht nur noch die Möglichkeit der zinslosen Ratenzahlung verteilt über sieben Jahre.
Nach dem für Wegzüge vor dem 01.01.2022 anzuwendenden (alten) Recht wurde die bei einem Wegzug in einen anderen EU/EWR-Staat entstandene Wegzugsteuer zinslos gestundet. Die Verschärfung der Wegzugsteuer ab dem 01.01.2022 hatte auf bereits in der Vergangenheit erfolgte gestundete Wegzüge dagegen bisher keine Auswirkung.
Gesetz zur globalen Mindestbesteuerung – Verschärfung nun überraschend auch für Altfälle
Nach dem jetzt überarbeiteten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 06.10.2023 wird durch eine Änderung der Übergangsvorschrift des § 21 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 AStG-Entwurf für sämtliche Altfälle die gewährte Stundung widerrufen, soweit Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückgewährungen aus der der Wegzugsteuer unterliegenden Beteiligung 25 Prozent des gemeinen Werts der Anteile (Marktwert zum Zeitpunkt des Wegzugs) überschreiten.
Eine vergleichbare Regelung wurde mit dem Systemwechsel für Wegzüge ab dem 01.01.2022 in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 5 Nr. 5 AStG n.F. erstmals eingeführt. Sie soll allein für neue Wegzüge zu einem (anteiligen) Ausschluss der Rückgängigmachung der Wegzugsteuer im Falle eines Rückzugs nach Deutschland (Abs. 3) bzw. zu einem Entfallen der gewährten zinslosen Ratenzahlung (Abs. 4) führen. Mit seinem nun beschlossenen Gesetzesvorhaben beabsichtigt der Gesetzgeber, diese Widerrufsregelung auf alle alten Wegzüge mit dauerhafter Stundung anzuwenden.
Der Gesetzgeber hatte die Verschärfung für neue Wegzüge nach dem 31.12.2021 mit der Unterbindung von Umgehungsgestaltungen begründet: Wegzüge dürften nicht dazu genutzt werden, dass der Steuerpflichtige in dem jeweiligen Zuzugsstaat ein „Leerschütten“ der Kapitalgesellschaft ggfs. unter einem besonderen Steuerregime vornehme, welches zu einer deutlichen Steuerbegünstigung oder mitunter sogar Steuerbefreiung führe. Um eine Angleichung an das neue Recht zu schaffen, solle diese Regelung nun auch für Wegzüge vor dem 01.01.2022 gelten (BT-Drucks. 20/8668, S. 239).
In zeitlicher Hinsicht werden bei der Prüfung hinsichtlich der Überschreitung der 25-Prozent-Grenze diejenigen Gewinnausschüttungen und Einlagerückgewährungen der Kapitalgesellschaft erstmals berücksichtigt, die nach dem Kabinettsbeschluss (16.08.2023) der nun vorgesehenen Gesetzesverschärfung erfolgen.
Beispiel: A ist im Jahr 2019 durch Aufgabe seines Wohnsitzes nach Spanien weggezogen. Er hielt zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Beteiligung an einer spanischen Kapitalgesellschaft (Sociedad Limitada) in Höhe von 50 Prozent. Der gemeine Wert der gehaltenen Anteile betrug 25 Millionen Euro, sodass sich bei Anschaffungskosten von einer Million Euro ein der Wegzugsteuer unterliegender fiktiver Veräußerungsgewinn von 24 Millionen Euro und somit eine Einkommensteuerbelastung im Jahr 2019 von 6,48 Millionen Euro (vereinfachend gerechnet: 60 % Teileinkünfteverfahren und 45 % Spitzensteuersatz) ergaben. Diese Wegzugsteuer wurde unbefristet und zinslos gestundet. Es erfolgen nach dem Wegzug jährliche Ausschüttungen aus der Beteiligung an A von jeweils einer Million Euro, die in Spanien der normalen Einkommensbesteuerung unterliegen.
Mit der Verschärfung ist nunmehr die 25-Prozent-Grenze, gemeint sind hier 25 Prozent des damaligen Verkehrswertes der Gesellschaft, die der Wegzugsteuer unterlag, in Höhe von 6,25 Millionen Euro einzuhalten (25 Prozent von 25 Millionen Euro). Soweit daher ab dem siebten Jahr diese Grenze um 750.000 Euro überschritten wird, erfolgt in dieser Höhe erstmalig ein anteiliger Widerruf der gewährten Stundung. Demnach ist dieser Betrag zwingend an den deutschen Fiskus zu melden und sodann nach Änderung des Steuerbescheides abzuführen.
Es steht zu befürchten, dass ausländische Steuern – die regelmäßig mit der Ausschüttung in den einzelnen Ländern abgeführt werden – jedenfalls nach bisheriger Lesart des Entwurfs – wohl nicht berücksichtigt werden können. Die Ausschüttung ist schließlich nur Auslöser des Stundungswiderrufs und wird daher selbst nicht der deutschen Besteuerung unterworfen. Demnach wären die weiteren Ausschüttungen mit ihrem Bruttobetrag in den Folgejahren insgesamt zur Zahlung der Wegzugsteuer infolge der nun pro rata temporis widerrufenen Stundung zu verwenden.
Für den Stundungswiderruf ist es im Übrigen irrelevant, zu welchem Zeitpunkt die 25-Prozent-Grenze überschritten wird. Im Gegensatz zu den neuen Wegzugsfällen nennt die nun für Altfälle wirkende Regelung keinen Beobachtungszeitraum. Es ist daher im Rahmen der dauerhaft gewährten Stundung regelmäßig nur eine Frage der Zeit, wann die Überschreitung eintritt. Fraglich ist, ob die nun eingeführte Grenze auch von dem jeweiligen Rechtsnachfolger des Weggezogenen zu beachten sein wird.
Handlungsempfehlung
Die Verschärfung für alte Wegzüge stellt wohl die nächste Herausforderung für internationale Unternehmer und ihre Familien dar, insbesondere auch für die Unternehmenserben.
Betroffene müssen im Rahmen einer Ausschüttungs- und Liquidationsplanung prüfen, wie sie angesichts der drohenden Zahlungsbelastung reagieren. Ein möglicher Rückzug nach Deutschland kann ebenfalls erwogen werden. Denn nach der weiterhin anzuwendenden Altregelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 und 4 AStG a.F. würde im Falle eines Rückzugs nach Deutschland und der damit einhergehenden (Wieder-)Begründung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht die bereits festgesetzte und gestundete Wegzugsteuer entfallen.
Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass der ausländische Zuzugsstaat eventuell selbst eine eigene Wegzugsteuer erhebt, eine sogenannte „Exit-Tax“. Insoweit würde sich durch einen Rückzug nach Deutschland zwar die deutsche Wegzugsteuer aufheben, dafür entstünde jedoch gleichsam eine ausländische Wegzugsteuer.
Roland Hoven
Partner
Rechtsanwalt
Dr. Marcel Lemmer
Rechtsanwalt, Steuerberater
Dominik Halbmeyer, LL.M.
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
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