Enge Verzahnung von Förder- und Vergaberecht

  • 23.09.2024
  • Lesezeit 7 Minuten

Im Spannungsfeld zwischen Zuwendungs- und Vergaberecht: So vermeiden Sie Verstöße gegen vergaberechtliche Vorgaben.

Fördert die öffentliche Hand Projekte oder Maßnahmen, fordert sie inzwischen üblicherweise vom Zuwendungsempfänger die (jedenfalls teilweise) Beachtung des Vergaberechts bei von ihm beabsichtigten Anschaffungen, und zwar unabhängig davon, ob dieser selbst dem Vergaberecht unterliegt oder nicht. Hintergrund ist der allgemeine haushaltsrechtliche Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln, der auf diese Weise auch beim Empfänger staatlicher Leistungen wirksam werden soll.   

In der Praxis führt die so bewirkte tatsächlich und rechtlich anspruchsvolle Verzahnung von Förder- und Vergaberecht häufig zu Verstößen gegen vergaberechtliche Vorgaben. In der Regel sind diese Vergabefehler auf die Unerfahrenheit der Zuwendungsempfänger zurückzuführen, auf Unklarheiten über die konkret zu beachtenden Regelungen sowie auf die Komplexität der einschlägigen Bestimmungen. Sie stellen alle Beteiligten vor Probleme. Die Zuwendungsgeber müssen mit Blick auf den genannten haushaltsrechtlichen Grundsatz der Sparsamkeit entscheiden, ob sie das Zuwendungsrechtsverhältnis auflösen (müssen); nach dessen Systematik stellt nämlich inzwischen im Grundsatz jeder Vergabefehler einen Verstoß gegen die auferlegten zuwendungsrechtlichen Pflichten dar. Den Empfängern der Zuwendung wiederum droht infolge des Vergaberechtsfehlers die Rückforderung der gewährten Finanzmittel.

Gänzlich auflösen lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen Zuwendungs- und Vergaberecht nicht. Wir sehen allerdings verschiedene Ansätze, wie sich eine bessere gegenseitige Abstimmung beider Rechtsgebiete und damit im Interesse aller Beteiligten eine größere Rechtssicherheit erreichen lässt. Sie sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Anzuwendendes Vergaberecht
Die konkret zu beachtenden vergaberechtlichen Regelungen bestimmt der jeweilige Bewilligungsbescheid; nach der jüngeren Rechtsprechung ist allein er maßgeblich dafür, ob der Zuwendungsempfänger überhaupt zu vergaberechtskonformen Ausschreibungen verpflichtet ist und ggf. in welchem Umfang. Der Bescheid sollte sich schon deshalb nicht darauf beschränken, lediglich über pauschale Verweisungen auf eine Förderrichtlinie oder Allgemeine Nebenbestimmungen (ANBest) vergaberechtliche Regelungen für anwendbar zu erklären. Zur Vermeidung von Vergabefehlern sollte der Zuwendungsempfänger Klarheit über das von ihm zu beachtende Vergaberecht haben. Eine häufig anzutreffende Regelungstechnik, die lediglich auf allgemeine Regelwerke verweist, die ihrerseits insbesondere auf Bestimmungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) weiterverweisen, ggf. ergänzt durch einzelne eigene Bescheidsbestimmungen, gewährleistet diese Klarheit nicht. Aus Sicht des oftmals in Vergabedingen unerfahren Förderempfängers ist es hilfreicher, wenn auch für den Zuwendungsgeber aufwendiger, alle einschlägigen Beschaffungsvorgaben abschließend in den Bewilligungsbescheid aufzunehmen, dabei die einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen ANBest mit eventuellen projektbezogenen Abweichungen und Ergänzungen zu verschneiden und allenfalls ergänzend auf gesetzliche Regelwerke zu verweisen. 


Dynamische Verweisung auf geltende Regelwerke
Bewilligungsbescheide erklären regelmäßig die konkreten ANBest „in der jeweils gültigen Fassung“ für ergänzend anwendbar. Dies ist nicht überraschend; eine Heranziehung früherer, nicht mehr gültiger Fassungen verbietet sich in der Regel. Ungeklärt lässt diese Formulierung allerdings, ob es sich hier um eine dynamische Verweisung handelt, die die jeweilige Fassung der ANBest (und der in Bezug genommenen UVgO) zum Zeitpunkt einer konkreten Auftragsvergabe meint, oder um eine statische Verweisung, für die allein die Fassung zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses maßgebend ist. Relevant wird diese Frage, wenn während des Bewilligungszeitraums der jeweiligen Projektförderung Änderungen im einschlägigen Regelwerk erfolgen, sei es erleichternd oder erschwerend. Im Interesse der Bestimmtheit und Rechtsklarheit vor allem aus Sicht des Zuwendungsempfängers dürfte hier eher eine statische Verweisung anzunehmen sein (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).  Zweckmäßig erscheint es daher, zur Vermeidung rechtlicher Unsicherheiten eine ausdrückliche klarstellende Aussage in den Bewilligungsbescheid aufzunehmen. Diese sollte im Interesse des Zuwendungsempfängers den statischen Charakter der Verweisung betonen, allerdings die Möglichkeit ausdrücklich offen lassen, durch nachfolgende Mitteilungen während der Projektlaufzeit vergaberechtliche Erleichterungen zum Bescheidsinhalt werden zu lassen, wie dies beispielsweise anlässlich der COVID 19-Pandemie häufig praktiziert worden ist; ein solches Vorgehen könnte insbesondere einem unbefriedigenden „Einfrieren“ von Wertgrenzen im Bewilligungsbescheid bei sich wesentlich ändernden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während der Projektlaufzeit begegnen. 

Landesrechtliche Vorgaben
Bewilligungsbescheide legen dem Zuwendungsempfänger vergaberechtliche Pflichten bei der Vergabe von Aufträgen auf, unabhängig davon, ob dieser (öffentlicher) Auftraggeber ist und in dieser Eigenschaft ohnehin Vergaberecht zu beachten hätte. In letzterem Fall stellt sich die Frage nach der Maßgeblichkeit (auch) spezifischer landesrechtlicher Vorgaben, da die einzelnen Bundesländer über den rechtlich erforderlichen Anwendungsbefehl den personalen Anwendungsbereich der UVgO selbst festlegen und hier aufgrund divergierender Traditionen den Kreis derjenigen staatlichen und halbstaatlichen Institutionen unterschiedlich weit ziehen, die dem Unterschwellenvergaberecht unterliegen sollen. Deshalb erscheint es angeraten, im Interesse der Vermeidung von Vergabefehlern, der Rechtssicherheit beim Zuwendungsempfänger und der Entlastung bei der Nachprüfung zahlreicher, sich häufig fortentwickelnder landesrechtlicher Regelungen im Bewilligungsbescheid ausdrücklich auch insoweit Klarheit darüber zu schaffen, welches Recht vom Zuwendungsempfänger zu beachten ist und der Prüfung auf mögliche Vergabefehler und den daraus abzuleitenden Rechtsfolgen zugrunde gelegt wird. Von besonderer Bedeutung ist dies, wenn bei bundesweiten Förderprogrammen landesrechtliche Vorgaben insbesondere gegenüber der UVgO spezifische oder temporäre Vergabeerleichterungen mit sich bringen; es dürfte hier trotz des gemeinsamen Interesses an einer möglichst einheitlichen und klaren Rechtslage kaum vermittelbar sein, dem Zuwendungsempfänger am Sitz seiner Einrichtung zulässige Erleichterungen zu verwehren.

Rechtsfolgen von Vergabeverstößen
Nach der üblichen Regelungstechnik des Bewilligungsbescheids bildet grundsätzlich jeder Vergabefehler einen Verstoß gegen eine Auflage des Bescheids und eröffnet damit die Möglichkeit zum Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG mit der Folge der Rückforderung gewährter Fördermittel. Die Entscheidung über den Widerruf steht allerdings im pflichtgemäßen Ermessen des Zuwendungsgebers. Angesichts der unterschiedlichen Zielrichtungen von Zuwendungs- und Vergaberecht verlangt die Entscheidung über den Widerruf eigene Maßstäbe, die sich nach unserer Ansicht vorrangig am zuwendungsrechtlich maßgeblichen Zweck einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel auszurichten haben, weniger am Zweck des Vergaberechts, dem Schutz des Wettbewerbs.

Runderlasse verschiedener Bundesländer sehen den Regelwiderruf eines Zuwendungsbescheids bei „schweren“ Vergabeverstößen vor und führen hierfür Regelbeispiele an. Das Vergaberecht selbst kennt allerdings keine Unterscheidung zwischen schweren und sonstigen Verstößen und differenziert auch nicht nach unterschiedlichen Graden des Verschuldens. In vergaberechtlicher Hinsicht irrelevant ist auch, ob ein Vergabefehler, beispielsweise die Wahl eines falschen Verfahrens, zugleich einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot des Zuwendungsrechts darstellt.

Diese Unklarheiten erfordern es nach unserer Einschätzung sowohl im Interesse des Zuwendungsgebers an hinreichend bestimmten Maßstäben, die er der Folgenbewältigung von Vergabefehlern zugrunde legen kann, als auch im Interesse der Zuwendungsempfänger an der gebotenen Rechtssicherheit, im Bewilligungsbescheid ausdrücklich die einschlägigen Entscheidungsgrundlagen zu benennen.

Bei bundesweiten Förderprogrammen verbietet es sich dabei aus Sicht des Zuwendungsgebers nach unserer Ansicht, auf die Verwaltungsvorgaben derjenigen Bundesländer abzustellen, in denen der konkret betroffene Zuwendungsempfänger (zufällig) seinen Sitz hat; die Berücksichtigung zahlreicher, inhaltlich voneinander abweichender Regelungen erscheint nicht verwaltungsökonomisch, dient aber vor allem nicht der gebotenen Einheitlichkeit der Entscheidungspraxis.  Erforderlich ist daher in solchen Fällen ein „Bundes-Maßstab“ für die gebotene pflichtgemäße Ermessensentscheidung, der sich zweckmäßigerweise an der einschlägigen Rechtsprechung zu § 49 VwVfG, die hier sehr streng ist, an den Grundaussagen der Nr. 8 der VV zur Bundeshaushaltsordnung sowie dem Bestreben des Zuwendungsrechts nach einer wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung (vgl. § 7 Abs. 1 BHO) und weniger an den Maßstäben des Vergaberechts, insbesondere dem Schutz des Wettbewerbs, orientiert. So kann ein Widerruf im Einzelfall insbesondere dann ausscheiden, wenn trotz eines (formalen) Vergabeverstoßes die gewährten Mittel zweckgemäß mit der geforderten Wirtschaftlichkeit eingesetzt worden sind. 

Vielen Dank an Dr. Peter Czermak für seine wertvolle Unterstützung beim Verfassen dieses Beitrages.

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Autor dieses Artikels

Dr. Christian Teuber

Partner

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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