Entwürfe einer EU-Geldwäscheverordnung und 6. EU-Geldwäscherichtlinie: Harmonisierung und Erweiterung geldwäscherechtlicher Transparenzpflichten
- 28.03.2022
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Am 20. Juli 2021 hat die Europäische Kommission Gesetzgebungsentwürfe für die Einführung einer EU-Geldwäscheverordnung sowie einer 6. EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet. Ziel der Gesetzgebungsentwürfe ist die Schaffung eines einheitlichen EU-Regelwerks zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. In diesem Zuge werden auch einige wesentliche Veränderungen vorgenommen, um einen höheren Grad an Harmonisierung und Konvergenz bei der Anwendung in den Mitgliedstaaten zu erreichen. Welche Änderungen sind vorgesehen?
Erstmals soll anstelle einer EU-Geldwäscherichtlinie, die von den Mitgliedsstaaten im Wege nationaler Gesetzgebung umzusetzen ist, eine auf nationaler Ebene unmittelbar anwendbare EU-Geldwäscheverordnung erlassen werden. Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist dies erforderlich, da der Mangel an direkter Anwendbarkeit und Detailtiefe der Richtlinie (EU) 2015/849 geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/843 (4. EU-Geldwäscherichtlinie) derzeit zu einer uneinheitlichen Auslegung und unterschiedlichen Anwendung auf nationaler Ebene führt und hierdurch insbesondere ein wirksamer Umgang mit grenzüberschreitenden Fällen bislang verhindert wird. Dies belegen u.a. die zahlreichen Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der Vorgaben der 4. EU-Geldwäscherichtlinie.
Der Entwurf für eine neue EU-Geldwäscheverordnung erweitert u.a. die Liste der Verpflichteten um Personengruppen aus bestimmte Risikobereichen. Der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten wird einheitlich definiert. Außerdem werden die Anforderungen in Bezug auf interne Richtlinien, Kontrollen und Verfahren, insbesondere die Sorgfaltspflichten in Bezug auf Kunden (sog. „Know-your-Costumer-Prüfungen“) harmonisiert. Hierdurch werden Transparenzpflichten für bestimmte Personen bzw. Fälle erweitert und für Bargeldgeschäfte soll eine Obergrenze eingeführt werden.
Der Entwurf der 6. EU-Geldwäscherichtlinie sieht konkrete Verfahrensvorgaben für die nationalen Transparenzregister, die Aufsicht sowie die Zusammenarbeit von nationalen und europäischen Behörden vor.
Erweiterung der Liste der Verpflichteten
Die Europäische Kommission sieht in der ständigen Weiterentwicklung der Technologie und den hiermit verbundenen Möglichkeiten, neue Produkte und Systeme für den Austausch von Geldern oder Werten zu entwickeln, zugleich auch neue Risiken für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Vor diesem Hintergrund soll das EU-Regelwerk zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung künftig auch auf Anbieter von Krypto-Dienstleistungen und Crowdfunding-Plattformen ausgeweitet werden, da diese dem Risiko der Nutzung dieser neuen Kanäle für die Verschiebung illegaler Gelder in besonderem Maße ausgesetzt sind.
Vergleichbare Risiken bestehen auch bei Verbraucher- und Hypothekarkreditgebern und -vermittlern, die keine Kredit- oder Finanzinstitute sind. Daher sieht der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung vor, auch diese in den Anwendungsbereich einzubeziehen.
Harmonisierung des sog. „wirtschaftlich Berechtigten“ und Vorgaben zu dessen Bestimmung
Das Konzept des sog. „wirtschaftlich Berechtigten“ dient dazu, bei komplexen Gesellschaftsstrukturen für mehr Transparenz zu sorgen. Eine wirksame und effiziente Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung setzt voraus, dass ein Zugriff auf korrekte, aktuelle und adäquate Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten besteht, da andernfalls Straftäter ihre Identität hinter undurchsichtigen Strukturen verbergen können. Bisher verlangen die Mitgliedsstaaten jedoch ein unterschiedliches Maß an Transparenz, da das bestehende EU-Regelwerk unterschiedlich ausgelegt wird. Dies hat zur Folge, dass die wirtschaftlich Berechtigten auf unterschiedliche Weise ermittelt werden, insbesondere bei nur mittelbaren Beteiligungen an Unternehmen oder vergleichbaren Rechtsgestaltungen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass auf EU-Ebene eine einheitliche Definition des wirtschaftlich Berechtigten zur Anwendung kommt.
Nach dem Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung ist wirtschaftlich Berechtigter „jede natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle ein Rechtsträger, ein Trust oder eine ähnliche Rechtsvereinbarung letztlich steht, sowie jede natürliche Person, in deren Namen oder zu deren Nutzen eine Transaktion oder Tätigkeit durchgeführt wird“. Bei Gesellschaften sind wirtschaftlich Berechtigte diejenigen natürlichen Personen, „die die Gesellschaft entweder über eine Beteiligung oder anderweitig direkt oder indirekt kontrollieren“. Diese allgemeine Definition entspricht grundsätzlich auch der derzeitigen Regelung nach der 4. Geldwäscherichtlinie und der nationalen Umsetzung im Geldwäschegesetz (GwG). Der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung sieht allerdings neue, detaillierte Vorschriften vor, um die wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften und anderen Rechtsträgern einheitlich zu ermitteln.
Erweiterte Transparenzpflicht in mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen
Eine die wirtschaftliche Berechtigung vermittelnde Kontrolle in Form einer Beteiligung soll künftig vorliegen bei einer Beteiligung von mehr als 25 % an Kapital-, Stimmrechtsanteilen oder sonstigen Eigentumsrechten an der Gesellschaft auf jeder Ebene der Beteiligung.
Bislang begründet eine Kapital- oder Stimmrechtsbeteiligung von mehr als 25 % lediglich auf der ersten Ebene der Beteiligung, d.h. bei unmittelbaren Gesellschaftern eine transparenzpflichtige Kontrolle nach dem GwG. Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen liegt eine wirtschaftliche Beteiligung dagegen erst vor, wenn eine natürliche Person die Zwischengesellschaft, die auf der ersten Beteiligungsebene die vorgenannte Kontrolle von 25 % Kapital-, Stimmrechtsanteile oder sonstige Eigentumsrechte hält, kontrolliert. Eine solche Kontrolle über die unmittelbar beteiligte Zwischengesellschaft bei (mehrstufigen) mittelbaren Beteiligungen wird wiederum erst angenommen, wenn die natürliche Person beherrschenden Einfluss i.S.d. § 290 Abs. 2 bis 4 des Handelsgesetzbuches (HGB) auf die unmittelbar beteiligte Zwischengesellschaft ausüben kann, insbesondere wenn ihr die Mehrheit (mehr als 50 %) der Kapitalanteile oder Stimmrechte zustehen.
Abweichend von der aktuellen Rechtslage soll künftig auch bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen bereits eine Kapital- oder Stimmrechtsanteilen von mehr als 25 % auf jeder (auch nur mittelbaren) Beteiligungsebene eine Kontrolle vorliegen, die eine wirtschaftliche Berechtigung begründet. Dieser im Gegensatz zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie und dem GwG geringere Schwellenwert bei der Ermittlung der wirtschaftlich Berechtigten hat eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs zur Folge.
Welche Umstände daneben als „sonstige Eigentumsrechte“ eine Kontrolle in Form einer Beteiligung begründen, definiert der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung nicht. Insoweit bleibt die Auslegung durch die zuständigen Behörden abzuwarten.
Weitere Fallgruppen der anderweitigen Kontrolle
Der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung enthält außerdem eine detaillierte und erweiterte Aufzählung von Fallgruppen, in denen eine „anderweitige Kontrolle“ eine wirtschaftliche Berechtigung begründet. Dieser Katalog enthält namentlich die folgenden Fälle:
- Das Recht, mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans oder ähnlicher Funktionsträger der Gesellschaft zu bestellen oder abzuberufen;
- Die Möglichkeit einer wesentlichen Einflussnahme auf die Entscheidungen der Gesellschaft, u.a. in Form von Veto- und Beschlussfassungsrechten, sowie auf jede Entscheidung, die Gewinnausschüttung oder eine Vermögensverschiebung bewirkt;
- Die geteilte oder uneingeschränkte Kontrolle durch förmliche oder informelle Vereinbarungen mit den Eigentümern, Gesellschaftern oder den Unternehmen, durch Bestimmungen in der Satzung, Partnerschaftsvereinbarungen, Syndizierungsvereinbarungen o.ä. oder durch gleichwertige Dokumente sowie durch Abstimmungsmodalitäten;
- Verbindungen zu Familienangehörigen von Führungskräften oder Direktoren/von Eigentümern oder Kontrollinhabern der Gesellschaft;
- Die Nutzung förmlicher oder informeller Nominee-Vereinbarungen.
Im Übrigen verweist der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung übereinstimmend mit der aktuellen Rechtslage auf die Kriterien in Art. 22 Abs. 1 bis 5 der Richtlinie 2013/34/EU.
Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten
Harmonisiert werden sollen durch die EU-Geldwäscheverordnung künftig auch der Inhalt und Umfang der Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten. Hierzu enthält der Entwurf eine konkrete Aufzählung, die die bisher erforderlichen Angaben erweitert um den Geburtsort, die nationale Identifikationsnummer einschließlich deren Quelle wie Pass oder Personalausweis sowie ggf. die Steueridentifikationsnummer oder gleichwertige Nummer, die der Person vom Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts zugewiesen wurde. Darüber hinaus sollen die Angaben künftig auch eine Beschreibung der Kontroll- und Eigentumsstruktur umfassen.
Neue Pflichten bei Treuhandverhältnissen
Ein erhöhtes Geldwäscherisiko besteht bei Treuhandverhältnissen und vergleichbarer Rechtsgestaltungen, da in derartigen Strukturen die Identität wirtschaftlich Berechtigter verschleiert werden kann. Deshalb sollen durch die EU-Geldwäscheverordnung verschärfte Transparenzanforderungen eingeführt werden, um zu vermeiden, dass Treuhandverhältnisse und vergleichbare Rechtsgestaltungen missbraucht werden und sich Straftäter hinter Treuhändern bzw. Bevollmächtigten verstecken können.
Der Entwurf sieht daher erstmals ausdrücklich vor, dass bestehende Treuhandverhältnisse gegenüber der betreffenden Gesellschaft offenzulegen sind. In diesem Zusammenhang sind Treuhänder künftig verpflichtet, angemessene, korrekte und aktuelle Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten einzuholen und vorzuhalten. Treuhänder haben ihren Status offenzulegen und den Verpflichteten im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten die Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten vorzulegen. Die jeweiligen wirtschaftlich Berechtigten bzw. Treugeber sind ihrerseits dazu verpflichtet, den Treuhändern alle zur Erfüllung dieser Pflichten notwendigen Informationen mitzuteilen. Hierdurch soll eine hinreichende Transparenz bezüglich Treuhandverhältnissen und vergleichbaren Strukturen sichergestellt werden.
Transparenzpflicht von Unternehmen aus Drittstaaten
Außerdem sieht der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung eine Transparenzpflicht für Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union vor. Diese besteht, wenn Unternehmen mit einem geldwäscherechtlich Verpflichteten eine Geschäftsbeziehung eingehen oder Eigentum an Immobilien innerhalb der EU erwerben. In diesen Fällen sind auch Unternehmen sowie Treuhandverhältnisse oder vergleichbaren Rechtsgestaltungen aus sog. Drittstaaten verpflichtet, Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten an mindestens ein nationales Transparenzregister eines betreffenden Mitgliedstaates zu melden.
Dies hat eine erhebliche Erweiterung der meldepflichtigen Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten zur Folge. Künftig wird daher bereits bei jeder Art von Geschäftsbeziehung mit einem Geldwäscheverpflichteten, etwa Banken, Versicherungen, Abschlussprüfer oder Steuerberater eine Eintragung im Transparenzregister für Unternehmen aus Drittstaaten erforderlich.
Obergrenze für Barzahlungen bei 10.000 Euro
Der Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung sieht außerdem vor, dass Warenhändlern und Dienstleistungsanbietern untersagt wird, Barzahlungen über 10.000 Euro für einen einzelnen Kauf zu akzeptieren. Den Mitgliedstaaten bleibt es erlaubt, einen geringeren Höchstbetrag für Barzahlungen beizubehalten. Die bisherigen Maßgaben der 4. Geldwäscherichtlinie habe sich aufgrund mangelhaften Verständnisses und mangelhafter Anwendung, der fehlenden Aufsicht und der begrenzten Zahl an als verdächtig gemeldeter Transaktionen als unwirksam erwiesen, um die Geldwäscherisiken bei Barzahlungen über große Beträge zu mindern. Dies soll nunmehr mit einer Obergrenze für Bargeldzahlungen erreicht werden.
Entwurf der 6. EU-Geldwäscherichtlinie
Der Entwurf der 6. EU-Geldwäscherichtlinie enthält u.a. Vorgaben für Zuständigkeiten und die Einrichtung von Transparenzregistern, für Zuständigkeiten und Aufgaben zentraler Meldestellen, für die Beaufsichtigung von Verpflichteten sowie die Zusammenarbeit zwischen zuständigen nationalen und europäischen Behörden. Diese bringen für die Praxis der betroffenen Unternehmen nach unserer Einschätzung keine weitreichenden Veränderungen mit sich.
Die einzelnen Mitgliedstaaten bleiben hiernach selbst für die Führung der Transparenzregister durch nationale Behörden verantwortlich. Diese haben insoweit sicherzustellen, dass diese den europarechtlichen Vorgaben entsprechen.
Die Aufsicht über die geldwäscherechtlich Verpflichteten obliegt ebenfalls weiterhin den einzelnen Mitgliedsstaaten selbst. Die Aufsichtsbehörden haben insbesondere die Einhaltung der europarechtlichen Anforderungen durch Verpflichtete wirksam zu überwachen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um deren Einhaltung sicherzustellen.
Allerdings sieht der Entwurf der 6. EU-Geldwäscherichtlinie vor, auf EU-Ebene eine Behörde für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Anti-Money-Laundering-Authority – „AMLA“) einzurichten. Diese soll durch die nationalen Behörden umfassend informiert werden. Ein für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch der nationalen zentralen Meldestellen einzurichtendes System soll durch die AMLA verwaltet werden. Darüber hinaus soll die AMLA die Koordinierung gemeinsamer Analysen von Meldungen grenzüberschreitender verdächtiger Transaktionen übernehmen. Im Rahmen ihrer Koordinierungs- und Überwachungsfunktion soll die AMLA Entwürfe technischer Regulierungsstandards ausarbeiten und Leitlinien erstellen, um die Verwaltungspraxis auf EU-Ebene zu harmonisieren und eine ordnungsgemäße Umsetzung zu gewährleisten. Die Entwürfe der Regulierungsstandards sind der Kommission zur Annahme vorzulegen. Dagegen soll die AMLA selbst ermächtigt sein, Leitlinien in Form von EU-Richtlinien für die nationalen Aufsichtsbehörden zu erlassen.
Inkrafttreten und Ausblick
Nach dem aktuellen Entwurf der EU-Geldwäscheverordnung soll diese drei Jahre nach deren Verabschiedung durch den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament Anwendung finden. Der Entwurf der 6. Geldwäscheverordnung sieht ebenfalls eine Frist von drei Jahren ab Verabschiedung durch den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament vor, innerhalb derer die Mitgliedsstaaten diese in nationale Gesetzgebung umzusetzen haben.