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Aus der EG-Dual-Use-VO 428/2009 wird die EU-Dual-Use-VO 2021/821: Am 11. Juni 2021 wurde die EU-Dual-Use-VO 2021/821 (EU-Dual-Use-VO) nach jahrelangen Verhandlungen im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt nun am 9. September 2021 in Kraft. Die Verordnung dient der Kontrolle der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck wobei sogenannte Emerging Technologies, wie beispielsweise 5G-Netzwerke, Robotics, 3D-Druck und Quantencomputer im Fokus stehen. Den Wirtschaftsbeteiligten bleiben nun knappe drei Monate, um die neue Verordnung intern umzusetzen und schon gegriffene außenwirtschaftsrechtliche Compliance-Maßnahmen anzugleichen bzw. neue Strukturen zu schaffen. Welche wichtigen Änderungen bringt die Verordnung mit sich und welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus?
Das positive Vorweg: die Novelle der Dual-Use-Verordnung ist nicht so gravierend, wie anfangs geplant oder gar befürchtet. Zahlreiche Vorschläge der Kommission oder des Parlaments haben keinen Eingang in die Novelle gefunden. Hierzu zählen unter anderem:
Die Reform allerdings, wie im Vorfeld schon teilweise dargestellt, als „kleinen Wurf“ abzutun, deren Auswirkung in der Praxis auf Unternehmen kaum Auswirkungen haben wird, wäre falsch.
Zwar sind in der Tat nur wenige Unternehmen von der neu geschaffenen Catch-All-Bestimmung in Art. 5 EU-Dual-Use-VO hinsichtlich nicht gelisteter Güter der Überwachung betroffen. Die in Art. 9 festgelegten Öffnungsklauseln für autonome, mitgliedsstaatliche Genehmigungspflichten und die damit verbundene Einzelfallanwendung auf Mitgliedsstaatsebene in Art. 10 EU-Dual-Use-VO, die vor dem Hintergrund geschaffen wurden, kurzfristig auf sich ändernde Kontrollbedürfnisse zu reagieren, bescheren der Exportkontrolle im Dual-Use-Bereich eine noch nie dagewesene Flexibilität, auf die Unternehmen reagieren (können) müssen.
Daneben existiert eine Vielzahl an potenziellen nationalen Genehmigungspflichten, die durch die Mitgliedstaaten für Güter, die nicht in Anhang I der Verordnung aufgeführt sind, eingeführt werden können. Diese Öffnungsklauseln bergen die Gefahr, dass die Harmonisierungsbemühungen der Dual-Use-Kontrolle auf EU-Ebene ins Stocken gerät und die Unternehmen zunehmend nationale Bestimmungen innerhalb der EU beachten müssen. Dies dürfte vor allem ein Rückschlag für einen fairen Wettbewerb sein. Die jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen hierfür finden sich in:
Die Reichweite der Öffnungsklauseln ist im Gegensatz zu der vormaligen EG-Dual-Use-VO erweitert, da die Verweisung sich auf den neu strukturierten Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO bezieht. In Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO sind nunmehr in den Buchstaben a) bis c) sämtliche kritischen Endverwendungen (ABC-Waffen und Trägertechnologien, militärische Endverwendung in Waffenembargoländern, Zulieferung zu illegal gelieferten Rüstungsgütern) zusammengefasst, die vormals in Art 4 Abs. 1 bis Abs. 3 EG-Dual-Use-VO festgeschrieben waren.
Art. 5 EU-Dual-Use-VO legt einen neuen Catch-All-Tatbestand fest. Erfasst von der Catch-All-Klausel sind jedoch nur solche nicht gelisteten Dual-Use-Güter, die unter den Begriff der Güter für digitale Überwachung i.S.d. Art. 2 Nr. 20 EU-Dual-Use-VO fallen. Ein Paradigmenwechsel ist hierbei, dass die Catch-All-Bestimmung nicht auf die positive Kenntnis, wie z. B. in Art. 4 Abs 2 EU-Dual-Use-VO, abstellt, sondern die Sorgfaltspflicht des Ausführers zugrunde legt. Wie diese Due-Diligence-Erkenntnis auszulegen ist, wird sich in der Praxis zeigen. Festzuhalten ist aber, dass die Sorgfaltspflichten des Ausführers sicherlich weitergehend sind als die positive Kenntnis und dementsprechend von den Unternehmen im Rahmen Ihrer ICP bzw. Arbeits- und Organisationsanweisungen berücksichtigt werden muss.
Eine kritische Endverwendung in diesem Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Überwachungsgüter zur Verwendung im Zusammenhang mit „interner Repression und/oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind oder sein könnten“. Ergänzende Auslegungshinweise sind in der Verordnung nicht enthalten, so dass es den Leitfaden des BAFA zu Art. 5 EU-Dual-Use-VO abzuwarten gilt.
Nach Art. 6 EU-Dual-Use-VO bleibt auf europäischer Ebene die Genehmigungspflicht von Handels- und Vermittlungsgeschäften bestehen. Dabei ist die Genehmigungspflicht auf die von Anhang I gelisteten Dual-Use-Gütern im Zusammenhang einer Endverwendung nach Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO bei behördlicher Unterrichtung oder eigener positiver Kenntnis beschränkt. Die gegenwärtige Rechtslage wird nunmehr durch die Zusammenfassung der kritischen Endverwendungen in Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO dementsprechend erweitert.
Art. 8 EU-Dual-Use-VO regelt erstmals auf EU-Ebene die technische Unterstützung. Dieser sieht für die Erbringung technischer Unterstützung im Zusammenhang mit Dual-Use-Gütern des Anhang I eine Genehmigungspflicht vor, wenn „die betreffenden Güter ganz oder teilweise für eine der Verwendungen im Sinne des Art. 4 Absatz 1 bestimmt sind oder bestimmt sein können.“ Dabei ist der erweiterte Regelungsumfang des Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO zu beachten. Neben dieser EU-weit geltenden Regelung bleiben die nationalen Genehmigungspflichten für technische Unterstützung gem. §§ 49ff AWV für deutsche Unternehmen zunächst bestehen.
Art. 10 EU-Dual-Use-VO enthält eine bisher unbekannte, hybride Beschränkungsform. Diese beruht auf der Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO und sieht für jeden Mitgliedstaat die Möglichkeit vor, auf die nationalen Güterlisten anderer Mitgliedstaaten zurückzugreifen. Mit der Regelung soll eine schnelle Reaktion auf den zunehmenden Regelungsbedarf von neuen Technologien gewährleistet werden. Musste bisher entweder eine eigene Listenposition in der nationalen Dual-Use-Güterliste (in Deutschland Teil 1 Abschnitt B der Ausfuhrliste) aufgenommen werden oder eine internationale Listung aus den Exportkontrollregimen erfolgen, kann nun auf bereits bestehende nationale Listungen anderer Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden. Ob und in welcher Intensität von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, gilt es abzuwarten. Die Unternehmen sollten sich aber darauf einstellen, dass Listenänderungen oder die Aufnahme neuer Güter schneller und mit kürzerer Vorlaufzeit erfolgen kann.
Art. 11 EU-Dual-Use-VO legt die bestehende Genehmigungspflicht für die Verbringung von Anhang IV Güter fest. Zu beachten ist, dass eine Genehmigung weiterhin in dem Mitgliedsstaat zu beantragen ist, in dem die Güter belegen sind und nicht dort, wo der Verbringer niedergelassen ist (Art. 11 Abs. 3 EU-Dual-Use-VO).
Die Begriffsbestimmungen in Art. 2 EU-Dual-Use-VO erfahren in der Novelle zahlreiche Änderungen. Die Änderungen sind zum einen der Anpassung an den Unionszollkodex geschuldet (Ausfuhr, Ausführer etc.), zum anderen den neuen Beschränkungen (technische Unterstützung, Güter für digitale Überwachung etc.). Zum ersten Mal legal definiert ist überdies das ICP als „laufende wirksame, geeignete und verhältnismäßige Strategien und Verfahren, die von Ausführern angenommen werden, um die Einhaltung der Bestimmungen und Ziele dieser Verordnung und der Bedingungen der gemäß dieser Verordnung erteilten Genehmigungen zu fördern, unter anderem Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht zur Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit der Ausfuhr der Güter zu Endverwendern und Endverwendungen“. Vor dem Hintergrund dieser Legaldefinition sollten bestehende ICP überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Mit dem Inkrafttreten der EU-Dual-Use-VO stehen den Unternehmen mit Sitz in der EU zwei neue allgemeine Ausfuhrgenehmigungen zur Verfügung. In den Anwendungsbereich der EU007 fällt der konzerninterne Technologietransfer für einen bestimmten Länderkreis, wenn der Endverwender entweder eine Tochter- oder Schwestergesellschaft des Ausführers ist. Zu beachten im Rahmen der Nebenbestimmungen ist unter anderem, dass ein ICP vorliegt und die Registrierung 30 Tage vor Inanspruchnahme erfolgt.
Die EU008 betrifft bestimmte Verschlüsselungstechnologien der Kategorie 5. Zu beachten ist hierbei neben den Registrierungs- und Meldepflichten, dass 10 Tage vor Inanspruchnahme das BAFA zu unterrichten ist (Unterrichtungspflicht).
Die Aufzeichnungspflichten sind unverändert geblieben, jedoch sind relevante Unterlagen nach Art. 27 Abs. 3 EU-Dual-Use-VO nunmehr 5 Jahre (ab Ende des Kalenderjahres, in dem die Ausfuhr erfolgte) aufzubewahren. Die Hinweispflicht für Verbringungen ist unverändert, jedoch nun in Art. 11 Abs. 9 EU-Dual-Use-VO, geregelt.
Die von der EU-Dual-Use-VO betroffenen Unternehmen haben nun bis zum 9. September 2021 für die Umsetzung Zeit. Hierbei ist auf folgende Punkte besonders zu achten:
Bei der Implementierung der EU-Dual-Use VO unterstützen wir Sie gerne und gleichen die davon betroffenen internen Prozesse mit Ihnen an. Die Novelle der Dual-Use ist unbestritten eine Zäsur, die die Möglichkeit eröffnet, entweder bestehende exportkontrollrechtliche Strukturen zu auditieren und gegebenenfalls anzupassen oder dies als Chance zu begreifen, interne Maßnahmen, wie die Erstellung eines ICP, zu ergreifen.
Sebastian Billig
Partner
Rechtsanwalt
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