Kartellrechtliche Compliance: Bundeskartellamt erläutert sein Verständnis der „Standards effektiver Compliance“
Angesichts des Risikos hoher Bußgelder ist das Kartellrecht eines der Rechtsgebiete, bei denen die Umsetzung von Compliance-Maßnahmen unabdingbar ist. Seit der 10. GWB-Novelle muss das Bundeskartellamt sowohl vor als auch nach einem Kartellrechtsverstoß getroffene, angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen im Rahmen der Bußgeldbemessung berücksichtigen. Bislang hatte sich das Bundeskartellamt nicht dazu geäußert, wann Compliance-Maßnahmen „angemessen und wirksam“ sind. Nun aber hat die Behörde ihr Verständnis von „effektiver Compliance“ dargestellt. Wie sind diese Standards einzuordnen und was ist bei ihrer Umsetzung zu beachten?
Hintergrund: Einführung eines Wettbewerbsregisters
Das Bundeskartellamt hat in den letzten Jahren ein Wettbewerbsregister aufgebaut, in das Unternehmen eingetragen werden, die verschiedene Wirtschaftsdelikte begangen haben. Seit März hat das Bundeskartellamt den Betrieb des Registers aufgenommen.
Öffentliche Auftraggeber können dort Einsicht nehmen und so prüfen, ob bestimmte Unternehmen von einem Vergabeverfahren auszuschließen sind. Für betroffene Unternehmen besteht somit ein Anreiz, ihren Eintrag im Wettbewerbsregister möglichst frühzeitig löschen zu lassen. Dies ist möglich, wenn sie eine sog. „Selbstreinigung“ durchgeführt haben.
Im Rahmen der öffentlichen Konsultation eines Leitfadens zu einer vorzeitigen Löschung aus dem Wettbewerbsregister hat sich die Bonner Behörde nun erstmals zu den „Standards effektiver Compliance“ geäußert. Die dort vorgesehenen Hinweise bieten wertvolle Hilfestellungen auch außerhalb einer möglichen „Selbstreinigung“.
Hinweise zu den Standards effektiver Compliance
Das Bundeskartellamt stellt klar, dass die Einführung oder Anpassung eines Compliance-Management-Systems eine angemessene Maßnahme zur Herbeiführung einer vergaberechtlichen Selbstreinigung sein kann. Im Einzelfall können aber auch andere Maßnahmen ausreichen bzw. weitergehende Maßnahmen erforderlich sein. Die Behörde betont, dass effektive Compliance nicht darin besteht, schematisch möglichst viele Maßnahmen umzusetzen, die zu dem betreffenden Fehlverhalten und dem jeweiligen Unternehmen nicht passen. Vielmehr hängt eine effektive Compliance jeweils vom einzelnen Unternehmen und dessen spezifischen Risiken ab.
Das Bundeskartellamt erläutert insbesondere folgende „Bausteine“, die aus seiner Sicht zu den Standards effektiver Compliance gehören:
- Durchführung einer Risikoanalyse
- Anpassungen der Organisations- und Aufsichtsstruktur
- Bekenntnis der Unternehmensleitung zu rechtskonformem Handeln
- Sorgfältige Auswahl, Schulung und Kontrolle der Unternehmensbeschäftigten
- Umgang mit Hinweisen; Hinweisgebersystem
- Angemessene Ressourcen und Kompetenzen der verantwortlichen Personen
- Anreize für die Beachtung der Compliance-Anforderungen und Ahndung von Zuwiderhandlungen
- Evaluation und Anpassung der Compliance-Maßnahmen
- Umsetzung möglicher Maßnahmen im Unternehmensverbund
Praxistipps zur Umsetzung der Standards effektiver Compliance
Zwar beziehen sich Ausführungen des Bundeskartellamts ausschließlich auf die vergaberechtliche Selbstreinigung (und befinden sich noch im Entwurfsstadium). Gleichwohl lassen sich daraus wertvolle Hinweise für die kartellrechtliche Compliance insgesamt entnehmen.
So können Unternehmen besser einschätzen, welche Compliance-Maßnahmen im Kartellrecht erforderlich sind. Gleichzeitig kann die Unternehmensleitung beurteilen, ob sie mit den von ihr verantworteten Maßnahmen ihren Pflichten nachgekommen ist und sie sich damit enthaften kann.
Wichtig ist, dass die Hinweise des Bundeskartellamts nicht zwingend vollständig umgesetzt werden müssen. Vielmehr hängen angemessene Compliance-Maßnahmen von Art, Größe und Organisation des Unternehmens und dem Risiko von Kartellverstößen in den jeweiligen Geschäftsfeldern ab. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können sich auf die Umsetzung einzelner, besonders wichtiger Maßnahmen beschränken, die für das jeweilige Unternehmen passen.
Hierzu zählen insbesondere (1) die Durchführung einer Risikoanalyse, (2) die Erarbeitung von Handlungsleitfäden und Check-Listen (etwa zum Kontakt mit Wettbewerbern, zur Mitarbeit im Verband und zur Teilnahme an Messen etc.), (3) die Durchführung von regelmäßigen Schulungen zu spezifischen Praxisthemen, (4) die Einführung einer Möglichkeit zur anonymen Meldung von Rechtsverstößen durch die Mitarbeiter (Hinweisgebersystem) und (5) die Ernennung eines Compliance-Beauftragten mit hinreichenden Kompetenzen und Ressourcen.
Wir unterstützen Sie gerne bei Fragen, insbesondere bei der Umsetzung von Compliance-Maßnahmen und bei der Prüfung, ob bereits umgesetzte Maßnahmen ausreichend sind oder ggf. angepasst werden müssen.