Update Vergaberecht: Öffentliche Auftraggeber zum Kauf sauberer Fahrzeuge verpflichtet

  • 10.09.2021
  • Lesezeit 6 Minuten

Am 5. Mai 2021 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz erlassen, das öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, zukünftig bei der Beschaffung von Fahrzeugen eine bestimmte Quote sauberer Fahrzeuge einzuhalten. Dieses sog. „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“ dient der Umsetzung europäischer Vorgaben zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (s. Richtlinie (EU) 2019/1161 vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge sowie zur Änderung vergaberechtlicher Vorschriften, sog. Clean Vehicles Directive, kurz „CVD“). Wir zeigen Ihnen auf, welche Fahrzeugbeschaffungen von diesem neuen Gesetz umfasst sind und welche Besonderheiten ab sofort bei der Fahrzeugbeschaffung zu beachten sind.

Das Gesetz ist am 14. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 31, 1691) veröffentlicht worden und am 15. Juni 2021 in Kraft getreten. Es schreibt erstmals bei der öffentlichen Auftragsvergabe verbindliche Mindestziele vor, die bei der Beschaffung von emissionsarmen und -freien Pkw sowie von leichten und schweren Nutzfahrzeugen, insbesondere auch für Busse im ÖPNV, zu beachten sind. Das Gesetz gilt seit dem 2. August 2021 und verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, also insbesondere Kommunen und Landkreise, aber auch Bund und die Länder dazu, dass ein Teil der angeschafften Fahrzeuge künftig emissionsarm oder -frei sein muss. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf bestimmte, privatrechtlich organisierte Akteure (z.B. Post und Paketdienste, Stadtreinigung) bei der Erbringung einzelner Dienstleistungen.

Was regelt das Gesetz?

Das SaubFahrzeugBeschG regelt Mindestziele und deren Sicherstellung bei der Beschaffung bestimmter Straßenfahrzeuge ebenso wie bei der Erbringung von Dienstleistungen (z.B. Personenbeförderung), für die diese Straßenfahrzeuge eingesetzt werden. Es gilt vor allen Dingen für Nutzfahrzeuge, wobei es zwischen sauberen leichten Nutzfahrzeugen (zu denen auch Pkw gehören können), sauberen schweren Nutzfahrzeugen und emissionsfreien schweren Nutzfahrzeugen unterscheidet. Was jeweils darunter zu verstehen ist, wird in § 2 des Gesetzes definiert. Zu den Nutzfahrzeugen im Sinne des SaubFahrzeugBeschG gehören insbesondere auch Busse.

Für welche Beschaffungen gilt das Gesetz?

Nach § 3 gilt das Gesetz seit dem 2. August 2021 für folgende Beschaffungen:

  • Für Verträge über den Kauf, das Leasing oder die Anmietung von Straßenfahrzeugen, wenn die Auftraggeber ein Vergabeverfahren nach Vergabeverordnung oder Sektorenverordnung durchführen müssen.
  • Für öffentliche Dienstleistungsaufträge (öDA) im Sinne der EU-Verordnung VO 1370/2007 (öffentlicher Personennahverkehr, also insbesondere ÖPNV-Busse).
  • Für Dienstleistungsaufträge über bestimmte, im Gesetz genannte Verkehrsdienste (z.B. Post- oder Paketbeförderung, Abholung von Siedlungsabfällen), wenn die Auftraggeber ein Vergabeverfahren nach Vergabeordnung oder Sektorenverordnung durchführen müssen.

Nicht anzuwenden ist das Gesetz bei Bagatell- und Kleinaufträge im Sinne des Art. 5 Abs. 4 VO 137/2007. Danach sind ausgenommen

  • Aufträge, deren geschätzter Jahresdurchschnittswert 1 Million Euro oder deren jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung 300.000 Kilometer nicht übersteigt,
  • Aufträge, deren geschätzter Jahresdurchschnittswert 2 Millionen Euro oder deren jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung 600.000 Kilometer nicht übersteigt, sofern die öDA an Auftragnehmer vergeben werden, die nicht mehr als 23 Straßenfahrzeuge betreiben. 

Darüber hinaus nimmt § 4 des Gesetzes weitere Fahrzeuge aufgrund ihrer besonderen Einsatzanforderungen oder begrenzter Marktverfügbarkeit vom Anwendungsbereich aus, z.B.:

  • Land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge
  • Fahrzeuge, die für den Einsatz durch den Zivil- und Katastrophenschutz, durch das Rettungswesen, durch die Feuerwehr oder durch die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden (insbesondere Polizei) entwickelt, gebaut oder umgebaut wurden.
  • Reine Reisebusse
​Ab wann ist das Gesetz bei Beschaffungen zu beachten?

Gemäß § 10 gilt das Gesetz bei Beschaffungen, deren Auftragsbekanntmachung nach dem 2. August 2021 veröffentlicht wird oder bei denen nach dem 2. August 2021 zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert wird. Auf Vergaben, die vor dem 2. August 2021 begonnen wurden, aber erst nach dem 2. August 2021 den Zuschlag erhalten haben, ist es dagegen nicht anzuwenden. Entscheidend ist mithin der Beginn des Vergabeverfahrens, er muss nach dem 2. August 2021 liegen.
 
Bei bestehenden Rahmenvereinbarungen gilt: hat der Auftraggeber vor dem 2. August 2021 Rahmenvereinbarungen abgeschlossen und erst nach dem 2. August 2021 Straßenfahrzeuge per Einzelabruf beschafft, gilt das Gesetz für diese Beschaffung nicht. 

Welche Verpflichtung obliegt den Auftraggebern?

Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes müssen die Auftraggeber bei der Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen die für den jeweiligen Referenzzeitraum nach § 6 festgelegten Mindestziele insgesamt einhalten. Diese Mindestziele bestimmen sich jeweils als Mindestprozentsatz an der Gesamtzahl der gemäß § 3 in dem dort jeweils festgelegten Referenzzeitraum beschafften Nutzfahrzeuge (§ 5 Abs. 1 Satz 2). Die Verpflichtung folgt unmittelbar aus dem Gesetz, einer behördlichen Anordnung bedarf es nicht. Daher sind die Vorgaben auch ohne entsprechende behördliche Mitteilung seit Inkrafttreten des SaubFahrzeugBeschG zu beachten.
 
§ 8 sieht zudem umfangreiche Dokumentationspflichten der Auftraggeber vor. So haben sie unter anderem in den Vergabebekanntmachungen – nachträglich - die Anzahl aller Fahrzeuge, die aufgrund der Auftragsvergabe beschafft wurden, unterteilt nach sauberen leichten Nutzfahrzeugen, sauberen schweren Nutzfahrzeugen und emissionsfreien schweren Nutzfahrzeugen, sowie jeweils unterteilt nach Fahrzeugklassen, anzugeben. 

Was sind die Mindestziele?

Die Mindestziele sind in § 6 geregelt. Danach gilt Folgendes:

Saubere leichte Nutzfahrzeuge und Pkw

  • Für den Referenzzeitraum vom 2. August 2021 bis zum 31. Dezember 2025 sowie vom 1. Januar 2026 bis zum 31. Dezember 2030 gelten bei der Beschaffung dieser Fahrzeuge bestimmte Emissionsgrenzwerte, die in Anlage 1 zum Gesetz genannt sind.
  • Für den Anteil dieser Fahrzeuge an der Gesamtzahl der beschafften leichten Nutzfahrzeuge gilt in beiden Referenzzeiträumen jeweils in Mindestziel von 38,5 Prozent.
  • Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden über Grenzwerte zu CO2- und Luftschadstoffemissionen als „saubere Fahrzeuge“ definiert.

Saubere schwere Nutzfahrzeuge

  • Für den Anteil dieser Fahrzeuge an der Gesamtzahl der beschafften schweren Nutzfahrzeuge gelten Mindestziele, die nach Zeiträumen differenzieren.
  • Im Zeitraum vom 2. August 2021 bis zum 31. Dezember 2025 gelten für Lkw der Fahrzeugklassen N2 und N3 10 Prozent und für Busse der Fahrzeugklasse M3 (die zumeist auch im PNV eingesetzt werden) 45 Prozent als Mindestziel.
  • Im Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis 31. Dezember 2030 gelten für diese Fahrzeuge 15 (Lkw) und 65 (Busse) Prozent als Mindestziel.
  • Schwere Nutzfahrzeuge und Busse werden aufgrund der Nutzung alternativer Kraftstoffe (z.B. Strom, Wasserstoff, Erdgas, Biokraftstoff) als „saubere Fahrzeuge“ definiert. Plug-in Hybridbusse können ebenfalls den Beschaffungsquoten für saubere Fahrzeuge angerechnet werden.

Die genannten Beschaffungsquoten werden neben der Bundesverwaltung auch den einzelnen Ländern für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich (z.B. Polizei) verpflichtend vorgegeben. Die Mindestziele können bei Bedarf länderübergreifend sowie auch in den Ländern flexibel aufgeteilt werden, solange sie landesweit insgesamt eingehalten sind. Auch sog. Branchenvereinbarungen auf Landesebene können bei Bedarf von den Ländern herangezogen werden, um die Ziele zu erfüllen. 
 
Die Überwachung der Einhaltung der Mindestziele ist Sache der Länder (§ 5 Abs. 2 Satz 1). § 5 enthält zudem konkrete Vorgaben zum Abschluss von Branchenvereinbarungen oder zur Bildung länderübergreifender, gemeinsamer Mindestziele.
 
Ob und in welchem Umfang die Länder von diesen Befugnissen Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten.

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Autor dieses Artikels

Dr. Christian Teuber

Partner

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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