Tonnagesteuer: BFH bestätigt Finanzverwaltung zur Bereederung im Inland

  • 22.08.2024
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Bundesfinanzhof (BFH) widerspricht in der Revisionsinstanz dem niedersächsischen Finanzgericht und hält am Merkmal der „fast ausschließlichen“ inländischen Bereederung zur Erfüllung der Tonnagebesteuerung fest.

Seit ihrer ersten Stellungnahme mit dem BMF-Schreiben vom 12. Juni 2002 (sog. „Tonnagesteuererlass“) verlangt die Finanzverwaltung zur Erfüllung der Tonnagebesteuerung, dass bei Auslandsbezug die Bereederung „fast ausschließlich“ im Inland zu erfolgen hat. Das niedersächsische Finanzgericht sah dies anders und ließ eine „überwiegend“ im Inland erfolgte Bereederung ausreichen – allerdings um den Preis einer fehlgeleiteten Gewichtung der Merkmale aus Tz. 1 des Tonnagesteuererlasses, insbesondere des kaufmännischen Schiffsmanagements.  (Wir berichteten)
Gestützt hatte sich das Finanzgericht als Vorinstanz bei der Frage „überwiegend“ oder „fast ausschließlich“ insbesondere auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Ort der Geschäftsleitung sowie auf europarechtliche Erwägungen. Der BFH widersprach diesem nun in der Revisionsinstanz im Verfahren IV R 15/21, dem auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten war. Das Merkmal der „fast ausschließlichen“ inländischen Bereederung widerspräche weder der Gesetzesauslegung noch dem Unionsrecht. 

Sachverhalt
Die Klägerin/Revisionsklägerin war eine im Jahr 2002 in der Form einer GmbH & Co. KG gegründete Publikumsgesellschaft, die ein Handelsschiff betrieb und in time-charter vercharterte. Die Bereederung übernahm die deutsche Tochtergesellschaft einer in England ansässigen Muttergesellschaft. Nach Option zur Tonnagesteuer gemäß § 5a EStG im Streitjahr 2004 versagte das Finanzamt der Klägerin die Anwendung der Tonnagesteuer mit der Begründung, die Bereederung des Seeschiffes sei nicht, wie im Tonnagesteuererlass für die Anwendung des § 5a EStG vorausgesetzt, fast ausschließlich im Inland, sondern u.a. auch in England durchgeführt worden. Die hiergegen gerichtete Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht blieb im Ergebnis zwar erfolglos, jedoch hielt das Finanzgericht fest, dass eine „überwiegende“ inländische Bereederung für die Anwendung des § 5a EStG genüge; das Erfordernis einer „fast ausschließlichen“ Bereederung verstoße gegen höchstrichterliche Rechtsprechung sowie das Unionsrecht. 

BFH hält an „fast ausschließlichen“ inländischen Bereederung fest
Das Merkmal der „fast ausschließlichen“ Bereederung ergibt sich laut BFH aus der Auslegung des Gesetzes, namentlich des § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG. Der BFH widerspricht einer Auslegung in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH zur Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung. Bei den Voraussetzungen der inländischen Bereederung sowie des Ortes der Geschäftsleitung, bei welchem eine „überwiegende“ Tätigkeit im Inland genügt, handele es sich um zwei unterschiedliche Voraussetzungen mit zwei unterschiedlichen Zielrichtungen, die hinsichtlich des Umfangs des Inlandsbezugs nicht gleich ausgelegt werden müssten. Während das Merkmal der inländischen Geschäftsleitung gewährleisten soll, dass der Vorteil der pauschalierenden Gewinnermittlung nur in Anspruch genommen werden kann, wenn Deutschland hinsichtlich des Gewinns auch das Besteuerungsrecht zusteht, soll das Merkmal der inländischen Bereederung dem Zweck dienen, hochwertige Arbeitsplätze im Bereich des Schiffsmanagements und der damit verbundenen Tätigkeiten zu erhalten und zu schaffen. Das könne dann auch dazu führen, dass der in demselben Satz des § 5a EStG (zweimal) verwendete Wortlaut „im Inland“ unterschiedlich ausgelegt werden könne.

Kein Verstoß gegen Unionsrecht
Eine solche Auslegung des § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG sei auch mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar. Über den durch die Klägerin geltend gemachten Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV oder andere europäische Grundfreiheiten könne durch den BFH im gegebenen Verfahren nicht entschieden werden, da dieser in dem vorliegenden Verfahren nicht befugt sei, die Vereinbarkeit des Merkmals einer fast ausschließlichen Durchführung der Bereederung im Inland mit der Dienstleistungsfreiheit oder anderen EU-Grundfreiheiten zu beurteilen. Hintergrund ist die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), die besagt, dass ein nationales Gericht die Vereinbarkeit einer Beihilfe nicht überprüfen darf, wenn die Modalitäten der Beihilfe „derart untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe selbst verbunden“ sind, dass es nicht möglich ist, sie für sich allein isoliert zu beurteilen. Nach dem BFH stellt die Tonnagebesteuerung eine solche (steuerliche) Beihilfe dar, die eine isolierte Prüfung des Merkmals der fast ausschließlichen Bereederung im Inland anhand der EU-Grundfreiheiten dem BFH als nationales Gericht nicht möglich macht. Das Tatbestandsmerkmal der Durchführung der Bereederung im Inland ist laut dem BFH – wie auch das Merkmal der Geschäftsleitung im Inland – untrennbar mit deren Zwecken verbunden. Dies gilt auch für die Frage, in welchem Umfang die inländische Bereederung durchgeführt wird. Ohne den weitergehenden Inlandsbezug wäre es andernfalls möglich, so der BFH, „ohne Verlust der Begünstigung in nicht unerheblichem Umfang Tätigkeiten im Bereich der Bereederung in das Ausland zu verlegen“, was im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers stünde. 

Keine Vorlagepflicht an den EuGH
Der BFH sieht keine Vorlagepflicht an den EuGH hinsichtlich der Frage der Überprüfungsbefugnis mit den EU-Grundfreiheiten durch ein nationales Gericht. Er bezieht sich dabei auf mehrheitliche Entscheidungen des EuGH, die diese bestätigen (vgl. u.a. Urteil Ryanair/Kommission vom 23. November 2023 – C-210/21 P, EU:C:2023:908, Rz. 83). Ob dem so gefolgt werden kann, erscheint uns jedenfalls nicht völlig gesichert zu sein.

Merkmal der „fast ausschließlichen“ Bereederung im Inland vorliegend nicht erfüllt
Zuletzt hält der BFH fest, dass das Merkmal der fast ausschließlichen Bereederung im Inland im konkreten Fall nicht erfüllt war. Der Begriff der Bereederung meint die Geschäftsbesorgung des Betriebs des Handelsschiffes in technischer, kommerzieller und personeller Hinsicht („Ship-Management“). Wesentliche Bereederungstätigkeiten aus den Bereichen des technischen Managements, der Bemannung des Handelsschiffes mit Kapitänen und Schiffsoffizieren sowie des Abschlusses von Versicherungsverträgen für das Handelsschiff seien laut BFH im entscheidungserheblichen Fall nicht im Inland durchgeführt worden. Als Revisionsinstanz war der BFH hier an tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz gebunden. 

Festzuhalten ist, dass der BFH mit seiner Interpretation u.E. nicht die Auffassung der Vorinstanz bestätigt hat, wonach weitgehend ungewichtet darauf abzustellen ist, ob sämtliche „Katalogtätigkeiten“ aus Tz. 1 des Tonnagesteuererlasses im Inland durchgeführt wurden und wo im Detail einzelne Handlungen wir z.B. Einstellungsgespräche mit Kapitänen und Schiffsoffizieren stattgefunden haben. Auch der Aussage der Vorinstanz, wonach dem kommerziellen Schiffsmanagement im Falle einer Vercharterung in timecharter keine größere Bedeutung mehr zukommt, teilt der BFH so nicht. 

Vielmehr führt der BFH aus, dass der Katalog weder trennscharf noch abschließend ist, und dass sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht anhand der Umstände des Einzelfalles zu gewichten ist. Bei Vercharterung in timecharter ist das Management des Chartervertrages (u.E. auch gewichtiger) Bestandteil der Bereederung. Generell gilt: besonderes Gewicht haben die Befrachtung, das technische Management und die Bemannung mit Kapitänen und Schiffsoffizieren. Wird einer dieser Tätigkeitsbereiche ganz, überwiegend oder in wesentlichen Teilen nicht im Inland durchgeführt, rechtfertigt dies den Schluss, dass die Bereederung nicht fast ausschließlich im Inland erfolgt. Hierbei kommt es – ähnlich wie beim Ort der Geschäftsleitung – maßgeblich darauf an, von wo die jeweils maßgeblichen Managemententscheidungen getroffen werden und wo deren Durchführung überwacht wird. Der Ort der Durchführung selbst ist demgegenüber nachrangig.

Bedeutsam erscheint auch die Bestätigung der Praxis, dass die Bereederung im Inland von verschiedenen Unternehmen durchgeführt werden kann.

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Autoren dieses Artikels

Christian Hensell

Partner

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

Tatjana Müller

Manager

Rechtsanwältin

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