Update Mitarbeiterbeteiligungen: Aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht, Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht
- 09.09.2024
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Überarbeitetes BMF-Schreiben mit Klarstellungen zu Mitarbeiterbeteiligungen im Sinne des § 19a EStG und LAG München zum Verfall von Aktienoptionsrechten im Rahmen eines ESOP nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Gestaltung und Implementierung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (und häufig auch im Falle von Managementbeteiligungen) erfordert eine komplexe Betrachtung der gesellschafts-, steuer- und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen und Auswirkungen. Im nachfolgenden Beitrag informieren wir über das aktualisierte Anwendungsschreiben zu Vermögens- und Startup-Beteiligungen ab 2024 des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) sowie ein spannendes Urteil des Landesarbeitsgerichts München (LAG München) zum Verfall von Optionsrechten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
I. Überarbeitetes BMF-Schreiben mit Klarstellungen zu Mitarbeiterbeteiligungen im Sinne des § 19a EStG
Das BMF hat sein ursprüngliches Schreiben betreffend die lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen vom 16. November 2021 überarbeitet. Zwar bleiben die Inhalte weitgehend unverändert, allerdings enthält das neue BMF-Schreiben vom 01. Juni 2024 (BStBl. 2024 I S. 946) Klarstellungen und Fallbeispiele zu den Änderungen, die das Zukunftsfinanzierungsgesetz und das Wachstumschancengesetz in Bezug auf Mitarbeiterbeteiligungen gebracht haben. Die als Weisung an die Finanzämter zu verstehenden Ausführungen des BMF finden für Sachverhalte ab dem 01. Januar 2024 Anwendung. Die wesentlichen Änderungen werden nachfolgend im Überblick dargestellt.
1. Klarstellungen zu einzubeziehenden Arbeitnehmern, § 3 Nr. 39 S. 2 EStG
Neu aufgenommen wurde der Hinweis des BMF, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern, die über Insiderinformationen i.S.d. der EU-Marktmissbrauchsverordnung oder anderer anwendbarer Gesetze verfügen, als vorbeugende Maßnahme zur Verhinderung/Vermeidung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten geboten sei und damit der Inanspruchnahme des Freibetrags bei den übrigen einzubeziehenden Arbeitnehmern nicht entgegenstehe.
Zudem wurde aufgenommen, dass sich das Beteiligungsangebot aus Vereinfachungsgründen nicht an Arbeitnehmer richten muss, die an ein ausländisches Unternehmen entsandt sind.
Das BMF stellt nunmehr klar, dass Regelungen eines sog. Vetorechts in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, wonach der Arbeitgeber nach seinem Ermessen bestimmte Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern vom Programm ausschließen kann, erst dann der Inanspruchnahme des Steuerfreibetrags entgegenstehen, wenn der Arbeitgeber tatsächlich von diesem Vetorecht Gebrauch macht. Ab diesem Zeitpunkt ist dann bei allen am Beteiligungsprogramm teilnehmenden Arbeitnehmern die Inanspruchnahme des Freibetrags ausgeschlossen. Die Inanspruchnahme in davor liegenden Lohnzahlungszeiträumen bleibt allerdings unberührt, sodass die Ausübung des Vetorechts nur für die Zukunft ein „schädliches Ereignis“ darstellt (ex nunc Wirkung).
2. Zufluss bei Verfügungsbeschränkungen (§ 19a Abs. 1 S. 3 EStG)
Das BMF-Schreiben enthält einen neuen Abschnitt zum Zuflusszeitpunkt des Arbeitslohns im Falle von Verfügungsbeschränkungen (sog. vinkulierte Anteile) aufgrund der hierzu erfolgten gesetzlichen Änderungen mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (§ 19a Abs. 1 S. 3 EStG n.F.). Demnach gilt für ab dem 01. Januar 2024 übertragene Vermögensbeteiligungen ein Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Vermögensbeteiligungen i.S.d. § 19a Abs. 1 S. 1 EStG bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 19a EStG auch dann als lohnsteuerlich zugeflossen, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen. Hierbei handelte es sich um eine gesetzliche Änderung, die maßgeblich auf Betreiben von Vertretern der Start-up Branche aufgenommen wurde. Das abschließende Fallbeispiel verdeutlicht das Berechnungsschema in diesem Fall.
3. Anschaffungskosten bei Rückerwerb (§ 19a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG)
Das BMF stellt klar, dass im Fall des Besteuerungstatbestands „Beendigung des Dienstverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber“ (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) und der Ausübung eines Rückerwerbsrechts durch den Arbeitgeber (bzw. eines Gesellschafters des Arbeitgebers oder eines mit diesem verbundenen Unternehmen i.S.d. § 18 AktG) als Anschaffungskosten der Vermögensbeteiligung statt des gemeinen Werts die gewährte Vergütung (§ 19a Abs. 4 S. 4 zweiter Halbsatz EStG) anzusetzen ist. Der Rückerwerb muss nicht an den ursprünglichen Veräußerer erfolgen. Ausreichend ist vielmehr, dass an einen der drei benannten Personen(kreise) veräußert wird. Dies gilt nach dem BMF-Schreiben auch für Vermögensbeteiligungen, die vor 2024 übertragen wurden.
4. Haftungsübernahme durch den Arbeitgeber und weiteres Hinausschieben der Besteuerung (§ 19a Abs. 4a EStG)
Der durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz neu eingefügte § 19a Abs. 4a EStG regelt, dass eine Besteuerung aufgrund der Tatbestände „Ablauf von 15 Jahren“ und „Beendigung des Dienstverhältnisses“ (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG) nicht vorzunehmen ist, wenn der Arbeitgeber unwiderruflich erklärt, dass er für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer nach § 42d EStG haftet. In diesen Fällen löst erst der spätere Tatbestand „entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung“ (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) eine Besteuerung aus. Das BMF-Schreiben regelt nunmehr die verfahrensrechtlichen Details, indem die unwiderrufliche Erklärung des Arbeitgebers zur Kennzahl 21 der Lohnsteuer-Anmeldung die Haftungsübernahme an das Betriebsstättenfinanzamt übermittelt wird. Die Erklärung des Arbeitgebers hat spätestens in der dem betreffenden Ereignis folgenden Lohnsteuer-Anmeldung zu erfolgen. Das ist die Lohnsteuer-Anmeldung, mit der die aufgrund der Nachversteuerung einzubehaltende Lohnsteuer hätte angemeldet werden müssen. Dieser Vorgang wird anhand eines Fallbeispiels erläutert.
5. Beabsichtige Einführung einer Konzernklausel durch das JStG 2024
Sowohl das ursprüngliche BMF-Schreiben als auch das aktualisierte Schreiben schließen die Anwendbarkeit des § 19a EStG für die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Vermögensbeteiligungen an mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen aktuell noch aus. Dieses Verständnis könnte allerdings überholt sein, wenn die im Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024) vorgesehene Einführung einer Konzernklausel tatsächlich Gesetz würde.
Mit der Einführung der Konzernklausel in § 19a Abs. 1 S. 3 EStG-E soll der Anwendungsbereich der Steuervergünstigung des § 19a EStG auch auf die Übertragung von Anteilen an verbundenen Unternehmen i. S. des § 18 AktG erweitert werden. Zukünftig würden damit nicht nur geldwerte Vorteile aus Vermögensbeteiligungen aufgeschoben besteuert werden können, wenn Anteile am Unternehmen des Arbeitgebers überlassen werden, sondern auch, wenn Anteile an verbundenen Unternehmen übertragen und die Schwellenwerte des § 19a Abs. 3 EStG in Bezug auf die Gesamtheit aller Konzernunternehmen nicht überschritten werden. Zudem darf die Gründung keines Konzernunternehmen mehr als 20 Jahre zurückliegen.
Eine entsprechende Regelung war bereits im Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes vorgesehen, wurde aber letztlich nicht beschlossen. Durch die vorgesehene Rückwirkung zum 01. Januar 2024 des JStG 2024 (Art. 45 Abs. 6 JStG 2024) würde sich nunmehr aber der ursprünglich vorgesehene Anwendungsbeginn auf anderem Wege ergeben.
II. Aktuelle Entscheidung des LAG München zum Verfall von Optionsrechten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
1. Ausgestaltung des ESOP und weiterer Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer nahm an einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm teil, welches die beklagte Arbeitgeberin (eine Aktiengesellschaft) für Mitarbeiter im Jahr 2016 aufgelegt hatte. Gemäß Zuteilungsschreiben vom 24.08.2019 (sog. Allowance Letter) erhielt der Kläger gemäß den Regelungen im Employee Stock Option Plan (ESOP) insgesamt 23 virtuelle Optionsrechte auf Aktien an der Beklagten.
Im Allowance Letter wurde ausgeführt, dass die virtuellen Optionen ausschließlich als Anreiz für die Zukunft und nicht für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen gewährt werden und der Kläger für die virtuellen Optionen keine Gegenleistung erbringen muss. Als Anreiz für die Zukunft waren die Optionen nicht sofort ausübbar, sondern nach den allgemeinen Bedingungen des ESOP erst nach einer Wartefrist (sog. Vesting Period).
Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und unabhängig vom Beendigungsgrund sah eine sog. Leaver Klausel in den ESOPs vor, dass Optionen, die nicht ausgeübt wurden bzw. für die kein Ausübungsereignis eingetreten war, nach spätestens 15 Jahren bzw. im Falle des Ausscheidens unter Abschmelzung von jeweils 12,5% der Optionsrechte pro Quartal nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis spätestens nach zwei Jahren verfallen.
Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers vom 29.05.2020 zum 31.08.2020. Da weder während des Arbeitsverhältnisses der Parteien und auch innerhalb von zwei Jahren nach dessen Beendigung kein Ausübungsereignis für die virtuellen Optionen eintrat, verfielen diese vollständig nach den Regelungen des ESOPs.
Im Jahr 2022 änderte die Beklagte für alle Bestandsmitarbeiter die ESOPs und verzichtete auf die Leaver Klausel zum automatischen Fall der Optionsrechte für alle zukünftigen Austritte ab dem 01.03.2022 („ESOP 2022“).
Der ehemalige Arbeitnehmer begehrte in seiner Klage die Feststellung, dass die ihm zugeteilten und gevesteten virtuellen Optionen nicht aufgrund seiner Eigenkündigung verfallen seien. Er verwies darauf, dass es sich um einen essenziellen Bestandteil des Vergütungspakets gehandelt habe und die Leaver Klausel zu einem unzulässigen Entzug von bereits erarbeitetem Entgelt dem Grundgedanken des § 611a BGB widerspreche. Zudem liege eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern nach Abschaffung der Leaver Klausel durch das ESOP 2022 vor.
2. ESOP als freiwillige Leistung lediglich eine Verdienstchance
Das LAG München entschied jedoch zu Gunsten der Arbeitgeberin. Das LAG München bestätigte, dass die Regelungen des Mitarbeiterbeteiligungs-programms (ESOP bzw. ESOP 2022) allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB darstellen, die in vollem Umfang der AGB-Kontrolle unterliegen, wobei § 310 Abs. 4 BGB keine Anwendung finde. Entgegen der Ansicht des Klägers verstoße die Verfallsregelung in der Leaver Klausel des ESOP weder gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, noch werde der Kläger hierdurch abweichend von wesentlichen Rechtsgrundsätzen unangemessen benachteiligt.
Der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass bereits verdienter Lohn nicht mehr entzogen werden darf, steht der Leaver Klausel nicht entgegen, da die Gewährung von virtuellen Optionsrechten als freiwillige Leistung des Arbeitgebers lediglich eine spekulative Verdienstchance und keinen bereits verdienten Lohn darstellten. Es sei bei (virtuellen) Optionen gerade nicht bezweckt, dass die während des Arbeitsverhältnisses nicht eingetretene Realisierung eines Gewinns nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachgeholt werde.
Daher sei im Hinblick auf den spekulativen Charakter grundsätzlich auch eine Verfallsregelung wie in der vorliegenden Leaver Klausel zulässig, die lediglich eine längere „Spekulationsfrist“ (im konkreten Fall mehr als 24 Monate) abschneidet. Dies gelte unabhängig von dem Beendigungsgrund. Ein Fortbestehen des Bezugsrechts trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht, wenn der Eintritt der Beendigung gem. § 162 Abs. 2 BGB vom Arbeitgeber wider Treu und Glauben herbeigeführt werde. Dies sei vorliegend aber nicht festzustellen.
Die in Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelten Grundsätze für bestimmte Sonderleistungen könnten hinsichtlich der Zulässigkeit von Verfallklauseln nicht uneingeschränkt auf Aktienoptionen bzw. virtuelle Optionen übertragen werden, da diese einen deutlich höheren spekulativen Charakter aufweisen.
Es liege durch das ESOP 2022 auch keine unrechtmäßige Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern vor. Solche Stichtagsregelungen als sog. „Typisierung in der Zeit” seien zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises zulässig, sofern sich die Wahl des Zeitpunkts am zu regelnden Sachverhalt orientiere und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst werde. Die im konkreten Fall mit einer Verfallsklausel verbundene Zielsetzung durch die Gewährung von virtuellen Optionsrechten, auf Wunsch der dann noch beschäftigten Bestandsmitarbeiter dafür zu belohnen, dass sie über die gesamte Wachstumsphase des Unternehmens diesem treu geblieben sind, sei mit dem durch Optionen verbundenen Zweck der Bindung der Mitarbeiter vereinbar und daher interessengerecht.
3. Bedeutung für die Praxis
Die Gewährung von virtuellen Optionen im Rahmen von AGB-Regelungen erhält eine immer größere Bedeutung, sowohl bei etablierten Unternehmen als auch insbesondere bei Start-ups und Scale-ups. Manche ESOP-Verträge sehen vor, dass Optionen nach einigen Jahren (häufig erst nach 15 bis 20 Jahren) ab Zuteilung bzw. nach Ausscheiden aus dem Unternehmen (ersatzlos) verfallen (sog. Long Stop Dates). Etwas seltener sind sog. Devesting Klauseln, bei denen (bereits voll gevestete) virtuelle Optionen des Mitarbeiters sukzessive verfallen. In dem jüngst vom LAG München entschiedenen Fall verfielen die Optionen über einen recht kurzen Zeitraum von (nur) zwei Jahren nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters. Das LAG München hat diese Regelung als wirksam angesehen. Die Revision zum BAG wurde durch das LAG München wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu klärenden Fragen zugelassen und ist dort unter dem Aktenzeichen BAG, AZR 67/24 anhängig. Die mündliche Verhandlung ist derzeit für den März 2025 terminiert. Die höchstrichterliche Klärung der vorliegenden Konstellation wird also noch einige Zeit benötigen und ist im Blick zu behalten. Weiterhin sollten vor Abschluss von ESOP-Verträgen also die Regelungen, wonach virtuelle Optionen (teilweise recht schnell) nach Verlassen des Unternehmens vollständig (und ersatzlos) verfallen, aufmerksam geprüft werden.