Verbesserung bei der Kapitalbeschaffung und der Dry-Income Problematik bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungen für Start-Ups und junge Wachstumsunternehmen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz

  • 25.01.2024
  • Lesezeit 10 Minuten

Das lang erwartete Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (kurz: Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) eröffnet insbesondere für Start-Ups und junge Wachstumsunternehmen („Scale-Ups“) neue Gestaltungsmöglichkeiten und verbessert die Rahmenbedingungen für Investitionen und Wachstum merklich. Sowohl der Zugang zum Kapitalmarkt als auch die Aufnahme von Eigenkapital werden erleichtert. Ein wichtiger Bestandteil der Reform aus Sicht der Start-Ups ist zudem die verbesserte steuerliche Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zur Lösung der sog. Dry-Income-Problematik.

Während die gesellschaftsrechtlichen Änderungen bereits am Tag nach der Verkündigung im Bundesgesetzblatt am 14. Dezember 2023 (BGBI. Nr. 354) weitgehend in Kraft getreten sind, finden seit dem 01. Januar 2024 nun auch die steuerrechtlichen Regelungen Anwendung.


Was sind die wichtigsten Verbesserungen für Start-Ups und Scale-Ups durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz? (Zusammenfassung)

  • Möglichkeit zur Schaffung von sog. bedingtem Kapital wird bei Unternehmenszusammenschlüssen von 50% auf 60% und bei Bezugsrechten von Arbeitnehmern (Mitarbeiterkapitalbeteiligungen) von 10% auf 20% erweitert (§ 192 Abs. 3 AktG n.F.).
  • Aufnahme von Eigenkapital ohne wesentlichen Verlust an unternehmerischem Einfluss durch Einführung von Mehrstimmrechtsaktien (§ 135a AktG n.F.).
  • Einführung einer Börsenmantelaktiengesellschaft (deutsche SPAC) zur Erleichterung des Börsenzugangs (§§ 44 ff. BörsG n.F.).
  • Erleichterung der Eigenkapitalbeschaffung durch Erweiterung des vereinfachten Bezugsrechteausschlusses von bisher 10% auf 20% des Grundkapitals bei börsennotierten Aktiengesellschaften (§ 186 Abs. 3 AktG n.F.).
  • Entschärfung der sog. Dry-Income-Problematik durch Ausweitung des Aufschubs der Besteuerung von geldwerten Vorteilen aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen insbesondere durch Erhöhung der Schwellenwerte der berechtigten Unternehmen und Verlängerung des Aufschubs auf bis zu 15 Jahre (§ 19a EStG n.F.).
  • Der Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligung als Vermögensanlagen wurde von bisher 1.440 € auf 2.000 € erhöht (§ 3 Nr. 39 EStG n.F.).

Erweiterung der Möglichkeiten zur Genehmigung bedingten Kapitals

Durch das ZuFinG werden die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung (sog. Stock Options) erhöht. Bedingtes Kapital kann damit bei Unternehmenszusammenschlüssen nunmehr bis zu einer Grenze von 60% des Grundkapitals statt der bisherigen 50% genehmigt werden (§ 192 Abs. 3 Satz 1 AktG n.F.).

Vor allem für Wachstumsunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft ist überdies die Anhebung der Grenze für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung von 10% auf 20% relevant (§ 192 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AktG n.F.). Dadurch wird für diese Unternehmen ein breiterer Rahmen für das Aufsetzen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen geschaffen, der im Rahmen von echten Kapitalbeteiligungen (sog. Employee Share Option Plans – ESOPs) genutzt werden kann und damit mehr Möglichkeiten zur Gewinnung von talentierten Mitarbeiten bietet.  Auch wenn durch die Neuregelungen ESOP-Programme deutlicher attraktiver werden, ist davon auszugehen, dass Start-Ups in der Praxis zukünftig auch weiterhin auf die flexibleren und einfacheren virtuellen Beteiligungsprogramme (sog. Virtual Share Option Plans – VSOPs) setzen, um Mitarbeiter zu incentivieren.

Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

Das Verbot von Mehrstimmrechtsaktien (§ 12 Abs. 2 AktG a.F.) wurde gestrichen und mit § 135a AktG n.F. die Möglichkeit geschaffen, Aktien mit dem bis zu Zehnfachen des „normalen“ Stimmrechts auszustatten. Auf diese Weise sollen Anreize für die Einwerbung von Eigenkapital über den Kapitalmarkt geschaffen werden. Der Gesetzgeber hat dabei etwa Gründer im Blick, denen ermöglicht werden soll, Eigenkapital aufzunehmen, ohne wesentlich an unternehmerischem Einfluss zu verlieren und so ihre Expertise weiterhin umfassend in das Unternehmen einbringen können. Die Mehrstimmrechte müssen in der Satzung geregelt sein und bedürfen der Zustimmung aller Aktionä-re (§ 135a Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG n.F.). 

Einführung einer Börsenmantelaktiengesellschaft („SPAC“)

Der Hype um sog. SPACs (Special Purpose Acquisition Company) erreichte in den Jahren 2020/2021 einen Höhepunkt, als in den USA mit bis zu 613 SPAC-IPOs zwischen 80 und 160 Mrd. $ eingesammelt wurden. Das SPAC-IPO wurde dabei als attraktive, da schnellere Alternative zum klassischen IPO gesehen. Um einen solchen vereinfachten Zugang zur Börsennotierung auch für deutsche Unternehmen attraktiver zu gestalten, wurde die neue Rechtsform der Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG) eingeführt wird. Den Unternehmen soll damit der Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtert werden, indem der Prozess zur Börsennotierung verkürzt, ein (deutscher) Rechtsrahmen geboten sowie angemessener Aktionärs- und Anlegerschutz gewährleistet werden, um Rechtssicherheit für Unternehmer und Anleger herzustellen.

Die Regelungen der §§ 44 ff. BörsG n.F. gelten dabei für eine Aktiengesellschaft, deren Satzung einen Geschäftsgegenstand nach § 44 Abs. 1 BörsG n.F. (Verwaltung eigenen Vermögens sowie Vorbereitung und Durchführung des Börsengangs und der Abschluss der Übernahmetransaktion), die Befristung der Durchführung der Zieltransaktion innerhalb einer Frist zwischen 24 und 36 Monaten gem. § 44 Abs. 3 BörsG n.F. sowie eine Möglichkeit zur virtuellen Hauptversammlung nach § 118a AktG vorsieht und deren Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen wurden (§ 44 Abs. 4 BörsG n.F.). 

Erweiterung des vereinfachten Bezugsrechteausschlusses

Die Grenze für den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre bei börsennotierten Aktiengesellschaften wird von bisher 10% des Grundkapitals auf 20% angehoben und damit die Hürden bei Barkapitalerhöhungen gesenkt (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG n.F.). Insbesondere soll dadurch der Prozess der Kapitalaufnahme beschleunigt werden, da insoweit die dem Altaktionär nach § 186 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeräumte zweiwöchige Frist zur Ausübung des Bezugsrechts entfällt.

Entschärfung der Dry-Income Problematik bei unentgeltlich oder verbilligt überlassenen (echten) Mitarbeiterkapitalbeteiligungen

Mit dem ZuFinG wird die sog. Dry-Income Problematik spürbar entschärft. Hinter dem Begriff verbirgt sich die Pflicht der Mitarbeiter, Steuern auf die übertragenen Unternehmensanteile abführen zu müssen, obwohl ihnen (noch) keine Liquidität zufließt. Dies wird in Zukunft weitergehend  vermieden als bisher, indem die Vorschriften zum Aufschub der Besteuerung der erhaltenen geldwerten Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von bestimmten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen an Arbeitnehmer nach § 19a EStG n.F. ausgeweitet werden. Problematisch bleibt aber weiterhin das Risiko der Bewertung der erhaltenen Kapitalanteile aufgrund des zeitlichen Auseinanderfallens von Zuflusszeitpunkt des Arbeitslohns und Realisierung des Veräußerungserlöses aus dem Verkauf der Anteile.  

Erweiterung des Kreises der begünstigten Unternehmen

Der Kreis der begünstigten Unternehmen wird deutlich erweitert. Nunmehr können auch Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern (bisher 250) und einem Jahresumsatz von höchstens 100 Mio. € (bisher 50 Mio. €) oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Mio. € (bisher 43 Mio. €) von der Privilegierung des § 19a EStG n.F. profitieren. Der Schwellenwert muss dabei im Jahr der Übertragung oder in einem der sechs Kalenderjahre (bisher ein Kalenderjahr) vor der Übertragung der Vermögensbeteiligung erfüllt sein (§ 19a Abs. 3 S. 1 EStG n.F.). Erfreulich ist auch die Ausdehnung der zeitlichen Anwendung der Privilegierung für die Ausgabe von Mitarbeiterbeteiligungen von bisher zwölf auf nun bis zu 20 Jahre nach Gründung des Unternehmens (§ 19a Abs. 3 S. 1 EStG n.F.).

Erweiterung auf Anteile von Gesellschaftern

Der Anwendungsbereich des § 19a EStG wird ferner dadurch erweitert, dass die aufschiebende Besteuerung auch für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen gilt, die Arbeitnehmer von den Gesellschaftern ihres Arbeitgebers erhalten (§ 19a Abs. 1 S. 1 EStG n.F.). Dadurch wird insbesondere für Start-Ups die Handhabung erleichtert, da die Gründer bereits bestehende eigene Unternehmensanteile an Mitarbeiter übertragen können.

Aus Sicht der Praxis ist dagegen sehr zu bedauern, dass die noch im Reg-E vorgesehene Aufnahme einer Konzernregelung gestrichen wurde. Durch sie wäre ermöglicht worden, dass auch die Gewährung von Beteiligungen an anderen Konzerngesellschaften i. S. des § 18 AktG unter die Privilegierung fällt (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG-E). Damit wird zum Nachteil der Steuerpflichtigen wohl indirekt das Verständnis des BMF bestätigt, dass  der § 19a EStG nicht i. S. einer Konzernregelung anzuwenden ist (BMF, Schreiben v. 16.11.2021, BStBl 2021 I S. 2308, Rz. 34).

Klarstellung hinsichtlich vinkulierter Anteile

Auf Drängen der Start-up-Branche wurde durch die Aufnahme einer gesetzlichen Klarstellung in § 19a Abs. 1 S. 3 EStG n.F. ausdrücklich geregelt, dass vinkulierte Anteile in den Anwendungsbe-reich des § 19a EStG fallen (sog. Zuflussfiktion). Damit wird eine in der Praxis bislang bestehende erhebliche Rechtsunsicherheit beseitigt. Hier sind jedoch die Auswirkungen auf den Bewertungszeitpunkt zu bedenken, die sich durch die Zuflussfiktion ergeben.

Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts auf bis zu 15 Jahre

Der durch § 19a EStG bewirkte Aufschub der Besteuerung des geldwerten Vorteils wird verlängert und erfolgt künftig erst nach spätestens 15 Jahren statt bisher nach zwölf Jahren (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG n.F.). Dies gilt aber wie bisher nur, wenn nicht bereits zuvor ein anderer, die Steuerpause unterbrechender Grund aus § 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 EStG verwirklicht wird. Allerdings wurde auch hier der Rotstift angesetzt, da im Reg-E ursprünglich ein Besteuerungsaufschub von 20 Jahren vorgesehen war.

Zur Abmilderung hoher steuerlicher Belastungen bietet § 19a Abs. 4a EStG n.F. aber die Möglichkeit, dass die Steuerpause über die 15 Jahre hinaus ausgedehnt werden kann, wenn der Arbeitgeber spätestens mit der dem betreffenden Ereignis folgenden Lohnsteuer-Anmeldung unwiderruflich erklärt, im Falle der Veräußerung der Beteiligung durch den Arbeitnehmer für die Lohnsteuer nach § 42d EStG zu haften und sich dieser Haftung nicht entziehen kann.

Zu begrüßen ist die Aufnahme einer Regelung, dass bei einem Rückerwerb der Anteile durch den Arbeitgeber im Falle des Ausscheidens des Mitarbeiters nur die vom Arbeitgeber gewährte Vergütung anstelle des gemeinen Wertes durch den Arbeitnehmer für die Besteuerung anzusetzen ist (§ 19a Abs. 4 Satz 4 EStG n.F.).

Die Schaffung der Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % für alle in § 19 Abs. 4 Satz 1 EStG genannten Fälle wie noch im Ref-E vorgesehen, wurde bedauerlicher-weise nicht in das Gesetz übernommen.

Keine Geltung für VSOP und für Sozialversicherungsbeiträge

Zu bedenken ist bei den Regelungen des § 19a EStG allerdings, dass diese nur für echte Kapitalbeteiligungen gelten. Die in der Praxis häufig anzutreffenden Virtual Stock Option Plans (VSOP) fallen nicht darunter. Für die echten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen (Employee Stock Option Plans, ESOP) greifen die Regelungen ab dem Zeitpunkt der Optionsausübung durch den Berechtigten.

Ferner ist unbedingt zu beachten, dass der Aufschub nur für die Lohnsteuer gilt, nicht aber für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge. Hier fehlt es bislang an einer konsistenten Lösung des Gesetzgebers, die auch im Zusammenhang mit dem ZuFinG nicht gefunden wurde.  

Erhöhung des Höchstbetrags für steuerfreie Überlassung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auf 2.000 €

Der Höchstbetrag für die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen als geldwerter Vorteil wird von derzeit 1.440 € auf 2.000 € angehoben (§ 3 Nr. 39 Satz 1 EStG n.F.). Damit fällt die Neuregelung deutlich geringer aus als geplant, da noch im Reg-E ein Höchstbetrag von EUR 5.000 vorgesehen war. Der Freibetrag gilt – wie bisher – nur unter den Voraussetzungen, dass es sich bei der Mitarbeiterbeteiligung um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, die grundsätzlich allen Mitarbeitenden des Unternehmens offensteht, die ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Zudem muss es sich um eine Vermögensbeteiligung am Unternehmen des eigenen Arbeitgebers handeln, die den Arbeitnehmern in Form von Sachbezügen gewährt wird. Steuerfreie Mitarbeiterkapitalbeteiligungen können aber nun doch weiterhin in vollem Umfang auch durch Entgeltumwandlung finanziert werden, was im Reg-E noch gestrichen worden war.

Fazit

Start-Ups und Wachstumsunternehmen bekommen mit dem ZuFinG eine brauchbare Grundlage, um am Standort Deutschland erfolgreich und unkomplizierter als bisher Kapital und Mitarbeiter anzuwerben. Zum Bedauern insbesondere der Start-up Branche bleibt die endgültige Gesetzesfassung des ZuFinG aber vor allem bei den steuerlichen Erleichterungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen deutlich hinter den weitergehenden, noch im Referenten- bzw. Regierungsentwurf enthaltenen Regelungen zurück. Hier besteht noch erhebliches Potential für Nachbesserungen in der nächsten Gesetzgebungsrunde. 

Wir beraten Sie und Ihr Unternehmen vom Aufsetzen Ihrer Unternehmensstruktur und Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, über die Investitionsphase und operative Tätigkeit bis zum Exit oder IPO gesellschaftsrechtlich und steuerlich aus einer Hand. Kommen Sie gerne auf uns zu.
 

 

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Autoren dieses Artikels

Benedikt Hoffmann

Director

Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Daniela Stephan, LL.M.

Senior Manager

Rechtsanwältin

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