Viertes Corona-Steuerhilfegesetz: Bundestag schafft Abzinsungsgebot für Verbindlichkeiten ab
Der Bundesrat hat am 10. Juni dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz zugestimmt, das der Bundestag am 19. Mai beschlossen hatte. Mit diesem Gesetz werden die bilanzsteuerliche Abzinsung von Verbindlichkeiten abgeschafft sowie das Kapitalanlagegesetzbuch zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2261 - Informationsblätter für Kleinanleger - geändert. Zudem wurden zahlreiche bereits bekannte steuerliche Unterstützungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie beschlossen. Eine Übersicht.
Während die Änderung des Kapitalanlagegesetzbuchs eher eine schmale Anwendergruppe betreffen wird, hat die Abschaffung der bilanzsteuerlichen Abzinsung von Verbindlichkeiten für eine größere Zahl an Steuerpflichtigen weitreichende Auswirkungen.
Die Abschaffung des Gebots zur Abzinsung unverzinslicher langfristiger Verbindlichkeiten wird damit begründet, dass es dieser Abzinsung aufgrund des herrschenden Zinsniveaus mittlerweile nicht mehr bedarf. Diese Begründung wirkt bei Betrachtung der aktuellen Inflations- und Zinsentwicklung etwas vorgeschoben. Relevanter dürften pragmatische Erwägungen gewesen sein: Es seien in der Praxis Fälle aufgetreten, in denen es – insbesondere im Zusammenhang mit in der Corona-Pandemie ausgegebenen unverzinslichen Soforthilfe-Darlehen – zu einer steuerlichen Sonderbelastung kommen könne.
Ungeachtet des erklärten Ziels, unerwünschte steuerliche Sonderbelastungen für Empfänger von Corona-Soforthilfe-Darlehen vermeiden zu wollen, wird die Regelung für alle Steuerpflichtigen und für alle Verbindlichkeiten gelten.
Für alle Unternehmen interessant wird insbesondere die geplante Anwendungsregelung:
Die Neuregelung ist erstmals für nach dem 31. Dezember 2021 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden.
Bestehende Verpflichtungen sind nunmehr grundsätzlich mit dem Nennwert – unter Beachtung der Regelungen des § 6 Absatz 1 Nummer 2 EStG – anzusetzen. Soweit eine Verbindlichkeit aus den Vorjahren existiert, ergibt sich eine Gewinnminderung in Höhe des zum Ende des letzten Wirtschaftsjahres noch bestehenden Abzinsungsvolumens.
Die Abzinsungspflicht kann nach der Übergangsregelung auch für Wirtschaftsjahre vor Inkrafttreten der Neuregelung entfallen, wenn hierzu ein formloser Antrag gestellt wird.
Dies ist jedoch nur möglich, soweit die betroffenen Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass im Zusammenhang mit der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021 eingegangene zinslose Verbindlichkeiten ohne Abzinsung angesetzt werden können. Der Antrag kann nur einheitlich für alle betroffenen Wirtschaftsjahre gestellt werden. Er kann auch durch die entsprechenden Ansätze in den steuerlichen Gewinnermittlungen ausgeübt werden.
Die Neuregelung erspart den Unternehmen Compliance-Aufwand, der an anderer Stelle besseren Nutzen bringen mag.
Sofern in der Vergangenheit Unternehmen die Verzinsung langfristiger Verbindlichkeiten übersehen haben sollten, kann durch die antragsgebundene rückwirkende Anwendung der Regelung ein Damoklesschwert für frühere Jahre beseitigt werden, sofern die entsprechenden Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind.
Bei Betrachtung der Neuregelung darf nicht übersehen werden, dass den Unternehmen ein Gestaltungsmittel verloren geht. Bisher war es möglich, durch das bewusste Eingehen langfristiger unverzinster Verbindlichkeiten und die damit verbundene ertragswirksame Abzinsung der Verbindlichkeiten das steuerpflichtige Ergebnis zu verbessern. Nützlich war dieses Instrument beispielsweise, um einen steuerlichen Verlust in einem bestimmten Jahr zu vermeiden und mit der gegenläufigen Aufzinsung im Fälligkeitsjahr den steuerpflichtigen Ertrag zu reduzieren.