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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können unabhängig von den gesetzlichen Betriebsstrukturen die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen, sofern tarifliche Regelungen nicht bestehen und in diesem Unternehmen noch kein Betriebsrat gebildet wurde.
Mit der Entscheidung vom 24.03.2021 (Az.: 7 ABR 16/20) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass der per Abstimmung innerhalb der Belegschaft herbeigeführte Beschluss, einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat zu wählen, nicht nur für die erste auf die Abstimmung folgende Betriebsratswahl gilt, sondern auch darüber hinaus die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats ermöglicht, und zwar so lange bis die Belegschaft einen gegenteiligen Beschluss („actus contrarius“) fasst.
In dem zugrundeliegenden Fall musste das BAG bewerten, ob durch eine Reihe von Umstrukturierungen des ursprünglichen Unternehmens, für das der Beschluss einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat zu wählen gefasst worden war, die ursprünglich vorhandene Organisationsstruktur des Unternehmens aufgelöst wurde, sodass keine auf die Arbeitgeberin bezogene unternehmenseinheitliche betriebsratsfähige Organisationseinheit mehr vorliegt.
Konkret hatten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter der Rechtsvorgängerin der jetzigen Arbeitgeberin im Jahr 2002 mehrheitlich einen entsprechenden Belegschaftsbeschluss zur Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gefasst. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat ist sodann im Jahr 2002 erstmalig – und bis zur Einleitung des Beschlussverfahrens – in der Folgezeit regelmäßig turnusgemäß gewählt worden. In den Jahren 2014 und 2019 wurden zwei (weitere) Unternehmen auf die Arbeitgeberin (bzw. deren Rechtsvorgängerin) verschmolzen.
Zwei örtliche Betriebsräte waren der Auffassung, dass durch die Verschmelzungen die ursprüngliche Unternehmensstruktur aufgelöst wurde, nicht zuletzt deshalb, weil auch die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von insgesamt 2.472 im Jahr 2002 auf 4.600 gestiegen sei und weitere Standorte (mit bereits gewählten Betriebsräten) hinzugekommen seien. Der beteiligte unternehmenseinheitliche Betriebsrat und das Unternehmen waren gegenteiliger Auffassung und beantragten die Feststellung, dass der unternehmenseinheitliche Betriebsrat weiter bestehe, da sich die seit 2002 vorhandene Unternehmensstruktur nicht durch Verschmelzungen aufgelöst bzw. geändert habe.
Das BAG hat nun klargestellt, dass der von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gefasste Beschluss solange fortwirkt („Dauerwirkung entfalte“), bis die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gegenteiligen Beschluss fassen würden. Durch Zeitablauf könne der Beschluss seine Wirkung nicht verlieren. Zwar ergebe sich dies nicht eindeutig aus dem Wortlaut der maßgeblichen gesetzlichen Vorschrift (§ 3 Abs. 3 BetrVG), allerdings würden – so das BAG – gesetzessystematische Erwägungen für eine Dauerwirkung sprechen, da auch bei einer tarifrechtlichen Regelung keine Beschränkung auf eine Wahlperiode bestehe. Die maßgebliche Vorschrift des Betriebsverfassungsrechts solle die Bildung einer Interessenvertretung im Unternehmen erleichtern und nicht erschweren oder gar nur vorübergehend regeln. Ein etwaiger Anstieg der Arbeitnehmerzahlen könne auch kein Kriterium sein und habe außerdem auch keine Auswirkung, da die gesetzlichen Vorschriften, die Neuwahlen bei einer Veränderung der Belegschaftsstärke vorsehen (konkret § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG), nicht auf einen Beschluss nach § 3 Abs. 3 BetrVG angewendet werden können.
Auch eine spätere Änderung der betrieblichen Strukturen führt nicht zu einer Aufhebung eines wirksamen Beschlusses, sofern zumindest der von § 3 Abs. 3 BetrVG vorgegebene Rahmen erhalten bleibe. Umstrukturierungen erfolgen durch Entscheidungen des Arbeitgebers und dürfen zur Sicherung des Arbeitnehmerbeschlusses und der darauf beruhenden Arbeitnehmervertretung diese nicht auflösen, wenn das Unternehmen weiterhin aus mehreren Betrieben besteht und insgesamt fortbesteht. Sofern ein Unternehmen, in dem ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt wurde, einen oder mehrere Betriebe aufnimmt, werden die aufgenommenen Betriebe künftig in die durch den Belegschaftsbeschluss gewählte unternehmenseinheitliche Betriebsstruktur einbezogen, sodass der Betriebsrat im übernommenen Betrieb untergeht und die Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat des aufnehmenden Unternehmens repräsentiert werden. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der aufgenommene Betrieb identitätswahrend übergegangen ist oder eine Eingliederung in die betrieblichen Strukturen stattgefunden hat.
Allerdings hat das BAG auch klargestellt, dass die Wirkung eines Belegschaftsbeschlusses verloren gehe, wenn durch Umstrukturierungen ein gemeinsamer Betrieb des an den Beschluss gebundenen Unternehmens mit einem anderen Unternehmen entstehe.
Praxishinweis
Bis zum sog. „actus contrarius“ ermöglicht der Belegschaftsbeschluss die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Die maßgebliche Vorschrift des BetrVG (§ 3 Abs. 3) enthält keinerlei Einschränkung. Dass die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur Vorteile für die repräsentierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit sich bringt, sondern (in erheblichem Umfang) auch für den Arbeitgeber, wird dadurch deutlich, dass die in dem Verfahren beteiligte Arbeitgeberin hier – Seite an Seite – mit dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat für dessen Fortbestand gestritten hat.
Jacob Keyl
Partner
Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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