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Die Bundesnetzagentur hat mit der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers zur 5. Regulierungsperiode am 18. Januar 2024 erstmalig eine Richtung vorgegeben, in die sich die Vorgaben für den Strom- und Gasbereich ab 2029 entwickeln könnten. Die mit dem Dokument einhergehenden 15 Thesen, die darlegen, wie Anpassungen der Verordnungen aussehen könnten, wurden am 2. Februar 2024 von der Bundesnetzagentur vorgestellt. Bis zum 29. Februar 2024 stehen diese Thesen zur öffentlichen Diskussion und müssen eingeordnet werden.
Wie kam es zu dem Eckpunktepapier?
Die Gas- und Stromnetzbetreiber in Deutschland stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen im Hinblick auf die Energiewende. Gasnetzbetreiber müssen Ihre Netze entweder auf nachhaltigere Produkte wie Wasserstoff umstellen oder einen Rückbau beziehungsweise die Stilllegung ihrer Netze vorbereiten. Stromnetzbetreiber stehen vor der Aufgabe, ihre Netze auszubauen und zu optimieren. Zusätzlich hat am 2. September 2021 der europäische Gerichtshof mit seinem Urteil (C-718/18) festgelegt, dass die Bundesnetzagentur den Regulierungsrahmen eigenständiger beziehungsweise unabhängiger von politischen Vorgaben entwickeln muss. Vor dem Hintergrund des Auslaufens der StromNEV, GasNEV und ARegV hat die Bundesnetzagentur als Antwort auf diese Entwicklungen das Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung der Kosten- und Anreizregulierung im Strom- und Gasbereich vorgestellt.
Anreizregulierung
Allgemein bewertet die Bundesnetzagentur das System der Anreizregulierung als bewährt und beabsichtigt nicht, dieses gänzlich neu zu denken. Mit Blick auf die notwendige Transformation der Strom- und Gasnetze hat die Bundesnetzagentur zur Anpassung der Anreizregulierung sieben Thesen formuliert. So schlägt sie eine Verkürzung der Regulierungsperiode von fünf auf drei Jahre vor, um Netzbetreibern zu ermöglichen, Kostenänderungen schneller in die Netzentgelte zu integrieren. Zudem sollen die Kataloge der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten (dnbK) und der volatilen Kosten (vK) reduziert sowie Hilfskriterien zur Bestimmung dieser eingeführt werden.
Zusätzlich sollen Optimierungspotenziale bei der Ermittlung und Anwendung des Produktivitätsfaktors geprüft werden. Das Qualitätselement für den Strombereich soll um Elemente ergänzt werden, die die „Energiewendekompetenz“ der Betreiber abbilden. Besonders hervorzuheben sind auch die zwei Thesen zum Effizienzvergleich. Dieser wird für den Strombereich als weiterhin geeignet angesehen, soll jedoch weiterentwickelt werden. Im Gasbereich hingegen soll die Anwendbarkeit vor der Regulierungsperiode überprüft und gegebenfalls durch alternative Anreizelemente ersetzt werden.
Netzkostenbestimmung
Im Bereich der Netzkostenbestimmung wurden acht Thesen vorgestellt. Danach soll das Mischsystem der Realkapitalerhaltung für Neuanlagen und der Nettosubstanzerhaltung für Altanlagen abgelöst und einheitlich auf die Realkapitalerhaltung umgestellt werden. Außerdem gibt es den Ansatz, für die Bestimmung des betriebsnotwendigen Umlaufvermögens pauschale Quoten einzuführen, sowie den kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatz für Neu- und Bestandsanlagen zu vereinheitlichen. Des Weiteren soll es im Strombereich punktuelle Änderungen bei den Nutzungsdauern geben, während im Gasbereich eine Verkürzung der Nutzungsdauern sowie die Einführung des degressiven Abschreibungsverfahrens diskutiert wird.
Zusätzlich wird vorgeschlagen, dass Gasnetzbetreiber Rückstellungen für Stilllegungs- und Rückbaumaßnahmen bilden dürfen, die als jährlich anpassbare Kostenposition anerkannt werden können. Mit der Einführung des WACC-Standards (Weighted Average Cost of Capital) zur Ermittlung des Zinskostenbudgets soll nicht nur die Komplexität reduziert, sondern auch eine höhere Transparenz und bessere internationale Ausrichtung erreicht werden. Abschließend bringt die Bundesnetzagentur eine Veränderung der Anerkennung der Gewerbesteuer auf Basis des bisherigen kalkulatorischen Ansatzes hin zur tatsächlich gezahlten Gewerbesteuer in die Diskussion.
Gute Ansätze kritisch hinterfragen
Eine Reduzierung der Komplexität, beispielsweise durch die Verkürzung der Regulierungsperiode und die Einführung eines WACC-Standards, kann wie viele der vorgestellten Thesen zur Effizienzsteigerung auf beiden Seiten, bei Netzbetreibern und Bundesnetzagentur, beitragen. Einige Ansätze sind jedoch bezüglich ihrer Umsetzbarkeit und tatsächlichen Komplexitätsreduzierung kritisch zu hinterfragen. So geht mit dem WACC-Verfahren zwar eine Komplexitätsreduktion einher, jedoch ist ein weiterer möglicher Effekt, dass die Eigenkapitalquote von Netzbetreibern beeinflusst beziehungsweise verschlechtert wird, um den WACC zu optimieren. Die Anerkennung der Gewerbesteuer anhand der tatsächlich gezahlten Beträge ist ebenfalls kritisch zu betrachten, da eine Vielzahl der Energieversorgungsunternehmen Netzgesellschaften unterhält, die Gewinnabführungsverträge mit den Muttergesellschaften haben. Außerdem wird mit der Einführung des Qualitätselements „Energiewendekompetenz“ die Komplexität erhöht, statt wie angestrebt verringert, und die vorgeschlagenen Indikatoren sind bezüglich Relevanz und Messverfahren zu hinterfragen.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Wechsel vom Mischsystem zur Realkapitalerhaltung. Sollte es hier keinen Ausgleich für die Betroffenen geben, stehen sie aufgrund des Wertverlustes deutlich im Nachteil. Ebenfalls sind durch die Einführung der degressiven Abschreibung im Gasbereich stark steigende Netzentgelte und eine potenzielle Preisspirale zu vermeiden. Schließlich muss sichergestellt werden, dass sich die Bearbeitungszeiten der Regulierungsbehörde trotz der Vielzahl an Änderungen stark verkürzen – insbesondere vor dem Hintergrund der Regulierungsperiodenverkürzung. Andernfalls wären mögliche Effizienzsteigerungen hinfällig. Eine Antwort auf diesen kritischen Punkt blieb die Bundesnetzagentur schuldig.
Rückmeldeperiode endet am 29. Februar 2024
Aufgrund der grundlegenden Änderungen, die in dem Eckpunktepapier vorgeschlagen werden, sollten sich Betreiber intensiv mit den Neuerungen auseinandersetzen. Dem Aufruf der Bundesnetzagentur, hierzu im Austausch mit der Branche zu stehen, sollte nachgekommen und bis zum 29. Februar 2024 Rückmeldungen eingereicht werden. Die Bundesnetzagentur wird 2025 Festlegungen konsultieren und beschließen.
Einordnung
Vor dem Hintergrund der anstehenden weitreichenden Änderungen und der damit einhergehenden Umstellungen für Netzbetreiber bietet Baker Tilly Ihnen umfassende Unterstützung. Gerne setzen wir unsere Expertise in der Energiewirtschaft und Regulierung für Sie ein. Sprechen Sie uns gerne an!
Das Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur ist hier abrufbar.
Hartmut Müller
Partner
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