EuGH-Urteil: Kundenanlagen verlieren Sonderstatus – Relevanz insbesondere für Energieversorger und Unternehmen

  • 11.12.2024
  • Lesezeit 4 Minuten

Der EuGH kippt das Kundenanlagen-Privileg – mit weitreichenden Folgen für Energieversorger und Unternehmen. Unser Beitrag erklärt die zentralen Änderungen, ihre Auswirkungen und wie Sie sich rechtssicher aufstellen können.

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Az. C-293/23) vom 28. November 2024 steht die deutsche Energiewirtschaft vor tiefgreifenden Veränderungen. Die bisherige Sonderregelung für Kundenanlagen (§ 3 Nr. 24a EnWG) wurde für unionsrechtswidrig erklärt.

Das Urteil betrifft insbesondere Energieversorger und Unternehmen, die auf dezentrale Energielösungen setzen, wie beispielsweise Betreiber von Mieterstromprojekten oder Industrieparks mit eigener Energieinfrastruktur. Diese stehen nun erheblichen regulatorischen und wirtschaftlichen Anpassungen gegenüber.

Warum ist das Urteil für Unternehmen und Energieversorger so relevant?

1. Bedeutungsverlust des Kundenanlagen-Privilegs

Bisher galten Kundenanlagen als Ausnahme von den Verpflichtungen regulierter Verteilernetze. Sie waren nicht nur von regulatorischen Vorgaben befreit, sondern durch die Netzentgeltbefreiung auch wirtschaftlich attraktiv. Der EuGH hat diese Sonderstellung gekippt – mit erheblichen Konsequenzen:

  • Anlagen, die Elektrizität an Dritte weiterleiten, gelten künftig als Verteilernetze und müssen reguliert werden.
  • Betreiber solcher Anlagen, oft Unternehmen oder Stadtwerke, stehen vor neuen Anforderungen und Risiken.

2. Gefährdung bestehender Geschäftsmodelle

Viele dezentrale Versorgungskonzepte – von Mieterstromprojekten bis hin zu industriellen Eigenversorgungsnetzen – basieren auf der Kundenanlagenregelung. Das Urteil könnte:

  • Investitionen entwerten, da die bisherige Wirtschaftlichkeit durch zusätzliche Pflichten und entfallende Vorteile gefährdet ist.
  • die Planungssicherheit für zukünftige Projekte massiv beeinträchtigen.

3. Wettbewerb und Marktstruktur

Energieversorger müssen sich auf einen verschärften Wettbewerb einstellen:

  • Anlagenbetreiber, die bisher nicht als Netzbetreiber galten, könnten diesen nun gleichgestellt werden.
  • Die Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Nutzung durch Dritte öffnet neue Marktchancen, birgt aber auch Konfliktpotenziale.

Was genau hat der EuGH entschieden?

Der EuGH stellt klar: Nationale Sonderregelungen wie das deutsche Kundenanlagen-Privileg sind mit den Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/944 unvereinbar. Kundenanlagen, die bisher nicht als regulierte Verteilernetze galten, fallen nun unter die gleichen Pflichten wie Verteilnetzbetreiber. Insbesondere folgende Punkte aus dem Urteil sind von Bedeutung:

  • Definition des Verteilernetzes: Es zählen ausschließlich die Spannungsebene und die Art der Kunden, nicht jedoch Kriterien wie Netzgröße oder spezifische Nutzung.
  • Einschränkung nationaler Ausnahmen: Nur die von der EU-Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen, wie geschlossene Verteilernetze oder Bürgerenergiegesellschaften, sind zulässig.
  • Pflichten für Netzbetreiber: Anlagenbetreiber, die Strom an Dritte weiterleiten, müssen künftig regulatorische Anforderungen erfüllen.

Erste Einschätzung der Auswirkungen

Das Urteil könnte die bisherigen wirtschaftlichen Vorteile von Kundenanlagen erheblich schmälern, insbesondere die Befreiung von Netzentgelten. Bestehende und geplante dezentrale Versorgungskonzepte stehen nun auf dem Prüfstand. Offene Fragen betreffen:

  • Reichweite des Urteils: Gilt es auch für Kundenanlagen zur Eigenversorgung (§ 3 Nr. 24b EnWG)?
  • Ausnahmen: Können spezifische Anlagen unter die Regelungen der Richtlinie fallen, um weiterhin von regulatorischen Erleichterungen zu profitieren?
  • Sanktionen: Welche Konsequenzen drohen Betreibern, die ihre Anlagen unverändert lassen?

Konkrete Risiken für Energieversorger und Unternehmen

1.    Regulatorische Unsicherheiten: Die neue Einordnung führt zu einem Prüfbedarf für alle bestehenden und geplanten Anlagen.
2.    Wirtschaftliche Belastungen: Durch entfallende Netzentgeltbefreiungen und höhere Auflagen könnten bestehende Geschäftsmodelle unrentabel werden.
3.    Reputationsrisiken: Unternehmen, die die neuen Vorgaben nicht rechtzeitig umsetzen, riskieren Sanktionen und behördliche Verfahren.

Dringender Handlungsbedarf – Ihr Vorteil durch proaktive Beratung

Als Energieversorger oder betroffenes Unternehmen können Sie sich jetzt auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen. Unsere Beratungsleistungen umfassen:

  • Regulatorische Analyse: Identifikation der betroffenen Anlagen und Beurteilung, ob Ausnahmen infrage kommen.
  • Strategische Anpassung: Entwicklung rechtssicherer und wirtschaftlich tragfähiger Versorgungskonzepte.
  • Projektsicherung: Unterstützung bei der Planung neuer Projekte und der Optimierung bestehender Strukturen.
  • Behördenkommunikation: Begleitung bei Verfahren und der Kommunikation mit Regulierungsbehörden wie der Bundesnetzagentur (BNetzA).

Bleiben Sie der Entwicklung voraus

Das Urteil betrifft nicht nur die juristische Einordnung von Kundenanlagen, sondern hat das Potenzial, die Marktstruktur der Energieversorgung grundlegend zu verändern. Als Mandant profitieren Sie von unserer tiefgreifenden Expertise und unserem Verständnis für die spezifischen Anforderungen der Energiebranche.

Kontaktieren Sie uns jetzt, um Ihre Projekte und Geschäftsmodelle rechtssicher zu gestalten und weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Autoren dieses Artikels

Alexandra Sausmekat

Partner

Rechtsanwältin, Steuerberaterin

Michelle Reddiar, LL.M.

Senior Manager

Rechtsanwältin

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