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Ab 2024 fallen auch Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern in den unmittelbaren Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Ob das auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt, wird aktuell diskutiert.
Was ist das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)?
Am 11.06.2021 hat der Bundestag das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) beschlossen. Es ist in seinen wesentlichen Teilen am 01.01.2023 in Kraft getreten. Das Gesetz fügt sich ein in eine jüngere Rechtsentwicklung auf EU-Ebene und einzelner Staaten, die das Ziel eines verantwortlichen und nachhaltigen globalen Wirtschaftens verfolgt und nicht mehr nur auf Freiwilligkeit, sondern zunehmend auf rechtlich zwingende Vorgaben setzt.
Nach seiner amtlichen Begründung dient das Gesetz dazu,
„die internationale Menschenrechtslage durch eine verantwortungsvolle Gestaltung der Lieferketten in der Bundesrepublik Deutschland ansässiger Unternehmen zu verbessern; in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe werden verpflichtet, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Implementierung der Kernelemente der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht besser nachzukommen“.
Erfasst sind auch Umweltschutzbelange und die Korruptionsbekämpfung, soweit Menschenrechte von Umweltschädigungen oder Korruption unmittelbar betroffen oder internationale Umweltabkommen ausdrücklich in Bezug genommen werden. Das Gesetz erlegt den betroffenen Unternehmen im Rahmen eines wirksamen Risikomanagements konkrete Sorgfaltspflichten auf, um Risiken für die genannten Rechtsgüter zu erkennen, Schädigungen abzuwenden und eingetretene Verletzungen zu beseitigen. Vor allem die verschiedenen zwingenden Präventionsmaßnahmen, beispielsweise zur Implementierung angepasster Einkaufspraktiken § 6 Abs. 3 Nr. 2 LkSG) oder der Berücksichtigung der geschützten Belange bei der Auswahl unmittelbarer Zulieferer (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 LkSG) haben nach unserer Einschätzung erhebliche praktische Auswirkungen auf das Handeln der verpflichteten Unternehmen.
Wen verpflichtet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Nach § 1 Abs. 1 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz anzuwenden
„auf Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, die 1. ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und 2. in der Regel mindestens 3 000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen;…“.
Ab dem 01.01.2024 sinkt der letztgenannte Schwellenwert auf 1. 000 Arbeitnehmer und könnte damit auch zahlreiche juristische Personen des öffentlichen Rechts umfassen.
Entscheidend für die Frage, ob das LkSG bereits jetzt oder ab nächstem Jahr unmittelbar – und nicht nur mittelbar über eine entsprechend angepasste „Institutspolitik“ – auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar ist und damit insbesondere deren Beschaffungs- und Vergabewesen rechtskonform angeglichen werden muss, ist das Verständnis des Begriffs des „Unternehmens“ in § 1 Abs. 1 LkSG.
Nach der amtlichen Begründung zu § 1 dient
„der Begriff des „Unternehmens“ als Obergriff und ist rechtsformneutral. Adressat des Gesetzes und Anknüpfungspunkt für die Arbeitnehmerschwelle ist die jeweilige natürliche oder juristische Person oder sonstige rechtsfähige Personengesellschaft als Rechtsträgerin des Unternehmens. Da das Bestehen von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken nicht von der gewählten Rechtsform des Unternehmens abhängt, sieht das Gesetz diesbezüglich keinerlei Beschränkungen vor. Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen, fallen nicht unter § 1, soweit sie nicht am Markt unternehmerisch tätig sind.“
Gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch für Anstalten des öffentlichen Rechts, Stiftungen, Universitäten oder Kommunalbetriebe?
Vor dem Hintergrund des bewusst weit gefassten Unternehmensbegriffs des LkSG gibt es erste Stimmen in der – gerade erst anwachsenden – Literatur, die beispielsweise Universitäten, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts wie eine Landesbank vom Anwendungsbereich des LkSG erfasst sehen, da diese keine „Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft“ ausübten und „am Markt unternehmerisch tätig“ sein könnten. Ähnliches dürfte – unabhängig von ihrer Organisationsform – für Kommunalbetriebe gelten, sofern diese Dritten gegenüber eine Dienstleistung oder ein Produkt (auch unentgeltlich) anbieten und dies in Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmenden (anderen Unternehmen und/oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts) geschieht, wenn also die Dienstleistung bzw. das Produkt auch von anderen Marktteilnehmenden angeboten werden kann.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des LkSG dürfte dabei sein, dass der unternehmerisch tätige Teil der juristischen Person die Voraussetzungen des § 1 LkSG (eigenständig) erfüllt. Das heißt umgekehrt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts, die überhaupt nicht unternehmerisch am Markt tätig sind, oder deren unternehmerische Tätigkeit nicht die Schwellenwerte des § 1 LkSG erreicht, keine Verpflichtungen aus dem LkSG treffen. Die Beschaffungstätigkeit allein, auch wenn sie am Markt erfolgt, dürfte keine „unternehmerische Tätigkeit“ begründen.
Der regelmäßig „dienende“ Charakter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts spricht nicht von vornherein gegen die Anwendbarkeit des LkSG. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfasst nach seinem § 2 Abs. 5 S. 1 ausdrücklich „jede Tätigkeit zur Erstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen“; zu letzteren soll jedenfalls nach der amtlichen Begründung des Gesetzes u.a. „jede Form von Finanzdienstleistungen“ zählen, die damit unmittelbar in den Geltungsbereich des LkSG einbezogen sind.
Welche Pflichten folgen aus der Anwendbarkeit des LkSG?
Eine unmittelbare Geltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hätte erhebliche Auswirkungen auf das Handeln und vor allem auf das Beschaffungswesen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Sie müsste nicht nur die Vergabeunterlagen so gestalten, dass die den Bietern oder Auftragnehmern nach dem LkSG aufzuerlegenden Pflichten detailliert umschrieben und wirksam umgesetzt werden können, sondern auch selbst ihre internen Strukturen an die (vor allem organisatorischen) Vorgaben des Gesetzes anpassen. Zu nennen sind hier insbesondere die Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Abs. 1 LkSG), die Festlegung der einschlägigen betriebsinternen Zuständigkeiten (§4 Abs. 3 LkSG), die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5 LkSG), die Verankerung geeigneter Präventionsmaßnahmen (§ 6 Abs. 1, 3 und 4 LkSG) sowie Dokumentations- und Berichterstattungspflichten (§ 10 Abs. 1 und 2 LkSG).
Fazit
Ohne eine vertiefte Betrachtung und Auslegung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und seiner Entstehungsgeschichte lässt sich seine unmittelbare Geltung für eine konkrete juristische Person des öffentlichen Rechts nicht belastbar klären, zumal die wissenschaftliche Diskussion gerade erst beginnt und Rechtsprechung naturgemäß noch nicht vorliegt. Im Übrigen ist die parallele Rechtsentwicklung zu einer Lieferketten-Richtlinie auf EU-Ebene zu beobachten, die ihrerseits Hinweise zum Verständnis des deutschen Gesetzes liefern und seine künftige Auslegung und persönliche und sachliche Reichweite beeinflussen kann.
Dr. Peter Czermak
Rechtsanwalt
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