Bundesarbeitsgericht: Keine Pflicht zur frühzeitigen Jobsuche während einer Freistellung

Foto: Eine Frau trägt im Büro eine Kiste mit ihren persönlichen Gegenständen vor sich her. Sie wurde entlassen.
  • 14.02.2025
  • Lesezeit 3 Minuten

Arbeitgeber dürfen die Gehaltszahlung nicht einfach einstellen, wenn freigestellte Arbeitnehmer innerhalb ihrer Kündigungsfrist keinen neuen Job suchen oder eine neue Beschäftigung aufnehmen, entschied nun das BAG.

Müssen Arbeitnehmer während ihrer Kündigungsfrist aktiv nach einer neuen Stelle suchen? Nein, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 12.02.2025 (5 AZR 127/24). Im betreffenden Fall war der klagende Arbeitnehmer als Senior Consultant beschäftigt. Er erhielt eine ordentliche Kündigung und wurde während der dreimonatigen Kündigungsfrist unwiderruflich freigestellt.

Arbeitgeber schickte 43 Stellenangebote, stellte Gehaltszahlung ein

Sein Arbeitgeber übermittelte ihm 43 Stellenangebote, auf sieben davon bewarb sich der Gekündigte jedoch erst zum Ende der Kündigungsfrist. Daraufhin stellte der Arbeitgeber die Gehaltszahlung für den letzten Monat ein und berief sich auf § 615 Satz 2 BGB, wonach eine Vergütung entfallen kann, wenn ein Arbeitnehmer böswillig darauf verzichtet, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Schließlich habe der Mitarbeiter es unterlassen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm zugesandten Stellenangebote zu bewerben.

BAG widerspricht: Kein „böswilliges“ Unterlassen des Arbeitnehmers 

Das BAG widersprach dieser Argumentation. Da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig freigestellt hatte, befand er sich im Annahmeverzug und war weiterhin zur Gehaltszahlung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist verpflichtet (§ 615 Satz 1 i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB). Die Richter stellten klar, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Anstellung anzutreten und daraus Verdienst zu erzielen, um die finanzielle Belastung des ehemaligen Arbeitgebers zu reduzieren.

Der Arbeitgeber habe nicht dargelegt, dass ihm die Erfüllung des auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Bereits im März 2023 hatte das BAG (Urteil vom 29.03.2023, Az. 5 AZR 255/22) in einem anderen Fall über das vermeintlich böswillige Unterlassen anderweitigen Verdienstes entschieden. Damals ging es um die Zeit nach dem Ende des regulären Arbeitsverhältnisses. Der aktuelle Fall unterscheidet sich jedoch wesentlich, da der Arbeitgeber die Vergütung noch vor dem offiziellen Ende des Arbeitsverhältnisses einstellte.

Praxistipp: Folgen für Arbeitgeber

Arbeitgeber sollten bei der Frage der Annahmeverzugsvergütung zwischen zwei Zeiträumen unterscheiden:

  1. Zeitraum zwischen Zugang der Kündigung und dem vermeintlichen Beendigungsdatum bei Freistellung:
    Wird der Arbeitnehmer während dieser Zeit freigestellt, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass ihm die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar war. Gelingt dieser Nachweis – und liegen die weiteren Voraussetzungen vor –, entfällt die Vergütungspflicht.
  2. Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bei Kündigungsschutzklage:
    In diesem Zeitraum ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer den Annahmeverzugslohn weiterhin geltend machen kann, während die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüft wird. Diese Konstellation war in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, über die wir bereits berichtet haben (LAG Berlin-Brandenburg am 30. September 2022, 6 Sa 280/22; LAG Baden-Württemberg am 03.05.2024, 9 Sa 4/24).

Mit der aktuellen Entscheidung verdeutliche das BAG die hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Beschäftigung zur Abwehr von Annahmeverzugslohnansprüchen bei Freistellungen. Arbeitgeber sollten Freistellungen weiterhin sorgfältig prüfen und deren Gründe sowie Umstände umfassend dokumentieren.

 

Mit unserem Update Arbeitsrecht informieren wir Sie regelmäßig über aktuelle Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung:

 Jetzt Newsletter abonnieren

Artikel teilen:

Autor dieses Artikels

Kerstin Weckert

Partner

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Licencié en droit, Mag. iur.

Was können wir für Sie tun?

Jetzt Kontakt aufnehmen

Kontakt aufnehmen