ESG-Anforderungen im Baurecht: Konflikte durch Mehrparteienverträge vermeiden

Foto: Rohbau eines Hochhauses. Zu sehen sind die Etagen aus grauem Beton, mit Holzstützen an den Rändern der Stockwerke.
  • 09.01.2025
  • Lesezeit 3 Minuten

Erfahrungen aus der Praxis zeigen immer häufiger: Aktuelle ESG-Themen bergen juristischen Zündstoff. Die Schnittstellen des Bau- und Architektenrechts mit den Anforderungen an die ökologische, soziale und unternehmerische Nachhaltigkeit von Bauprojekten sind zahlreich. Durch Mehrparteienverträge im Sinne einer integrierten Projektabwicklung können Auseinandersetzungen zwischen den Projektbeteiligten vermieden und Incentives gesetzt werden.

Baubeschreibungen und Vertragsgrundlagen von Neubauprojekten sind voll von ESG-Anforderungen. Es gilt, bei der Errichtung von Neubauten eine wachsende Zahl von Vorschriften zur Energieeinsparung (z. B. Energieeinsparverordnung, Gebäudeenergiegesetz), zum Einsatz nachhaltiger Baumaterialien (z. B. Recycling- Baustoffe, Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft), zur Nutzung energieeffizienter Techniken (optimierte Dämmung, Gebäudeautomatisierung, erneuerbare Energien) sowie zur Barrierefreiheit und Inklusion einzuhalten.

Hinzu kommen Vorschriften zur Umsetzung des Projektes selbst. Beispiele hierfür sind Arbeitsschutzgesetze und die Baustellenverordnung zur Sicherstellung der Sicherheit der Arbeitnehmer, baurechtliche Anforderungen sowie regulatorische Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung, besonders bei der Vergabe von Bauaufträgen.

Differenzen bei der Auslegung von Vorschriften sind für Projekte mitunter existenzbedrohend

Insbesondere die Einhaltung von Vorschriften zur Energieeffizienz eines Gebäudes stellen die bearbeitenden Planer und Unternehmen vor große Herausforderungen. Sind die eingesetzten General- und Nachunternehmen zudem direkt im Ausland ansässig oder als deutsche Niederlassungen ausländischer Bauunternehmen tätig – was ebenfalls immer häufiger zu beobachten ist – sind die Gefahren zahlreich.

Unterschiedliche Ansichten über Art und Qualität der Ausführung führen am Bau schnell zu erbitterten Streitigkeiten. Die Erfahrung zeigt, dass Projekte dadurch sogar binnen kürzester Zeit existenziell gefährdet werden können. Kanzleien mit einem starken internationalen Netzwerk können Bauherren und Projektentwicklern zur Seite stehen. Dennoch wirken sich solche Auseinandersetzungen stets negativ auf Zeit- und Kostenziele des betroffenen Projektes aus.

Konflikten kann mit klarem Vertragswerk und planerischen Vorgaben vorgebeugt werden

Was zur Vorbeugung solcher Konflikte hilft, sind klare vertragliche und planerische Vorgaben und damit eine enge Absprache der Parteien zu Projektbeginn.

Rechtliche Grundlage für eine solche enge Absprache kann ein Mehrparteienvertrag nach den Grundsätzen der in der Praxis immer öfter anzutreffenden integrierten Projektabwicklung (IPA) sein. Der Bauherr schließt dabei keine Einzelverträge mit den Planern und Ausführenden. Vielmehr erfolgt ein gemeinsamer Vertragsschluss zwischen allen Beteiligten, die sich zu den gleichen Projektzielen verpflichten und ihre jeweiligen besonderen Kompetenzen bereits frühzeitig in die Planung einfließen lassen.

In der Regel ist zu Beginn des Projekts eine sogenannte „Validierungsphase“ vorgesehen, in der die Projektziele des Bauherrn überprüft und die sogenannten Basiszielkosten aufgestellt werden. Zeigt sich dabei, dass das Projekt voraussichtlich nicht in der geplanten Form im avisierten Kostenrahmen zu realisieren sein wird, kann der Bauherr von der Durchführung des Projekts absehen.

Mehrparteienverträgen schließen Dispute aus und ermöglichen Incentivierungen

Eine entsprechend enge Absprache durch den Abschluss eines Mehrparteienvertrages schließt aus, dass die Baubeteiligten mit unterschiedlichen Vorstellungen an das Projekt herantreten und sorgt dafür, dass die Einhaltung bestimmter Energieeffizienzen, Nachhaltigkeiten oder Anforderungen an die Lieferkette von Beginn an von allen Beteiligten verstanden und wechselseitig kontrolliert werden. 

Hierbei handelt es sich nicht um den einzigen Vorteil der integrierten Projektabtwicklung: Entsprechende Verträge sind auch attraktiv, da sich beispielsweise auch Boni für alle Beteiligten bei zeitgerechter Erreichung bestimmter Meilensteine des Bauprojekts vereinbaren lassen.

Wir gehen davon aus, dass die aktuellen Herausforderungen rund um die ESG-konforme Gestaltung von Bauprojekten auch im Jahr 2025 (und mit neuer Bundesregierung) nicht abreißen werden. Mit unserem starken internationalen Netzwerk stehen wir Ihnen auch bei grenzüberschreitenden Bauprojekten zur Seite. Wir helfen Ihnen durch die Gestaltung entsprechender Mehrparteienverträge dabei, die Konflikte zu vermeiden und durch Anreizsysteme ihren Projektablauf zu optimieren.

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Autoren dieses Artikels

Simon Parviz

Partner

Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Daniel Schwab

Senior Manager

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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