Urteil zu Strom- und Gaskonzessionen: Netznutzungsentgelt- und Netzanschlussprognosen als Auswahlkriterium

Die Berücksichtigung von Netznutzungsentgelt- und Netzanschlussprognosen als Auswahlkriterium bei Strom- und Gaskonzessionsauswahlverfahren verstößt nicht gegen Unionsrecht. Dies entschied das OLG Karlsruhe im Juni 2024. Für Kommunen und wird durch das Urteil mehr Rechtssicherheit geschaffen.

Im Rahmen eines Gaskonzessionsauswahlverfahren nach den §§ 46 ff. Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) forderte eine Kommune als Auswahlkriterium die Abgabe von Preisblättern mit für einen dort angegebenen Zeitraum (plausibel) prognostizierten Netznutzungsentgelten für das Konzessionsgebiet sowie die Einreichung von für denselben Zeitraum (plausibel) prognostizierten Netzanschlusskosten. Die Kommune plante, solche Bewerber, die möglichst geringe Netznutzungsentgelte und Netzanschlusskosten in Aussicht stellen können, zu bevorzugen.

Ein solches Auswahlkriterium verstößt gegen Unionsrecht – Bieter wehrte sich

Hiergegen wehrte sich ein Bieter gerichtlich mit dem Argument, mit dem Auswahlkriterium verstoße die Kommune gegen unionsrechtlich zwingende Vorgaben, die die Zuständigkeit einer unabhängigen Regulierungsbehörde für Netzentgelte und Bedingungen des Netzbetriebs vorschrieben.

Der von der Kommune administrierte Unterbietungswettbewerb über die Höhe der künftigen örtlichen Netzentgelte trete unter einer abweichenden Zielrichtung neben die Netzentgeltregulierung durch die Regulierungsbehörde. Er untergrabe ferner deren Wirkung und laufe damit der unionsrechtlich determinierten alleinigen Regulierungszuständigkeit der für die Entgeltregulierung zuständigen unabhängigen Regulierungsbehörde zuwider.

OLG Karlsruhe: Möglichst niedrige prognostizierte Netznutzungsentgelte und Netzanschlusskosten als Auswahlkriterium sind zulässig

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 12.06.2024 – 6 U 222/23 – nunmehr entschieden, dass es den in der Gasrichtlinie, RL 2009/73/EG vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (ABl. L 211/94), enthaltenen Bestimmungen nicht zuwiderläuft, wenn Kommunen möglichst niedrige prognostizierte Netznutzungsentgelte und Netzanschlusskosten im Konzessionsgebiet bei der Auswahl des Konzessionärs zu Gunsten des Bieters berücksichtigen (ebenso im Ergebnis OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. November 2022 – 2 U165/22, unveröffentlicht; LG Stuttgart, Urteil vom 5. Juli 2022 – 51 O 130/22, unveröffentlicht; offengelassen LG Stuttgart, Urteil vom14. Juli 2022 – 35 O 63/22 KfH, unveröffentlicht).

EnWG berufe Kommunen dazu, vergleichbare Auswahlkriterien in Konzessionsauswahlverfahren aufzunehmen

Aufgrund der im EnWG verankerten Zielsetzung, im Rahmen von Konzessionsauswahlverfahren u. a. auf eine preisgünstige leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas hinzuwirken, sind die Kommunen nach Ansicht des Gerichts vielmehr dazu berufen, vergleichbare Auswahlkriterien in ihr Konzessionsauswahlverfahren mit aufzunehmen.

Das dargestellte Urteil bietet den ausschreibenden Kommunen nunmehr ein Mehr an Rechtsicherheit im Umgang mit dieser Zielsetzung. Sollten Sie im Zusammenhang mit Strom- und Gaskonzessionsauswahlverfahren haben, sprechen Sie uns gerne an.

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Autoren dieses Artikels

Dr. Michael Klett

Partner

Rechtsanwalt, Steuerberater

Nicolas Plinke

Senior Manager

Rechtsanwalt

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