Grunderwerbsteuer: Ländererlasse zur Grundstückszurechnung veröffentlicht: Mehrfachzurechnung möglich

  • 14.11.2023
  • Lesezeit 4 Minuten

Als Reaktion auf die jüngste Rechtsprechung des BFH, in welcher dieser die Grundsätze zur grunderwerbsteuerlichen Grundstückszurechnung für die Ersatztatbestände nach §§ 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG definiert hat, hat die Finanzverwaltung nun mit ihren gleichlautenden Ländererlassen vom 16.10.2023 ihre Auffassung zur Thematik dargelegt.

Die grunderwerbssteuerliche Grundstückszurechnung bestimmt, wann für Zwecke der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG ein Grundstück einer Gesellschaft zugerechnet wird bzw. „gehört“, wobei sich diese Zurechnung weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 der Abgabenordnung (AO) richtet. Neben der Zurechnung der Grundstücke zum zivilrechtlichen Eigentümer können für Zwecke der Ergänzungstatbestände die Grundstücke auch anderen Gesellschaften in der Beteiligungskette „gehören“ bzw. zugerechnet werden, obwohl diese nicht zivilrechtliche Eigentümer der Grundstücke sind. Die Frage der Grundstückszurechnung ist primär im Kontext von Share Deals und konzerninternen Umstrukturierungen von Relevanz.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass dasselbe Grundstück mehreren Gesellschaften zurechenbar sein kann, wenn die jeweiligen Gesellschaften zuvor einen Tatbestand nach § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG verwirklicht haben. Dies kann nach Ansicht der Finanzverwaltung dazu führen, dass bei Anteilsübertragungen auf verschiedenen Ebenen einer Beteiligungskette mehrfach Grunderwerbsteuer anfallen kann, obwohl wirtschaftlich nur eine einzelne Übertragung eines Grundstücks stattfindet. Relevant wird dies insbesondere bei Transaktion in Bezug auf mehrstufige Beteiligungsketten. Ob diese Auffassung, welche zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung desselben Rechtsgeschäfts führen kann, tatsächlich die Rechtsprechung und das Gesetz zutreffend auslegt, darf bezweifelt werden und bedarf einer schnellen höchstrichterlichen Klärung.  

Darüber hinaus verknüpfen die neuen Erlasse die Zurechnungsfrage mit der umstrittenen „Signing/Closing-Theorie“ (hierzu bereits unser Beitrag Erhöhtes Risiko der Doppelbesteuerung bei Share Deals). Danach geht die Finanzverwaltung davon aus, dass es bei Anteilsveräußerungen, deren Verpflichtungsgeschäft und dingliche Erfüllung zeitlich auseinanderfallen, zur Doppelzurechnung kommt (Zurechnung bei Erwerber durch Verwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG, fortbestehende Zurechnung bei der grundbesitzenden Zielgesellschaft). Diese Doppelzurechnung soll durch die Aufhebung der bei Signing ausgelösten Steuer nach § 16 Abs. 4a GrEStG nicht wegfallen, sondern fortbestehen. 

Im Falle einer Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs endet die Zurechnung erst im Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Aufhebung der Festsetzung oder der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 GrEStG entstanden ist oder in Fällen des § 16 Abs. 2 GrEStG sobald das steuerauslösende Rechtsgeschäft für den Rückerwerb geschlossen wird.

Die gleichlautenden Erlasse sollen in allen offenen Fällen anzuwenden sein, d.h. auch bereits abgeschlossene Transaktionen und Strukturierungen können betroffen sein. 
Für (potenziell) Steuerpflichtige ergeben sich hieraus folgende Konsequenzen:

  • Im Rahmen von Anteilskaufverträgen von grundbesitzenden Gesellschaften ist zu überprüfen, ob hinsichtlich der Zielgesellschaft in der Vergangenheit grunderwerbsteuerlich relevante Transaktionen stattgefunden haben. Etwaige identifizierte steuerliche Risiken sollten vertraglich abgesichert werden.
  • Der Erlass bestätigt die bereits geäußerten Befürchtungen, dass die Einführung § 16 Abs. 4a GrEStG, das Risiko der Doppelbesteuerung signifikant erhöht hat. Dieses kann rechtssicher nur durch eine vollständige und fristgerechte Anzeige gemäß §§ 19, 20 GrEStG vermieden werden. Damit werden künftig die vorsorglichen Anzeigen auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich sein und die Prüfung der Anzeigepflichten einzelner Gesellschaften kann nicht mehr (nur) auf Basis des Organigramms und der zivilrechtlichen Zuordnung der Grundstücke erfolgen.
  • Auch sollten bereits abgeschlossene Maßnahmen, bei denen grundbesitzende Gesellschaften (mittelbar) involviert waren, dahin gehend überprüft werden, ob nach der nun geäußerten Ansicht der Finanzverwaltung grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten vollständig erfüllt wurden oder ob weitere bzw. geänderte Anzeigen vorzunehmen sind. Hierbei ist die Anzeigefrist von 2 bzw. 4 Wochen ab Kenntniserlangung zu beachten. 
  • Wenn es zu einer Doppel- oder gar Mehrfachbesteuerung desselben Grundstücks und Anteilgeschäfts auf mehreren Beteiligungsebenen der Mehrfachzurechnung nach Auffassung der Finanzverwaltung kommt, sollte in jedem Fall vorsorglich Einspruch eingelegt werden. 
     
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Autoren dieses Artikels

Uwe Roth

Partner

Steuerberater

Markus Cullefors

Manager

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Stefan Lehner

Director

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