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Bereits in den vergangenen Jahren hat das Bundessozialgericht (BSG) durch seine Rechtsprechung zunehmend Gesellschafter-Geschäftsführer und mitarbeitende Gesellschafter der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterworfen. Eine aktuelle Entscheidung des BSG setzt diese Linie nicht nur fort, sondern verschärft sie.
Bisherige Rechtsprechung
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG übt ein Gesellschafter-Geschäftsführer keine „Tätigkeit nach Weisung“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV aus und unterliegt nicht der Rentenversicherungspflicht, wenn er die rechtliche Möglichkeit hat, Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen. Dies ist der Fall, wenn er mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält.
Ist sein Gesellschaftsanteil niedriger, kommt es darauf an, ob er ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Nach Auffassung des BSG ist dies der Fall, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer entweder genau 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende, „echte“ Sperrminorität eingeräumt ist, die die gesamte Unternehmenstätigkeit, nicht nur einzelne Bereiche (= „unechte“ Sperrminorität), erfasst. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Vereinbarung (z.B. in Stimmbindungsverträgen oder in Treuhandvereinbarungen) reicht nicht aus.
Das BSG hat mit dieser Auffassung bisher bei der Beantwortung der Frage nach der Rentenversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers immer zwei Fallgruppen unterschieden:
Diese Kriterien hat das BSG auch angewendet bei der Beurteilung, ob ein in der Gesellschaft mitarbeitender Gesellschafter, der nicht Geschäftsführer ist, eine Tätigkeit nach Weisung ausübt und damit rentenversicherungspflichtig ist.
Neue Entscheidung des BSG
In einer neueren Entscheidung vom 13.12.2022 (BSG, Az.: B 12 KR 16/20 R) hat das BSG klargestellt, dass eine Verhinderungsmacht allein – also das Recht, jede nicht genehme Weisung der Gesellschafterversammlung zu verhindern – nicht ausreichend ist, um eine abhängige Beschäftigung und damit die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung auszuschließen.
Im konkreten Fall ging es um einen Gesellschafter, der an einer GmbH gemeinsam mit seinem Bruder zu je 50 % beteiligt ist. Während sein Bruder alleiniger Geschäftsführer ist, ist der Kläger als Betriebsleiter mit weitgehender Handlungsvollmacht, aber ohne Prokura in einem Teilbereich des Unternehmens (Einkauf und Logistik) tätig. Er erhält für seine Tätigkeit von der Gesellschaft ein festes monatliches Gehalt und eine jährliche Gewinnbeteiligung. Zur Sicherung der Liquidität der Gesellschaft hatte er ihr ein Darlehen in Höhe von rund EUR 175.000,00 gewährt und selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung weiterer Kredite übernommen. Im Gesellschaftsvertrag ist geregelt, dass der Abschluss von Verträgen mit Gesellschaftern zur Mitarbeit in der Gesellschaft, deren Änderung oder Beendigung sowie die Regelung sämtlicher aus diesen Verträgen resultierender Folgen ausschließlich der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung obliegen, wobei der betreffende Gesellschafter in jedem Fall stimmberechtigt bleibt.
Im Statusfeststellungsverfahren hat die beklagte DRV Bund festgestellt, dass der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sei. Das Sozialgericht (SG) hat den entsprechenden Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht abhängig beschäftigt und daher nicht versicherungspflichtig sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der DRV hin das Urteil des SG aufgehoben und die Versicherungspflicht des Klägers in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bestätigt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Revision zum BSG eingelegt und die Auffassung vertreten, dass er bereits aufgrund seiner Sperrparität in der Gesellschafterversammlung selbstständig sei, weil nach dem Gesellschaftsvertrag die Dienstaufsicht und die Weisungsrechte gegenüber mitarbeitenden Gesellschaftern der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind, in der er unbeschränkt stimmberechtigt sei. Damit könne er jegliche Weisung an sich verhindern. Diese Verhinderungsmacht sei ausreichend für eine selbstständige, sozialversicherungsfreie Tätigkeit, einer Gestaltungsrechtsmacht bedürfe es dafür nicht.
Dieser Argumentation ist das BSG nicht gefolgt. Es ist stattdessen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verhinderungsmacht allein eine abhängige Beschäftigung nicht ausschließe. Selbst wenn aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft und aufgrund seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung die Gesellschaft gegen seinen Willen keinen Beschluss zu seiner vertraglichen Mitarbeit treffen kann, führe dies nicht automatisch zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es komme für die statusrechtliche Einordnung eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht nur auf dessen Weisungsfreiheit im eigenen Tätigkeitsbereich an, sondern auch darauf, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Lage ist, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber zu lenken. Dafür sei eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsrechtsmacht erforderlich.
Eine solche Gestaltungsrechtsmacht hat der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter nach Ansicht des BSG nicht. Dann ist er aber nicht im „eigenen Unternehmen“ tätig, sondern in funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Dies gilt auch für mitarbeitende, nicht zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter. Trotz seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital und seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung, mit dem er ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern kann, kann er keinen maßgeblichen Einfluss auf die durch seinen Bruder ausgeübte Geschäftsführertätigkeit ausüben. Bei einer gegensätzlichen Stimmabgabe führt sein Stimmrecht lediglich zur Stimmengleichheit und damit zu einer Blockade, allerdings nicht zu der für die Herbeiführung eines Beschlusses grundsätzlich erforderlichen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung. Damit kann der Kläger in letzter Konsequenz weder Weisungen an den Geschäftsführer herbeiführen noch die Abberufung des Geschäftsführers jederzeit durchsetzen. Dass aufgrund familiärer Beziehungen vom Kläger und seinem Bruder faktisch eine gleichberechtigte Geschäftsführung des Unternehmens gelebt wird, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich.
Dass der Kläger umfangreiche Bürgschaften zugunsten der Gesellschaft übernommen und ihr ein Darlehen gewährt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das mit der Bürgschaft verbundene unternehmerische Risiko ist nach Ansicht des BSG nur dann ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Das ist nicht der Fall, und auch die Darlehensgewährung räumt dem Kläger keine umfassende Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft ein.
Empfehlung
Mit der Entscheidung vom 13.12.2022 hat das BSG seine bisherige Rechtsprechung zur Rentenversicherungspflicht von in einer Gesellschaft mitarbeitenden Gesellschaftern weiter präzisiert und verschärft. Zwar betrifft die Entscheidung einen Einzelfall, allerdings ist zu erwarten, dass das BSG die dort aufgestellten Grundsätze, wonach eine bloße Verhinderungsmacht nicht ausreicht, sondern für die Annahme einer selbstständigen und damit nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit eine Gestaltungsrechtsmacht erforderlich ist, zukünftig auf vergleichbare Fälle mitarbeitender Gesellschafter und Gesellschafter-Geschäftsführer anwenden wird.
Alle Geschäftsführer sind daher gut beraten, die Rechtsprechung des BSG im Blick zu haben und zur Vermeidung von Haftungsrisiken für mitarbeitende Gesellschafter ebenso wie für Gesellschafter-Geschäftsführer, die nicht mehr als 50 % Anteile am Stammkapital einer Gesellschaft haben, im Wege eines Statusfeststellungsverfahrens rechtzeitig die Frage der Versicherungspflicht klären zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn eine Betriebsprüfung keine Beanstandung ergeben hat und ohne Bescheid beendet wurde. In dem Fall gibt es keinen Vertrauensschutz zugunsten der geprüften Gesellschaft, dass alles in Ordnung ist. Erforderlich dafür ist vielmehr auch bei fehlenden Beanstandungen ein die Betriebsprüfung beendender Verwaltungsakt, der den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung inklusive der Versicherungspflichten festhält. Auf den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes ist unbedingt zu achten.
Gabriele Heise
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht
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