Wie sich das Wachstumschancengesetz auf die Fremdfinanzierung von Unternehmen auswirkt

  • 08.12.2023
  • Lesezeit 5 Minuten

Für die Immobilienbranche heißt es nach kurzem Innehalten aufgrund des Regierungsentwurfs zum Wachstumschancengesetz vom 30.08.2023 nun aufatmen, nachdem der Bundestag den entsprechenden Empfehlungen des Bundesrats gefolgt ist und das Gesetz am 17.11.2023 ohne zwei bedenkliche Verschärfungen verabschiedet hat. Gebannt ist die Gefahr aber noch nicht.

Zwar wurden die – insbesondere aber nicht nur für die Immobilienbranche bedenkliche – ursprünglich geplanten „Anti-Fragmentierungsregelung“ für den Zinsabzug und die Zinshöhenschranke  nicht eingeführt bzw. in das Gesetz aufgenommen, jedoch hat sich der Grundgedanke  des letzteren Punktes auf Änderungen in § 1 AStG verlagert. Es wurde beschlossen, § 1 AStG um Regelungen für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen zu erweitern. 

Eine Einführung von Regelungen zur Bestimmung des Fremdvergleichspreises für Finanzierungsbeziehungen sowie bei Finanzierungsdienstleistungen wurde schon einmal im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) vom 25. Juni 2021 vorgeschlagen. Zum damaligen Zeitpunkt wurden die Regelungen, die in wesentlichen Aspekten denen der nun verabschiedeten § 1 Abs. 3d AStG sowie § 1 Abs. 3e AStG entsprechen, letztlich nicht in § 1 AStG übernommen. 

Die erneute Aufnahme der Verrechnungspreisregelungen für Finanzierungsbeziehungen erfolgte nun entsprechend der Forderung des Bundesrates, wonach die Normierung im Gegensatz zu der seinerzeit vorgesehenen Regelung diesmal nicht als umfassender sog. „treaty override“ erfolge, sondern beschränkt sich laut Begründung auf die mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen zu vereinbarenden Grundsatzfragen. Die neuen Vorschriften des § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG wären erstmals für den Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2024 anzuwenden.

Zum einen sollen die neuen Regelungen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe konkretisieren, die beim Finanzierungsempfänger zu einkommensmindernden Aufwendungen führen. Zum anderen sollen sie der sachregerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte dienen: 

  • Der Begriff der Finanzierungsbeziehung ist weit gefasst und enthält neben Darlehensbeziehungen auch die Nutzung und Bereitstellung von Fremdkapital oder fremdkapitalähnlichen Instrumenten.
  • Die Anforderungen an fremdübliche Finanzierungsbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 3d AStG stellen nicht primär auf tatsächliche Finanzierungsbeziehungen zwischen fremden Dritten ab, sondern auf das Führen des Gegenbeweises durch den Steuerpflichtigen. Neben dem Erfordernis, dass das Einkommen des Steuerpflichtigen durch die konzerninterne grenzüberschreitende Finanzierung gemindert wurde (Inbound-Fall), kommt es dann zu einer Einkünftekorrektur bzw. zu einem Betriebsausgabenabzug u.a. für Zinsaufwendungen, wenn eine der beiden folgenden alternativen Bedingungen erfüllt ist:
  1. Der Steuerpflichtige kann nicht glaubhaft darlegen, dass er den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können (Schuldentragfähigkeit) und die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet (Finanzierungsbedarf), oder
     
  2. soweit  der vom Steuerpflichtigen zu entrichtende Zinssatz den Refinanzierungszinssatz übersteigt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte. Wird im Einzelfall nachgewiesen, dass ein aus dem Unternehmensgruppen-Rating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, ist dieses bei der Bemessung des Zinssatzes zu berücksichtigen.

Im zunehmenden Maße rückt die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise bei konzerninternen Finanzierungsbeziehungen in den Fokus. Sollte der Steuerpflichtige die empfangene Finanzierung von Anfang an nicht bedienen können, soll es sich wirtschaftlich betrachtet um eine verdeckte Einlage und nicht um überlassenes Fremdkapital handeln.  Entsprechend sollen Betriebsausgaben, beispielsweise in Form von Zinsen, als unvereinbar mit dem Fremdvergleichsgrundsatz angesehen werden. Maßgebendes Kriterium hierbei ist das glaubhaft erwartete „Bedienen können“ des Kapitaldienstes seitens des Schuldners, was insbesondere bei Akquisitionsfinanzierungen zu erhöhtem Dokumentationsaufwand führen kann. 

Der Betriebsausgabenabzug wird auch dann versagt, wenn eine konzerninterne Fremdfinanzierung nicht dem Unternehmenszweck dient, es soll also die Fremdüblichkeit der Geschäftsbeziehung dem Grunde nach in den Vordergrund gestellt werden – auch hier wird sich der Dokumentationsaufwand für den Nachweis der Fremdüblichkeit dem Grunde nach deutlich erhöhen. Die neuen Regelungen sind tendenziell geeignet, die Finanzierungsfreiheit im Konzern einzuschränken und werden daher eine große Bedeutung für multinationale Unternehmensgruppen haben.

Der zweite Teil der Änderung des § 1 AStG betrifft insbesondere Treasury- bzw. Finanzierungsdienstleistungen und sieht eine spezielle Regelung für den Umgang mit konzerninternen „Durchleitungsdarlehen“ vor. Nach § 1 Abs. 3e AStG werden vermittelnde oder weiterleitende Finanzierungsfunktionen als funktions- und risikoarme Dienstleistungen angesehen, welche laut Begründung regelmäßig anhand der Kostenaufschlagsmethode vergütet werden sollen; durch die Nicht-Einbeziehung der Refinanzierungskosten in die Kostenbasis wird eine mögliche Gewinnerzielung aus solchen Aktivitäten signifikant eingeschränkt. Vom Anwendungsbereich der Regelung sollen insbesondere Konzernunternehmen betroffen sein, die typische Treasury-Funktionen wie beispielsweise das Liquiditätsmanagement (Aufnahmen und Anlagen am Kapitalmarkt, Steuerung von Auszahlungen, Finanzierung von Unternehmensanleihen etc.), das Finanzrisikomanagement (Steuerung von Zins- und Liquiditätsrisiken etc.) und das Währungsrisikomanagement ausüben. Die Einstufung als Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung kann mittels Gegenbeweises entfallen.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. November 2023 beschlossen, zu dem vom Bundestag am 17. November 2023 verabschiedeten Wachstumschancengesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes zu verlangen. Es bleibt abzuwarten, auf welche Änderungen sich der Vermittlungsausschuss verständigen wird. Ein Termin für die Behandlung des Gesetzes im Vermittlungsausschuss steht noch nicht fest.

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Autoren dieses Artikels

Asen Asenov

Partner

Steuerberater

Melina Heindl

Manager

Steuerberaterin

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