Zweckbindungsfrist von Fördermitteln: Zuwendungsrechtliche Risiken

Bild: Person betankt Auto mit Wasserstoff
  • 08.04.2025
  • Lesezeit 9 Minuten

Wer Fördermittel erhält, muss Anschaffungen zweckgebunden nutzen. Unklarheiten bei der Zweckbindungsfrist bergen Risiken – bis hin zur Rückzahlung. Was Unternehmen beachten sollten, zeigt ein Praxisbeispiel aus Hessen.

Unterstützt die öffentliche Hand mit staatlichen Mitteln die Anschaffung von Gegenständen, findet sich in den Förderbedingungen regelmäßig die Vorgabe, diese Gegenstände zu inventarisieren und für einen bestimmten Zeitraum dem Förderzweck entsprechend zu verwenden.

Der Zuwendungsempfänger ist gut beraten, diese Anforderung ernst zu nehmen. Verstößt er dagegen, drohen Widerruf und Rückforderung. Die wesentlichen Eckpunkte der sog.  Zweckbindungsfrist werden deshalb im Folgenden am Beispiel der Förderung einer Wasserstoff-Tankstelle in Hessen beleuchtet, deren Betrieb im Zuge einer strategischen Neuausrichtung wenige Jahre nach ihrer Errichtung eingestellt werden soll.

Zuwendungszweck und Förderziel sind untrennbar verbunden

Ein klar definierter Förderzweck stellt die Weichen für alle Fragen rund um die Zweckbindungsfrist . 

Mit der Gewährung einer Zuwendung verfolgt die öffentliche Hand stets ein übergreifendes inhaltliches Ziel. Im Beispielsfall ist dies ausweislich der einschlägigen Förderrichtlinie die Stärkung des Wirtschaftsstandortes über die Förderung von Innovationen im Bereich der Elektromobilität. 

Erreicht werden soll dieses Ziel über konkrete Maßnahmen oder Tätigkeiten. Dieser Zuwendungszweck und das mit ihm konkret verbundene Förderziel hängen untrennbar zusammen: Der gegenständliche Zweck ist der Weg, auf dem das Förderziel erreicht werden soll. Das Förderziel ist die Wirkung, die mit der Erfüllung des gegenständlichen Zwecks erreicht werden soll; an ihm als entscheidenden Element der Zuwendung hat sich der Weg auszurichten, und sein Inhalt gibt maßgebliche Hinweise zur Auslegung unklarer Förderbestimmungen.

Vor diesem Hintergrund enthalten die meisten Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 44 der Landeshaushaltsordnungen verwaltungsintern verbindliche Vorgaben zur Regelung der Zweckbestimmung geförderter Vorhaben.  So lautet beispielsweise Nrn. 4.2 und 4.2.3 der VV zu § 44 LHO Hessen: „Der Zuwendungsbescheid muss insbesondere enthalten […] die genaue Bezeichnung des Zuwendungszwecks und – wenn mit Hilfe der Zuwendung Gegenstände erworben oder hergestellt werden – ggf. die Angabe, wie lange diese für den Zuwendungszweck gebunden sind. Ergänzend gilt: Die Bezeichnung des Zuwendungszwecks muss so eindeutig und detailliert festgelegt werden, dass sie auch als Grundlage für eine begleitende und abschließende Kontrolle des Erfolgs des Vorhabens oder des Förderprogramms dienen kann. Der Zuwendungszweck ist ggf. durch Erläuterungen zu präzisieren“.

Im Beispielsfall legt der Zuwendungsbescheid als konkreten Verwendungszweck den „Aufbau einer innovativen Wasserstofftankstelle zur Betankung von Brennstoffzellenbussen der Verkehrsbetriebe“ fest.

Zweckbindungsfrist: oftmals nicht ausdrücklich festgelegt

Nach der genannten Verwaltungsvorschrift hat ein Zuwendungsbescheid festzulegen, wie lange ein mit Fördergeldern angeschaffter oder hergestellter Gegenstand – hier die Wasserstofftankstelle – „für den Zuwendungszweck gebunden“ sein soll. 

Eine ausdrückliche Bestimmung der Dauer der Zweckbindung angeschaffter Gegenstände enthalten Förderbescheide oftmals nicht. Zurückzugreifen ist dann auf eine mögliche Regelung zur Dauer der Inventarisierung geförderter Gegenstände oder auf Vorgaben der jeweiligen Förderrichtlinien sowie der sog. Allgemeinen Nebenbestimmungen zur Projektförderung (ANBest-P). Letztere werden regelmäßig zu Bestandteilen des Zuwendungsbescheids erklärt und enthalten grundsätzliche Aussagen zur Zweckbindung und zu Verfügungsverboten innerhalb der Zweckbindungsfrist. Auf dieser Basis ist dann im Wege einer Gesamtschau der Bescheidsbestimmungen und der genannten Regelwerke durch Auslegung zu klären, ob dem Zuwendungsbescheid eine Zweckbindung und ggf. ihre konkrete Dauer entnommen werden können; nur eine ausreichend bestimmte und damit rechtliche wirksame Zweckbindung kann zulässiger Anknüpfungspunkt für rechtliche Sanktionen sein. 

Beginn der Zweckbindungsfrist mit Eintritt der beabsichtigten Wirkung

Der konkrete Beginn einer Zweckbindungsfrist ist im Zuwendungsbescheid ebenfalls häufig nicht geregelt. Auch er ist daher im Wege der Auslegung des Bescheids zu bestimmen. Eine Anknüpfung an den Erlass des Bescheids scheidet in diesem Zusammenhang von vornherein aus, da hiermit keinesfalls ein Beginn der Erreichung des inhaltlichen Förderziels markiert ist. 

Maßgeblich ist das jeweilige konkrete inhaltliche Förderziel. Neben dem Wortlaut des Zuwendungsbescheids und ihm ggf. zugrundeliegenden Förderrichtlinien ist hier analog § 133 BGB auf den objektiven Gehalt der Erklärung aus Sicht des Empfängers und auf die dem Begünstigten bekannten und erkennbaren Umstände abzustellen.

Im Beispielsfall ist Zuwendungsziel die Förderung innovativer Techniken im Bereich der Elektromobilität. Dieses Ziel wird nicht erreicht durch die bloße Errichtung einer innovativen Anlage, sei es zum Forschungs- oder Echtbetrieb, sondern erst durch die nachfolgende Inbetriebnahme, die beispielsweise der praktischen Erprobung der neuen Technik und bereits der CO2-Einsparung dient. Förderziel ist die erstrebte Wirkung, nicht die Aufstellung oder Baumaßnahme. Da dieses Ziel die konkrete Umsetzungsmaßnahme prägt, liegt es nahe, den Beginn der Zweckbindungsfrist für geförderte Gegenstände und Anlagen nicht baulich, sondern funktional zu verstehen.

(Erst) mit Eintritt der beabsichtigten Wirkung, d. h. mit Aufnahme der zweckentsprechenden Nutzung, besteht ein berechtigtes staatliches Interesse an einer gewissen zeitlichen Gewährleistung und Sicherung des Förderzwecks. Verweist die konkrete Förderrichtlinie in diesem Zusammenhang auf Art. 71 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013, liegt hierin regelmäßig eine zweckmäßige Lösung. Diese Bestimmung knüpft an die „Abschlusszahlung an die Begünstigte oder den Begünstigten“ an und lässt mit ihr die Mindestnutzungsdauer beginnen; sie hat inhaltlich einen geprüften Verwendungsnachweis sowie Aussagen zu den erzielten fachlichen Ergebnissen zur Voraussetzung (vgl. Nr. 6.2 Satz 2 ANBest-P) und ist unschwer tatsächlich und rechtssicher zu bestimmen.

Ermessensentscheidung zum Widerruf des Zuwendungsbescheids bei nicht (mehr) zweckentsprechender Verwendung

Eine bewilligte Zuwendung darf nur für den konkreten Zuwendungszweck verwendet werden. Nicht oder nicht mehr zweckentsprechend verwendete Zuwendungen sind regelmäßig mit Zinsen zurückzuzahlen. Rechtlich geregelt sind Unwirksamkeit, Rücknahme oder Widerruf von Zuwendungsbescheiden sowie die Erstattung der Zuwendung und die Verzinsung des Erstattungsanspruchs im Verwaltungsverfahrensrecht, insbesondere in den §§ 48, 49, 49a HVwVfG (Nr. 8.1 VV zu § 44 LHO Hessen). Nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HVwVfG „kann“ ein ursprünglich rechtmäßiger Zuwendungsbescheid auch nach Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, „wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird“. 

Vorgaben für diese Ermessensentscheidung enthalten die VV zu § 44 LHO:

„8.2.3 Die Bewilligungsbehörde hat regelmäßig einen Zuwendungsbescheid nach §§ 49 Abs. 3, 49a HVwVfG mit Wirkung auch für die Vergangenheit ganz oder teilweise unverzüglich zu widerrufen und die Zuwendung, auch wenn sie bereits verwendet worden ist, zurückzufordern, soweit sie nicht oder nicht mehr ihrem Zweck entsprechend verwendet wird.

„8.2.4 Ein Fall des § 49 Abs. 3 HVwVfG liegt auch vor, wenn aus der Zuwendung beschaffte Gegenstände während der zeitlichen Bindung nicht oder nicht mehr zweckentsprechend verwendet werden. Der Zuwendungsbescheid ist in der Regel entsprechend dem auf die Gegenstände entfallenden Zuwendungsbetrag zu widerrufen. Bei der Entscheidung über den Umfang des Widerrufs soll die Zeit der zweckentsprechenden Verwendung angemessen berücksichtigt werden.“ 

Regelmäßige Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Zweckbindungsfrist ist danach der (teilweise) Widerruf des Zuwendungsbescheids. Allerdings hat nach Nr. 8.2.6 VV zu § 44 LHO „die Bewilligungsbehörde in den Fällen der Nummern 8.2.2 bis 8.2.5 sowie bei den Ermessensentscheidungen nach dem HVwVfG bei der Ausübung ihres Ermessens die Besonderheiten des Einzelfalles (u. a. die Zeitdauer der zweckentsprechenden Verwendung) sowie die Interessen des Zuwendungsempfängers und die öffentlichen Interessen gleichermaßen zu berücksichtigen“.

Ermessensgrundlage für den (Teil-)Widerruf: So entscheidet die Bewilligungsbehörde

Im Beispielsfall würde eine endgültige Betriebseinstellung der geförderten Wasserstofftankstelle durch die begünstigten Verkehrsbetriebe zu einer nicht mehr zweckentsprechenden Verwendung der Fördergelder führen. Dann wäre der Weg für eine Ermessensentscheidung zum Widerruf des Zuwendungsbescheids eröffnet.

Maßgeblicher ermessenslenkender Gesichtspunkt für die Bewilligungsbehörde ist dann in erster Linie das der Zuwendung zugrunde liegende übergeordnete Förderziel, an dem sich der konkrete Zuwendungszweck ausgerichtet hat.

Beispiel Wasserstofftankstelle: Drei exemplarische Szenarien

Danach könnte im Beispielsfall zwischen drei Szenarien unterschieden werden, nämlich der endgültigen Betriebseinstellung der Tankstelle, dem Eintritt eines Dritten in alle durch den Zuwendungsbescheid begründete Rechte und Pflichten oder der Übernahme der Wasserstofftankstelle durch einen Dritten außerhalb der bisherigen förderrechtlichen Bindungen. 

Szenario 1: Einstellung des Betriebs

Der ersten Fallgestaltung dürfte regelmäßig nur ein Widerruf gerecht werden, es sei denn, der Zuwendungsempfänger könnte nachweisen, dass die Wasserstofftankstelle technisch nicht mehr für den zugrunde gelegten Verwendungszweck geeignet ist, beispielsweise mangels einsatzfähiger Brennstoffzellenbusse (vgl. Nr. 8.2.4 VV zu § 44 LHO Hessen); ein eigenverantwortliches Unmöglichmachen einer Weiternutzung der geförderten Anlage durch den Verkauf zu betankender Fahrzeuge im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung kann allerdings zuwendungsrechtlich nicht die Unmöglichkeit einer weiteren zweckentsprechenden Nutzung begründen.

Szenario 2: Verkauf an Dritten samt förderrechtlicher Bindungen

In der zweiten Gestaltung erscheint ein Abweichen vom Regelfall des (teilweisen) Widerrufs des Zuwendungsbescheids grundsätzlich dann als ermessensgerecht, wenn die Zuwendungsempfängerin nachweist, dass die veräußerte Wasserstofftankstelle auch in der Hand eines neuen Eigentümers in rechtlich gesicherter Weise weiterhin dem geförderten inhaltlichen Ziel einer innovativen, die Elektromobilität durch Betankung und Einsatz von Brennstoffzellenfahrzeugen unterstützenden Technik dient und alle Bedingungen des Förderbescheids auch künftig beachtet werden.

Szenario 3: Verkauf an Dritten außerhalb der förderrechtlichen Bindungen

Sollte eine Veräußerung der geförderten Tankstelle dagegen in der dritten Fallgestaltung an einen Dritten erfolgen, ohne dass dieser vertraglich die bisherigen förderrechtlichen Verpflichtungen übernimmt, müsste es wohl beim gesetzlichen und durch die angesprochenen Verwaltungsvorschriften vorgegebenen Regelfall eines Widerrufs des Zuwendungsbescheids mit folgender, jedenfalls anteiliger Erstattungspflicht verbleiben; ein bloßer Weiterbetrieb der Anlage allein – insbesondere ohne rechtlich verbindliche Zweckbindungsfrist und die für die Projektbeurteilung und den Fördererfolg wesentlichen Berichtspflichten – dürfte im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht ausreichend sein, um von Widerruf und Erstattung abzusehen.

Fazit: Zweckbindungsfrist und von Anfang an mitdenken

Unternehmen sollten Förderbescheide genau prüfen, insbesondere in Bezug auf den Förderzweck und die Zweckbindungsfrist. Auch wenn die Dauer der Bindung nicht ausdrücklich genannt ist, ergibt sie sich oft aus Förderrichtlinien oder Nebenbestimmungen. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Anschaffung, sondern der Beginn der zweckentsprechenden Nutzung.

Bei Änderungen – etwa einer Stilllegung oder Veräußerung der geförderten Anlage – drohen Rückforderungen, wenn die Zweckbindung nicht mehr erfüllt wird.

Deshalb ist es entscheidend, bereits im Vorfeld rechtssichere Übergabemodelle oder Nutzungskonzepte zu entwickeln und Ermessensspielräume der Bewilligungsbehörde frühzeitig zu kennen und zu nutzen. Wir beraten Sie gern bei Fördervorhaben und all Ihren zuwendungsrechtlichen Fragen.

Vielen Dank an Dr. Peter Czermak für seine wertvolle Unterstützung beim Verfassen dieses Beitrags.

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Autor dieses Artikels

Dr. Christian Teuber

Partner

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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