Abbildung 1: Klamar N., Sommer U., (2013). Die Kaufpreisallokation aus Managementperspektive. In Klamar N., Sommer U., Weber I. (Hrsg.), Der effiziente M&A Prozess (S. 197-216).
Bezüglich der Aufdeckung stiller Reserven bestehen im Falle von Share Deals häufig unterschiedliche Regeln für die steuerrechtliche Bilanzierung. Die sich dadurch ergebenden temporären Differenzen zwischen der Steuerbilanz und der IFRS-Bilanz führen zu der Bildung von latenten Steuern, welche über die, der Bewertung zugrunde liegende, Restnutzungsdauer ratierlich aufgelöst werden. Eine Besonderheit stellt hier der Goodwill dar. Nach IAS 36.10 handelt es sich um einen Vermögenswert mit unbegrenzter Nutzungsdauer, welcher folglich dem Impairment-Only-Ansatz unterliegt. Im Gegensatz dazu wird der Geschäfts- oder Firmenwert z. B. nach HGB über dessen planmäßige Nutzungsdauer abgeschrieben (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB). Es gibt jedoch Überlegungen seitens des IASB, den Goodwill wieder ratierlich abschreiben zu lassen. Diese Diskussion wird aktuell kontrovers im IASB geführt. Die aktuelle Tendenz geht von einer Beibehaltung des Impairment-Only-Ansatzes und keiner Rückkehr zur planmäßigen Abschreibung aus. Dafür sollen Verbesserungen der Notes sowie Vereinfachung der Value-in Use-Ermittlung umgesetzt werden.
Immaterielle Vermögenswerte
Von besonderer Relevanz für die Ergebnisse einer PPA sind regelmäßig die identifizierten immateriellen Vermögenswerte. Diese müssen zunächst die allgemeinen Ansatzkriterien erfüllen, um überhaupt berücksichtigt werden zu dürfen.
Als Beispiele, welche auch in der Praxis regelmäßig anzutreffen sind, führt der IDW S 5 (Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte) unter anderem marketingbezogene (Marken, Domains), kundenorientierte (Kundenlisten, Auftragsbestände, Kundenbeziehungen), technologiebasierte (Software, Prozesse oder Rezepturen, (un-)patentierte Technologien), kunstbezogene (Rechte an Musikstücken oder Fernsehprogrammen) sowie auf vorteilhaften Verträgen oder Rechten (Lizenzen, Mietverträge, Wettbewerbsverbote) basierende immaterielle Vermögenswerte an.
Zur Bewertung der vorgenannten Vermögenswerte ist zunächst eine hinreichende Abgrenzung der einzelnen Vermögenswerte voneinander notwendig. So kann es bei der Bewertung von bspw. kundenorientieren Vermögenswerten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den zum Bewertungsstichtag vorhandenen Auftragsbeständen und den (nichtvertraglichen) Kundenbeziehungen geben. Einer genauen zeitlich bezogenen Zuordnung der Zahlungsströme zu dem einzelnen Vermögenswert folgt ebenfalls das Erfordernis einer klar zuordenbaren Marge zur Ermittlung der relevanten Zahlungsströme.
Geschäfts- oder Firmenwert / negativer Unterschiedsbetrag
Der Goodwill ergibt sich als Residualgröße zwischen Kaufpreis und dem neubewerteten Eigenkapital. Der Goodwill beinhaltet Komponenten, die nicht zu selbstständig ansetzbaren Vermögenswerten führen, wie z. B. der Belegschaft, Image des Unternehmens, der Zugang zu neuen Märkten oder Synergien, die nicht angesetzt bzw. anderweitig berücksichtigt werden dürfen.
Es gibt vereinzelte Fälle, in denen Unternehmen unterhalb ihres beizulegenden Zeitwerts verkauft werden. Dies kann vor allem dann vorkommen, wenn sich das zu erwerbende Unternehmen in einer Restrukturierung bzw. gar in einem Insolvenzverfahren befindet, oder die Veräußerung unter hohem Zeitdruck stattfinden muss. Übersteigt der beizulegende Zeitwert des Eigenkapitals den vereinbarten Kaufpreis, entsteht zunächst ein negativer Unterschiedsbetrag. Dieser ist nach einer erneuten Überprüfung, ob insbesondere alle übernommenen Schulden identifiziert wurden, gem. IFRS 3.34 in der Periode des Erwerbs sofort erfolgswirksam als Ertrag zu realisieren und erhöht folglich das Eigenkapital.
Herausforderungen bei der Durchführung
Kaufpreis / Übertragene Gegenleistung
Die für das übertragene Unternehmen erbrachte Gegenleistung besteht mittlerweile nur noch in sehr seltenen Fällen lediglich aus einer einzelnen Barkaufpreiskomponente. Neben der Bewertung der einzelnen Vermögenswerte zählt die Bestimmung der Anschaffungskosten daher mittlerweile zu den anspruchsvollsten Teilen der Kaufpreisallokation.
Kaufverträge („Share Purchase Agreements“ / „SPA“) enthalten vermehrt kaufpreisrelevante Klauseln, welche im Rahmen der Kaufpreisallokation zu untersuchen sind und regelmäßig zu Nachfragen aufseiten der Wirtschaftsprüfer führen. Mittels bedingter Gegenleistungen in der Form von Earn-Outs oder gegenseitiger, häufig symmetrischer, Optionsvereinbarungen, sollen, oder wollen, die Verkäufer weiterhin an dem zukünftigen Erfolg der Gesellschaft beteiligt werden. Aber auch Rückbeteiligungen, sprich Gewährung von Unternehmensanteilen an dem erworbenen Unternehmen oder einer übergeordneten Unternehmenseinheit, sind in der Praxis immer häufiger anzutreffen.
Earn-Outs
Earn-Outs werden typischerweise vereinbart, wenn zwischen Käufer und Verkäufer unterschiedliche Vorstellungen im Hinblick auf die zukünftige Unternehmensentwicklung bestehen. Die Planung des Verkäufers zeigt typischerweise eine glänzende, oftmals sehr steile, Entwicklung des Unternehmens (sog. „Hockeystick-Planung“) auf. Die Einschätzung des Käufers ist hingegen meist konservativer. Mittels eines Earn-Outs erhält der Verkäufer, z. B. drei Jahre nach Kaufvertragsunterzeichnung bzw. Closing, eine Nachzahlung für die (hoffentlich) erbrachte Performance. Oftmals soll auch für ehemalige Eigentümer, die ggf. im Management des Unternehmens verbleiben, ein Leistungsanreiz zum weiterhin vollen Einsatz geschaffen werden.
Earn-Outs sind gem. IFRS 3.37ff. grundsätzlich bereits als Teil der Gegenleistung zu berücksichtigen. Die Bewertung erfolgt in aller Regel auf Basis der zugrunde liegenden Unternehmensplanung. Als weitere Input-Faktoren werden u. a. Einschätzungen zu Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmter Szenarien benötigt und renditebezogene Hurdle Rates erhoben. Aus den einzelnen Szenarien wird dann mittels eines wahrscheinlichkeitsgewichteten Discounted-Cashflow (DCF) Modells der Fair Value der Earn-Out-Klausel errechnet.
Der Barwert eines erwarteten Earn-Outs ist bereits zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung als Bestandteil der Anschaffungskosten zu aktivieren. Dabei ist für die Bewertung die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen und zu beurteilen, damit der Erhöhungsbetrag verlässlich geschätzt werden kann. Korrespondierend ist eine Rückstellung in Höhe des Erfüllungsbetrags zu passivieren. Die Rückstellung ist in den Folgeperioden erfolgswirksam aufzuzinsen und zu jedem Bilanzstichtag mit der dann gültigen Planung neu zu bewerten.
Put-Call-Vereinbarungen
Bei Transaktionen, bei denen weniger als 100 % der ausstehenden Anteile erworben werden, finden sich oftmals Optionsvereinbarungen im SPA. Häufig sind diese derart ausgestaltet, dass dem Erwerber eine Call-Option und dem Veräußerer eine Put-Option zugesichert wird. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind hierbei vielschichtig.
Prinzipiell ist aber für die Konsolidierung und auch die Bemessung der Gegenleistung stets festzustellen, welche Partei wirtschaftlicher Eigentümer, der an die Ausübung der Option geknüpften Anteile ist. Maßgeblich hierfür ist, wer bis zum Zeitpunkt der Ausübung die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken der Anteile trägt. Ist der Erfüllungswert der Optionen vertraglich festgelegt, ist oftmals der Erwerber als wirtschaftlicher Eigentümer einzustufen. Sind die Put- und Call-Optionen darüber hinaus symmetrisch ausgestaltet, ist anzunehmen, dass die Anteile an den Erwerber übergehen werden. Es handelt sich um einen sog. synthetischen Forward. Folglich sind die Optionsanteile schon zum Erwerbszeitpunkt dem Erwerber zuzuordnen und werden bereits konsolidiert.
Demgegenüber stehen Optionsvereinbarungen, bei denen der Erfüllungswert, ähnlich den Earn-Out Vereinbarungen, an eine zukünftige Erfolgsgröße gebunden ist. In diesen Fällen ist der Erfüllungswert vom Fair Value im Ausübungszeitpunkt abhängig, weshalb die Risiken aus der zukünftigen Geschäftsentwicklung beim Veräußerer verbleiben. Der Barwert des erwarteten Erfüllungsbetrags ist zum Erwerbszeitpunkt gem. IFRS 3.40 als Finanzverbindlichkeit anzusetzen. Diese bildet den möglichen Abfluss finanzieller Mittel durch die Ausübung der Put-Option in der Bilanz ab.
Die Herausforderung bei der Abbildung von Put-Call-Vereinbarungen ist neben der komplexen Bewertung dann oftmals die korrekte Abbildung der Auswirkungen auf die Konsolidierung. Geringfügig veränderte Parameter können hier z. B. den Ausschlag geben, ob der beabsichtigte 70 %-Erwerb Eingang in die Bilanz findet oder ob im wirtschaftlichen Sinne bereits 100 % zu konsolidieren sind. Neben der Beurteilung der Konsolidierung ist zudem auch ein sog. „Redemption amount“ zu bewerten und zu passivieren. Die Bilanzierung von solchen Vereinbarungen wird in der Kommentarliteratur nicht immer einheitlich bewertet. So kann es fallweise abhängig vom Abschlussprüfer sein, wie dieser eine solche Put-Call-Vereinbarung einschätzt – dies ist stark vom Einzelfall abhängig.
Bewertungsverfahren für immaterielle Vermögenswerte
Der IDW S 5 beschreibt in den Grundsätzen für die Bewertung immaterieller Vermögenswerte drei grundsätzlich anzuwendende Bewertungsverfahren: Marktpreisorientierte (1. Hierarchiestufe), kapitalwertorientierte (2. Hierarchiestufe) und kostenorientierte Verfahren (3. Hierarchiestufe).