Praxisprobleme bei der Kaufpreisallokation im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS 3

Die Covid-19-Pandemie hat die globalen M&A-Aktivitäten nur kurz ausgebremst. Gemessen an der Entwicklung der Aktienkurse scheinen sich deren langfristige wirtschaftliche Aussichten von diesem ersten Schock sehr zügig erholt zu haben, wohingegen die Auswirkungen für den Rest der Wirtschaft vielfach dramatisch sind. Dennoch wird für 2021 erneut eine Rekordzahl an Unternehmenstransaktionen erwartet. Gerade für die Finanzabteilungen der involvierten Unternehmen sind Unternehmenszusammenschlüsse mit zahlreichen zusätzlichen Aufgaben verbunden. Neben der Integration der Prozesse und Systeme steht für das erwerbende Unternehmen die Erstkonsolidierung unter Durchführung einer Kaufpreisallokation („Purchase Price Allocation“ – „PPA“) im Fokus. Für IFRS-Bilanzierer sind hierbei die Vorgaben des IFRS 3 einschlägig. Im Artikel geben wir einen Überblick über wesentliche Aufgaben und Hürden im Rahmen einer PPA.

PPA („Purchase Price Allocation“), was ist das?

Kaufpreisallokationen gehören regelmäßig zu den Prüfungsschwerpunkten in der Jahres- und Konzernabschlussprüfung. Auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) legt regelmäßig ein (Haupt)-Augenmerk auf die Kaufpreisallokation bzw. die anschließend durchzuführenden Wertminderungstests nach IAS 36.

Aus bilanzpolitischer Sicht haben Transaktionen einen bedeutenden Einfluss auf das Bilanzbild. Im Falle des Erwerbs der Kontrolle über einen Geschäftsbetrieb schreiben die internationalen Rechnungslegungsvorschriften die Durchführung einer Kaufpreisallokation vor (IFRS 3.4 ff). Das bedeutet, der Kaufpreis bzw. die übertragene Gegenleistung wird auf die erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte bzw. übernommenen Schulden und Eventualschulden verteilt. Dabei werden die identifizierten Vermögenswerte mit ihrem jeweiligen beizulegenden Zeitwert (IFRS 13) angesetzt – eine Fair Value-Bilanz entsteht. Der Unterschiedsbetrag zwischen Anschaffungskosten und neubewertetem Eigenkapital wird als Geschäfts- oder Firmenwert („Goodwill“) angesetzt und ist nach IAS 36.9f. mindestens einmal jährlich oder bei Vorliegen von Anzeichen für eine Wertminderung („Triggering Event“) auf Werthaltigkeit zu überprüfen.

Im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses sind gem. IFRS 3.5 neben der Identifizierung des Erwerbers und der Bestimmung des Erwerbszeitpunktes die folgenden Schritte erforderlich.

Prüfung auf Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses

Fraglich ist, ob es sich bei der jeweils vorliegenden Transaktion um einen Unternehmenszusammenschluss im Sinne des IFRS 3 handelt und stellt daher den Bilanzierenden ggf. vor erste praktische Probleme. Denn der IFRS 3 ist nicht anwendbar, wenn der Erwerb einer Gruppe an Tätigkeiten und Vermögenswerten keinen Geschäftsbetrieb im Sinne des Standards darstellt, also wenn beispielsweise zwar rechtlich gesehen Unternehmensanteile erworben werden, das Unternehmen aber nur aus wenigen oder gar einem einzigen Vermögenswert besteht. 

Im April 2020 wurden von der Europäischen Union Änderungen in Bezug auf die Definition eines Geschäftsbetriebs gemäß IFRS 3 verabschiedet. Die vom IASB vorgeschlagene Anpassung ist für Unternehmenszusammenschlüsse anzuwenden, bei denen der Erwerbszeitpunkt am oder nach dem 1. Januar 2020 liegt. Ziel der Änderungen ist es, die Definition eines Geschäftsbetriebs klarer zu fassen und durch Ergänzung von Beispielen die praktische Handhabung dieses Standards zu erleichtern.

Die Änderung betrifft im Wesentlichen die Einführung eines optionalen Konzentrationstests. Dieser erlaubt eine vereinfachte Beurteilung der Frage, ob eine erworbene Gruppe von Vermögenswerten und ggf. Tätigkeiten einen Geschäftsbetrieb darstellt oder nicht. Einem Unternehmen steht es für jede Transaktion frei, den Konzentrationstest anzuwenden. Der Konzentrationstest gilt als erfüllt, wenn der beizulegende Zeitwert der erworbenen Bruttovermögenswerte im Wesentlichen auf einen einzigen identifizierbaren Vermögenswert oder eine Gruppe ähnlicher identifizierbarer Vermögenswerte konzentriert ist (IFRS 3.B7B). In diesem Fall ist das Vorhandensein eines Geschäftsbetriebs zu verneinen.

Für den Fall, dass der Konzentrationstest negativ ausfällt oder gar nicht erst durchgeführt wird, ist anhand der Kriterien des Standards zu prüfen, ob das Akquisitionsobjekt einen Geschäftsbetrieb darstellt. Im Anhang des IFRS 3 (IFRS 3.B5 – B12) ist ein Geschäftsbetrieb wie folgt definiert: 

Ein Geschäftsbetrieb umfasst eine integrierte Gruppe von Tätigkeiten und Vermögenswerten mindestens einen Ressourceneinsatz und ein substantielles Verfahren (IFRS 3.B8).

Die drei Elemente eines Geschäftsbetriebs lassen sich wie folgt definieren:

  • Ressourceneinsatz („Inputs“): Jede wirtschaftliche Ressource, die Leistungen erzeugt oder zur Leistungserzeugung beitragen kann, wenn ein oder mehrere Verfahren darauf angewendet werden.
  • Verfahren („Prozesse“): Alle Systeme, Standards, Protokolle, Konventionen oder Regeln, die bei Anwendung auf einen Ressourceneinsatz oder auf Ressourceneinsätze Leistungen erzeugen oder zur Leistungserzeugung beitragen können.
  • Leistung („Outputs“): Das Ergebnis von Ressourceneinsätzen und auf diese angewendeten Verfahren, das es ermöglicht, Güter oder Dienstleistungen für Kunden zu erzeugen, Kapitalerträge (wie Dividenden oder Zinsen) zu erwirtschaften oder sonstige Erträge aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit zu erwirtschaften.

Bereits hier können erste Praxisprobleme bestehen, wenn z. B. eine im Aufbau befindliche Gesellschaft erworben wird oder die Gesellschaft einen relativ einfachen Geschäftszweck hat (z. B. Vermietung von Immobilien, Betrieb von Solar- oder Windanlagen). Da eine Kaufpreisallokation nur im Falle des Vorliegens eines Geschäftsbetriebs durchzuführen ist, wird diese Fragestellung in der Praxis sehr detailliert und einzelfallbezogen beleuchtet. Sollte kein Geschäftsbetrieb im Sinne des Standards vorliegen, findet dieser entsprechend keine Anwendung und die Regelungen des IFRS 3.2b sind zu beachten. 

Fair Value Bilanz

Bei Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses im Sinne des IFRS 3 ist für das erworbene Unternehmen auf den Erwerbszeitpunkt, wie oben erwähnt, eine Fair Value Bilanz zu erstellen. Potenzielle stille Lasten bzw. stille Reserven sind zu identifizieren, aufzudecken und gemäß dem Fair Value Konzept (IFRS 3, IFRS 13, DRS 4) zu bewerten. Dabei ist jede einzelne Bilanzposition daraufhin zu untersuchen, ob der sich aus der originären Buchführung ergebende Wert bereits dem beizulegenden Zeitwert bzw. Fair Value entspricht, d. h. dem Wert, den ein potenzieller Erwerber bereit wäre, für den jeweiligen Vermögenswert bzw. die Verbindlichkeit zu bezahlen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Identifizierung und Bewertung von immateriellen Vermögenswerten, welche vorher nicht bilanziert werden durften.

Käuferspezifische Synergien, die im Kaufpreis ggf. mit vergütet wurden, dürfen bei der Bewertung der einzelnen Vermögenswerte nicht berücksichtigt werden. Vielmehr ist bei der Bewertung auf einer Planung aufzusetzen, welche die Synergien (echte vs. unechte Synergien) berücksichtigt, die ein durchschnittlicher Erwerber ansetzen würde. Ggf. muss hier für Zwecke der Rechnungslegung ein eigenes Planszenario erstellt werden, welches „durchschnittliche“ Synergien enthält. 

Abbildung 1: Klamar N., Sommer U., (2013). Die Kaufpreisallokation aus Managementperspektive. In Klamar N., Sommer U., Weber I. (Hrsg.), Der effiziente M&A Prozess (S. 197-216).

Bezüglich der Aufdeckung stiller Reserven bestehen im Falle von Share Deals häufig unterschiedliche Regeln für die steuerrechtliche Bilanzierung. Die sich dadurch ergebenden temporären Differenzen zwischen der Steuerbilanz und der IFRS-Bilanz führen zu der Bildung von latenten Steuern, welche über die, der Bewertung zugrunde liegende, Restnutzungsdauer ratierlich aufgelöst werden. Eine Besonderheit stellt hier der Goodwill dar. Nach IAS 36.10 handelt es sich um einen Vermögenswert mit unbegrenzter Nutzungsdauer, welcher folglich dem Impairment-Only-Ansatz unterliegt. Im Gegensatz dazu wird der Geschäfts- oder Firmenwert z. B. nach HGB über dessen planmäßige Nutzungsdauer abgeschrieben (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB). Es gibt jedoch Überlegungen seitens des IASB, den Goodwill wieder ratierlich abschreiben zu lassen. Diese Diskussion wird aktuell kontrovers im IASB geführt. Die aktuelle Tendenz geht von einer Beibehaltung des Impairment-Only-Ansatzes und keiner Rückkehr zur planmäßigen Abschreibung aus. Dafür sollen Verbesserungen der Notes sowie Vereinfachung der Value-in Use-Ermittlung umgesetzt werden. 

Immaterielle Vermögenswerte

Von besonderer Relevanz für die Ergebnisse einer PPA sind regelmäßig die identifizierten immateriellen Vermögenswerte. Diese müssen zunächst die allgemeinen Ansatzkriterien erfüllen, um überhaupt berücksichtigt werden zu dürfen. 

Als Beispiele, welche auch in der Praxis regelmäßig anzutreffen sind, führt der IDW S 5 (Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte) unter anderem marketingbezogene (Marken, Domains), kundenorientierte (Kundenlisten, Auftragsbestände, Kundenbeziehungen), technologiebasierte (Software, Prozesse oder Rezepturen, (un-)patentierte Technologien), kunstbezogene (Rechte an Musikstücken oder Fernsehprogrammen) sowie auf vorteilhaften Verträgen oder Rechten (Lizenzen, Mietverträge, Wettbewerbsverbote) basierende immaterielle Vermögenswerte an.

Zur Bewertung der vorgenannten Vermögenswerte ist zunächst eine hinreichende Abgrenzung der einzelnen Vermögenswerte voneinander notwendig. So kann es bei der Bewertung von bspw. kundenorientieren Vermögenswerten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den zum Bewertungsstichtag vorhandenen Auftragsbeständen und den (nichtvertraglichen) Kundenbeziehungen geben. Einer genauen zeitlich bezogenen Zuordnung der Zahlungsströme zu dem einzelnen Vermögenswert folgt ebenfalls das Erfordernis einer klar zuordenbaren Marge zur Ermittlung der relevanten Zahlungsströme.

Geschäfts- oder Firmenwert / negativer Unterschiedsbetrag

Der Goodwill ergibt sich als Residualgröße zwischen Kaufpreis und dem neubewerteten Eigenkapital. Der Goodwill beinhaltet Komponenten, die nicht zu selbstständig ansetzbaren Vermögenswerten führen, wie z. B. der Belegschaft, Image des Unternehmens, der Zugang zu neuen Märkten oder Synergien, die nicht angesetzt bzw. anderweitig berücksichtigt werden dürfen.

Es gibt vereinzelte Fälle, in denen Unternehmen unterhalb ihres beizulegenden Zeitwerts verkauft werden. Dies kann vor allem dann vorkommen, wenn sich das zu erwerbende Unternehmen in einer Restrukturierung bzw. gar in einem Insolvenzverfahren befindet, oder die Veräußerung unter hohem Zeitdruck stattfinden muss. Übersteigt der beizulegende Zeitwert des Eigenkapitals den vereinbarten Kaufpreis, entsteht zunächst ein negativer Unterschiedsbetrag. Dieser ist nach einer erneuten Überprüfung, ob insbesondere alle übernommenen Schulden identifiziert wurden, gem. IFRS 3.34 in der Periode des Erwerbs sofort erfolgswirksam als Ertrag zu realisieren und erhöht folglich das Eigenkapital. 

Herausforderungen bei der Durchführung

Kaufpreis / Übertragene Gegenleistung

Die für das übertragene Unternehmen erbrachte Gegenleistung besteht mittlerweile nur noch in sehr seltenen Fällen lediglich aus einer einzelnen Barkaufpreiskomponente. Neben der Bewertung der einzelnen Vermögenswerte zählt die Bestimmung der Anschaffungskosten daher mittlerweile zu den anspruchsvollsten Teilen der Kaufpreisallokation. 

Kaufverträge („Share Purchase Agreements“ / „SPA“) enthalten vermehrt kaufpreisrelevante Klauseln, welche im Rahmen der Kaufpreisallokation zu untersuchen sind und regelmäßig zu Nachfragen aufseiten der Wirtschaftsprüfer führen. Mittels bedingter Gegenleistungen in der Form von Earn-Outs oder gegenseitiger, häufig symmetrischer, Optionsvereinbarungen, sollen, oder wollen, die Verkäufer weiterhin an dem zukünftigen Erfolg der Gesellschaft beteiligt werden. Aber auch Rückbeteiligungen, sprich Gewährung von Unternehmensanteilen an dem erworbenen Unternehmen oder einer übergeordneten Unternehmenseinheit, sind in der Praxis immer häufiger anzutreffen.

Earn-Outs

Earn-Outs werden typischerweise vereinbart, wenn zwischen Käufer und Verkäufer unterschiedliche Vorstellungen im Hinblick auf die zukünftige Unternehmensentwicklung bestehen. Die Planung des Verkäufers zeigt typischerweise eine glänzende, oftmals sehr steile, Entwicklung des Unternehmens (sog. „Hockeystick-Planung“) auf. Die Einschätzung des Käufers ist hingegen meist konservativer. Mittels eines Earn-Outs erhält der Verkäufer, z. B. drei Jahre nach Kaufvertragsunterzeichnung bzw. Closing, eine Nachzahlung für die (hoffentlich) erbrachte Performance. Oftmals soll auch für ehemalige Eigentümer, die ggf. im Management des Unternehmens verbleiben, ein Leistungsanreiz zum weiterhin vollen Einsatz geschaffen werden.

Earn-Outs sind gem. IFRS 3.37ff. grundsätzlich bereits als Teil der Gegenleistung zu berücksichtigen. Die Bewertung erfolgt in aller Regel auf Basis der zugrunde liegenden Unternehmensplanung. Als weitere Input-Faktoren werden u. a. Einschätzungen zu Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmter Szenarien benötigt und renditebezogene Hurdle Rates erhoben. Aus den einzelnen Szenarien wird dann mittels eines wahrscheinlichkeitsgewichteten Discounted-Cashflow (DCF) Modells der Fair Value der Earn-Out-Klausel errechnet. 

Der Barwert eines erwarteten Earn-Outs ist bereits zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung als Bestandteil der Anschaffungskosten zu aktivieren. Dabei ist für die Bewertung die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen und zu beurteilen, damit der Erhöhungsbetrag verlässlich geschätzt werden kann. Korrespondierend ist eine Rückstellung in Höhe des Erfüllungsbetrags zu passivieren. Die Rückstellung ist in den Folgeperioden erfolgswirksam aufzuzinsen und zu jedem Bilanzstichtag mit der dann gültigen Planung neu zu bewerten.

Put-Call-Vereinbarungen

Bei Transaktionen, bei denen weniger als 100 % der ausstehenden Anteile erworben werden, finden sich oftmals Optionsvereinbarungen im SPA. Häufig sind diese derart ausgestaltet, dass dem Erwerber eine Call-Option und dem Veräußerer eine Put-Option zugesichert wird. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind hierbei vielschichtig.

Prinzipiell ist aber für die Konsolidierung und auch die Bemessung der Gegenleistung stets festzustellen, welche Partei wirtschaftlicher Eigentümer, der an die Ausübung der Option geknüpften Anteile ist. Maßgeblich hierfür ist, wer bis zum Zeitpunkt der Ausübung die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken der Anteile trägt. Ist der Erfüllungswert der Optionen vertraglich festgelegt, ist oftmals der Erwerber als wirtschaftlicher Eigentümer einzustufen. Sind die Put- und Call-Optionen darüber hinaus symmetrisch ausgestaltet, ist anzunehmen, dass die Anteile an den Erwerber übergehen werden. Es handelt sich um einen sog. synthetischen Forward. Folglich sind die Optionsanteile schon zum Erwerbszeitpunkt dem Erwerber zuzuordnen und werden bereits konsolidiert. 

Demgegenüber stehen Optionsvereinbarungen, bei denen der Erfüllungswert, ähnlich den Earn-Out Vereinbarungen, an eine zukünftige Erfolgsgröße gebunden ist. In diesen Fällen ist der Erfüllungswert vom Fair Value im Ausübungszeitpunkt abhängig, weshalb die Risiken aus der zukünftigen Geschäftsentwicklung beim Veräußerer verbleiben. Der Barwert des erwarteten Erfüllungsbetrags ist zum Erwerbszeitpunkt gem. IFRS 3.40 als Finanzverbindlichkeit anzusetzen. Diese bildet den möglichen Abfluss finanzieller Mittel durch die Ausübung der Put-Option in der Bilanz ab.

Die Herausforderung bei der Abbildung von Put-Call-Vereinbarungen ist neben der komplexen Bewertung dann oftmals die korrekte Abbildung der Auswirkungen auf die Konsolidierung. Geringfügig veränderte Parameter können hier z. B. den Ausschlag geben, ob der beabsichtigte 70 %-Erwerb Eingang in die Bilanz findet oder ob im wirtschaftlichen Sinne bereits 100 % zu konsolidieren sind. Neben der Beurteilung der Konsolidierung ist zudem auch ein sog. „Redemption amount“ zu bewerten und zu passivieren. Die Bilanzierung von solchen Vereinbarungen wird in der Kommentarliteratur nicht immer einheitlich bewertet. So kann es fallweise abhängig vom Abschlussprüfer sein, wie dieser eine solche Put-Call-Vereinbarung einschätzt – dies ist stark vom Einzelfall abhängig.

Bewertungsverfahren für immaterielle Vermögenswerte 

Der IDW S 5 beschreibt in den Grundsätzen für die Bewertung immaterieller Vermögenswerte drei grundsätzlich anzuwendende Bewertungsverfahren: Marktpreisorientierte (1. Hierarchiestufe), kapitalwertorientierte (2. Hierarchiestufe) und kostenorientierte Verfahren (3. Hierarchiestufe). 

Bei den marktpreisorientierten Verfahren wird auf beobachtbare Marktpreise aus Transaktionen mit hinreichend vergleichbaren Vermögenswerten zurückgegriffen. Aufgrund von häufig nur stark eingeschränkt verfügbaren Vergleichstransaktionen wird anstatt eines marktpreisorientierten Verfahrens häufig auf ein kapitalwertorientiertes Verfahren zurückgegriffen. 

Die kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren beruhen auf der Annahme, dass sich der Wert eines Vermögenswerts aus dessen Eigenschaft ergibt, künftig Erfolgsbeiträge in Form von Cashflows zu erwirtschaften. Der Wert eines Vermögenswerts ergibt sich folglich aus der Summe der zum Bewertungsstichtag abgezinsten erzielbaren Cashflows während einer bestimmten erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Zu den (typischerweise) anwendbaren Bewertungsverfahren gehören die Lizenzpreisanalogiemethode, die Residualwertmethode und die Mehrgewinnmethode. Diese Verfahren werden häufig für die Bewertung der immateriellen Vermögenswerte angewendet. Im Rahmen der PPA werden die DCF-Methoden in der Praxis am häufigsten angewandt. Gleichzeitig ist das Volumen an zu beschaffenden Daten hier am höchsten. Zudem ist es notwendig die Cashflows aus den Plandaten so zu separieren, dass sie eindeutig einem Vermögenswert zugeordnet werden können. 

In der nachfolgenden Grafik ist beispielhaft die Komplexität der Bewertung einer Kundenbeziehung mithilfe der Mehrgewinnmethode („Multi-Period Excess Earnings Method“ / „MEEM“) dargestellt. Im Beispiel soll es sich um einen Maschinenhersteller handeln, der zum Bewertungsstichtag zu einer Gruppe von Kunden langfristige Beziehungen pflegt. Auf der Basis historischer Verhältnisse werden dann die auf die Kundenbeziehung entfallenen Umsatzerlöse der Unternehmensplanung abgeleitet, 150 Millionen Euro im ersten Planjahr. Aus der Analyse historischer Kundendaten ergibt sich eine durchschnittliche Laufzeit der Kundenbeziehungen von fünf Jahren. Entsprechend werden die relevanten Umsatzerlöse über einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschmolzen, da angenommen wird, dass sich die Kunden nach fünf Jahren vollständig umgewälzt haben.

Durch Multiplikation der relevanten EBITDA-Marge (Analyse vorausgehend) ergibt sich der EBITDA-Beitrag der Kundenbeziehungen je Periode. In einem nächsten Schritt werden fiktive Leasingzahlungen („Contributory Asset Charges“ / „CACs“) für die Generierung der Umsatzerlöse beitragende Vermögenswerte abgezogen. Diese ergeben sich i.d.R. als Verhältnis des Vermögenswerts zum Umsatz (z. B. Net Working Capital, Sachanlagevermögen und Belegschaft) oder als Lizenzrate (z. B. Marken, Technologien). Letztere können bspw. von externen Anbietern spezialisierter Datenbanken bezogen werden.

Für die Berechnung der laufzeitäquivalenten Kapitalkosten ist die Bestimmung einer Gruppe vergleichbarer börsennotierter Unternehmen („Peer Group“) nötig. Ein Unternehmen ist typischerweise als vergleichbar einzustufen, wenn es ein ähnliches Risikoprofil wie das zu bewertende Unternehmen aufweist. Anschließend werden mithilfe von Kapitalmarktdaten (Beispielhafte Quellen: Bloomberg, S&P Capital IQ, Bundesbank, FED, IDW) das Peer Group Beta, der risikofreie Zins und die Fremdkapitalkosten bestimmt.

Durch Abzinsung der abgeleiteten Cashflows ergibt sich der Barwert des Vermögenswerts. Nach Berücksichtigung des abschreibungsbedingten Steuervorteils („Tax Amortisation Benefit“ / „TAB“) ergibt sich der Fair Value gemäß den Vorgaben des IFRS 13.

Insgesamt sind für das Bewertungsmodell sechs Parameter zu beschaffen, welche zum Teil auf weiteren Inputdaten beruhen. In Einzelfällen lässt sich aufgrund nicht belastbarer, oder gar mangelnder Datengrundlage keines der bereits erwähnten Bewertungsverfahren verwenden. In diesen Fällen stehen noch die kostenorientierten Verfahren alternativ bereit. Die Reproduktions- und die Wiederbeschaffungskostenmethode haben allerdings den Nachteil gemein, dass der zukünftige Nutzen aus dem Vermögenswert allenfalls mittelbar im Bewertungskalkül berücksichtigt wird. Daher werden diese Verfahren regelmäßig nur zu Plausibilisierungszwecken für bspw. die Bewertung von Software oder Technologien verwendet. Werden im Rahmen der PPA auch materielle Vermögenswerte, wie bspw. Sachanlagen und Vorräte, neu bewertet, so erfolgt dies regelmäßig mittels kostenorientierter Verfahren unter Berücksichtigung einer entsprechenden (vermögenswertspezifischen) Indexierung solcher Kosten.

Implikationen für Bilanz und Unternehmenssteuerung

Regelmäßig wird in der Presse die Höhe der Goodwill in den Bilanzen der Unternehmen – insgesamt 318 Mrd. Euro im Fall der DAX30-Unternehmen zu Ende 2019 – und die damit verbundene Gefahr von Wertminderungen thematisiert. Insbesondere durch die anhaltende Covid-19-Pandemie erhöht sich die Wahrscheinlichkeit drohender Wertminderungen.

Werden im Verhältnis zum Kaufpreis viele stille Reserven aufgedeckt, ergibt sich ein relativ niedriger Goodwill. Zwar fallen auf die aufgedeckten Vermögenswerte zusätzliche Abschreibungen an, jedoch erhöht das die Planungssicherheit, da durch das (potenziell) geringere Impairment-Risiko die erwartete Einkommensvolatilität geringer ausfällt. Gegensätzliche Auswirkungen ergeben sich, wenn im Rahmen der PPA relativ wenige stille Reserven aufgedeckt werden und der Großteil des Kaufpreises als Goodwill bilanziert wird.

Die Auswirkungen auf die Bilanz und GuV des erwerbenden Unternehmens sind bei größeren Unternehmenszusammenschlüssen oftmals immens. Durch die Aufdeckung stiller Reserven ergeben sich höhere Abschreibungen, welche das EBIT und somit das Unternehmensergebnis entsprechend belasten. Wenn die PPA und die damit verbundenen nachgelagerten Abschreibungen in aller Regel auch keine Auswirkung auf die zukünftigen Cashflows haben, bleibt dennoch die Frage, ob die Auswirkungen auf die zukünftigen Kennzahlen (z.B. EBIT und EPS) von Finanzanalysten korrekt erkannt und bereinigt werden. An solche Kennzahlen gebundene Vergütungssysteme können das Verhalten der verantwortlichen Führungsmitarbeiter maßgeblich beeinflussen. 

Praxistipp für die Kaufpreisallokation bei Unternehmenszusammenschlüssen

Je nach Transaktionsvolumen können die Ergebnisse der PPA maßgebliche Auswirkungen auf die Vermögens- und Ertragslage des Erwerbers haben und spielen somit auch in der Kommunikation mit Investoren und den Kapitalmärkten eine wichtige Rolle. In Abhängigkeit der Anpassungen im Rahmen der PPA ergeben sich signifikante Einflüsse auf das EBIT und weitere Kennzahlen.

Um diese Einflüsse frühzeitig zu erkennen und steuern zu können, empfiehlt es sich die PPA in den M&A-Prozess zu integrieren. Wird eine PPA vor Closing einer Transaktion durchgeführt, spricht man von einer Pre-Deal PPA. Somit lassen sich frühzeitig mögliche Einflüsse auf die Bilanz und die zukünftige Ertragslage abschätzen. Eine Finalisierung der Ergebnisse erfolgt dann regelmäßig nach Abschluss der Transaktion. Eine solche Einbindung schafft mehr Transparenz im Hinblick auf die künftige Konzernbilanz des Erwerbers. Zudem kann frühzeitig geklärt werden, wie sich unterschiedliche im SPA vereinbarte Kaufpreisbestandteile auf die Bilanzierung auswirken.

Die Durchführung der PPA erfordert umfangreiches Fach- und Methodenwissen, Zugang zu Datenbanken für die Informationsbeschaffung und tiefgreifende Praxiserfahrung im Financial Modeling. Als erfahrene Berater stehen wir Ihnen über den gesamten Prozess unterstützend zur Seite und leiten Sie sicher durch jeden einzelnen Schritt, von der gemeinsamen Identifikation, über die strukturierte Datensammlung, den Aufbau eines nachvollziehbaren Bewertungsmodells, das sämtlichen Bewertungsansprüchen entspricht, bis hin zu einer prüfungs- und DPR-erprobten Dokumentation. Wir legen besonderen Wert darauf, Ihnen während des gesamten Prozesses alle Ermessensspielräume offenzulegen und mit Ihnen gemeinsam die Auswirkungen, Vor- und Nachteile unter Beachtung der bilanziellen Folgen zu diskutieren.

Vielen Dank an meine Co-Autoren Björn Prawetz und Robin Seidel.

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Autor dieses Artikels

Nils Klamar

Partner

Chartered Financial Analyst (CFA)

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