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Die zweite Änderung der Steueroasenabwehrverordnung vom 20. Dezember 2023 erweitert die Abwehrmaßnahmen gegen nicht kooperative Staaten unter Einbeziehung von Russland. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 30. November 2023 den Entwurf eines Schreibens zur Anwendung des Steueroasenabwehrgesetzes vorgelegt und ordnet einige praxisrelevante Auslegungsfragen ein.
Das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) sieht steuerliche Mitwirkungs- und Abwehrmaßnahmen vor. Sie haben das Ziel, Geschäftsvorgänge mit bestimmten nicht kooperativen Jurisdiktionen einzudämmen und steuerlich zu sanktionieren. Die gemäß StAbwG nicht kooperativen Länder richten sich grundsätzlich nach der EU-Blacklist, wobei diese Länder in der gesonderten (deutschen) Steueroasenabwehrverordnung zu benennen sind. Die zweite Änderung der Steueroasenabwehrverordnung ist am 20.12.2023 veröffentlicht worden. Darin werden als nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete ausgewiesen (Hervorhebung der zum 20.12.2023 neu aufgenommenen Gebiete): Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Belize, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Russische Föderation, Samoa, Seychellen, Trinidad und Tobago, Turks- und Caicosinseln, Amerikanische Jungferninseln, Vanuatu. Die Abwehrmaßnahme gegen die neu aufgenommenen Gebiete, die nunmehr unter anderem auch Russland betreffen, sind dem Regelungskonzept des StAbwG entsprechend, zeitlich gestaffelt anzuwenden:
1. verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung(§ 9 StAbwG): Sind unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu mehr als 50 Prozent (beherrschende Beteiligung i.S. des § 7 Abs. 2 AStG) an einer in einem der oben genannten Länder ansässigen Gesellschaft beteiligt, ist die ausländische Gesellschaft – unabhängig von ihrer Aktivität i.S. des § 8 AStG – als Zwischengesellschaft für ihre gesamten niedrig besteuerten Einkünfte anzusehen mit der Folge, dass sämtliche niedrig besteuerte Einkünfte der deutschen Gesellschaft steuerpflichtig hinzugerechnet werden. 2. Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG): Die Anwendung des § 50a Absatz 2 Satz 1 EStG, der einen Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen vorsieht, wird auf folgende Einkünfte der in nicht kooperativen Ländern ansässigen Personen erweitert (Quellensteuersatz 15 %):
Bei Vorliegen dieser Geschäftsbeziehungen sind die inländischen Geschäftspartnerinnen und -partner verpflichtet, einen Steuerabzug in Höhe von 15 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag der gesamten Einkünfte einzubehalten und an den inländischen Fiskus abzuführen. Zu diesen Einkünften äußert sich der Entwurf des BMF-Schreibens „Grundsätze zur Anwendung des Steueroasenabwehrgesetz“ vom 30.11.2023, zu dem die Verbände bis zum 9.1.2024 Stellung nehmen konnten. Im Folgenden wird die in diesem Entwurf wiedergegebene Rechtsauffassung dargestellt: Erfasst sind danach von § 10 StAbwG natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die in nicht kooperativen Ländern ansässig sind (Tz. 25 des Entwurfs). Die Quellensteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger – ansässig im nichtkooperativen Staat – zufließt (entsprechend § 50 a Abs. 5 Satz 1 EStG). Kann dieser Zeitpunkt nicht bestimmt werden, ist hilfsweise auf den Zeitpunkt des Abflusses beim Vergütungsschuldner abzustellen (Tz. 26 und 27 des Entwurfs). Der Einkünftekatalog des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAbwG ist nach dem Entwurf des BMF-Schreibens subsidiär gegenüber dem Einkünftekatalog des § 49 EStG (Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte). Beispiel (Tz. 29 des Entwurfs): Aufnahme eines Darlehens durch ein inländisches Unternehmen bei einer Gesellschaft, die in einem nicht kooperativen Steuergebiet ansässig ist. Für dieses Darlehen ist eine Grundschuld an einem inländischen Grundstück im Grundbuch eingetragen. Nach Tz. 30 des Entwurfs ist § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c) Doppelbuchstabe aa) EStG anzuwenden. § 10 StAbwG soll keine Anwendung finden. Ein Steuerabzug erfolgt nicht nach dieser Vorschrift, ist aber vom örtlich zuständigen Finanzamt in der Regel nach § 50a Abs. 7 EStG anzuordnen, wenn die Zinsen an einen Gläubiger in einem nicht kooperativen Land fließen. § 10 Abs. 1 Satz 2 StAbwG setzt voraus, dass die Einkünfte i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 StAbwG bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Besteuerung unterlägen und die gewährten Vergütungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von unbeschränkt Steuerpflichtigen bei deren Veranlagung berücksichtigt werden könnten.Beispiel (Tz. 58 des Entwurfs): Das inländische Unternehmen zahlt Zinsen an eine Gesellschaft, die in einem nicht kooperativen Staat ansässig ist. Die Zinsaufwendungen unterfallen teilweise der Zinsschrankenregelung des § 4h EStG. Die Zinsschranke löst nur eine temporäre Abzugsbeschränkung aus, da ein EBITDA-Vortrag und ein Zinsvortrag geltend gemacht werden kann. Solche temporären Betriebsausgabenabzugsbeschränkungen schließen die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAbwG nach dem Entwurf nicht aus. Bei den einzelnen Einkunftsarten beinhaltet der Entwurf unter anderem (nachfolgende Aufzählung ist nicht vollständig) folgende Hinweise: Zu den Finanzierungsbeziehungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAbwG) stellt der Entwurf klar, dass beim Finanzierungsleasing auf die Nutzungsüberlassung entfallende Vergütungen nicht dem § 10 Abs. 1 Satz 1 StAbwG unterfallen (Tz. 34 des Entwurfs). Ferner ist bei überhöhten Zinszahlungen, zum Beispiel an die Muttergesellschaft, die in einem nicht kooperativen Staat ansässig ist (z.B. 8 % statt 3% = unterstellter drittvergleichskonformer Zinssatz), der Anteil, der als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert werden kann, der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a) Doppelbuchstabe aa) EStG und dem Kapitalertragssteuerabzug (zzgl. Solidaritätszuschlag) zu unterwerfen. Bei Dienstleistungen (§ 10 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 StAbwG) stellt bereits der Gesetzeswortlaut klar, dass Nutzungsüberlassungen nicht dem Dienstleistungsbegriff unterfallen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 StAbwG). So wird beispielsweise erläutert, dass für Schiffsvercharterungen eine Aufteilung in Nutzungsentgelte und Dienstleistungen vorzunehmen ist (Tz. 49 des Entwurfs). Zum Warenhandel (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAbwG) wird ausgeführt, dass sich dieser auf den Handel mit im Wesentlichen unveränderten Waren beschränkt (Tz. 53 des Entwurfs). Bei einer Rohstoffgewinnung oder Produktionstätigkeit liegt regelmäßig kein Handel vor (Tz. 53 des Entwurfs). Eine bloße Neukonfektionierung stellt keine eigenständige Tätigkeit dar und es liegt in solchen Fällen ein Handel mit Waren vor (Tz. 53 des Entwurfs). Zu den Registerfällen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAbwG) wird ausgeführt, dass von § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAbwG nur die reinen Registerfälle fallen, deren einziger inländischer Anknüpfungspunkt die Eintragung des Rechts in ein inländisches Buch oder Register ist. Bestehen weitere Inlandsanknüpfungspunkte kann eine vorrangige inländische beschränkte Steuerpflicht nach § 49 EStG bestehen (Tz. 55 des Entwurfs).
Wird die Quellensteuer nicht einbehalten haftet der Vergütungsschuldner nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StAbwG i.V.m. § 50 a Abs. 5 Satz 2 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer (Tz. 62 des Entwurfs).
3. Nichtanwendung von Doppelbesteuerungsabkommen: Abkommensvorteile werden nicht gewährt („qualifizierter Treaty-override“ gem. § 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG). 4. Erhöhte Mitwirkungspflichten(§ 12 StAbwG): Steuerpflichtige haben über Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen (auch mit nicht verbundenen) in den nicht kooperativen Staaten umfangreiche Aufzeichnungen zu erstellen und diese – ohne Aufforderung – innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Geschäftsjahres an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Diese gegenüber § 90 AO erhöhte Mitwirkungspflicht besteht auch dann, wenn keine der anderen in § 8 bis 11 StAbwG aufgeführten Maßnahmen greift (Tz. 77 des Entwurfs).
Der Entwurf des BMF-Schreibens stellt klar, dass bezogen auf den einzelnen Geschäftsvorgang nur eine Abwehrmaßnahme Anwendung findet (Tz. 74). Ferner nimmt der Entwurf zum Konkurrenzverhältnis zwischen den §§ 8 – 10 StAwG und § 10 AStG, zu § 2 AStG, zu § 11 AStG und zu bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (Treaty override durch § 1 Abs. 3 Satz 1 StAbwG) Stellung (Tz. 82 ff des Entwurfs).
Zudem ist über jede grenzüberschreitende Steuergestaltung mit Unternehmen in nicht kooperativen Staaten ohnehin schon deshalb eine Mitteilung an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vorzunehmen, weil mit der Aufnahme der nicht kooperativen Staaten in die EU-Blacklist oder die entsprechende OECD-Liste diese Meldepflicht ausgelöst wird (§§ 138 d Abs. 2 Nr. 3d, 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb). Im Gegensatz zu den Mitteilungspflichten nach § 12 StAbwG bedarf es hierfür keines weiteren innerstaatlichen Umsetzungsaktes. Wird nur das Kennzeichen des § 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) AO erfüllt, gilt die Meldepflicht nach § 138d AO allerdings nur für Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, wohingegen § 12 StAbwG auch die Zahlungen zwischen unverbundenen Unternehmen betrifft.
Bei Fragen zum grenzüberschreitenden Waren- und Zahlungsverkehr steht Ihnen unser Team Außenwirtschaftsrecht zur Seite. Sprechen Sie uns gern an!
Direkt zum BMF-Entwurf „Grundsätze zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes“ kommen Sie hier.
Matthias Chuchra, LL.M. (com.)
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