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Der Bundestag passt das Insolvenzrecht an. Das Sanierungs- und insolvenzrechtliche Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) soll überschuldeten Unternehmen in der Energiekrise bessere Planungssicherheit geben, um nicht in die Insolvenz zu rutschen.
Die derzeitigen Schwankungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten erschweren Unternehmen zunehmend die Planung. Eine Planungsrechnung ist jedoch wesentlicher Bestandteil der Fortführungsprognose bei der insolvenzrechtlichen Überschuldung. Auch in Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsverfahren müssen Unternehmen eine Finanzplanung vorlegen. Zur Erleichterung dieser Planungen hat der Bundestag am 20. Oktober 2022 Änderungen der Insolvenzordnung und des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) beschlossen. Ihr Ziel ist es, der Geschäftsführung die Unternehmensplanung zu erleichtern und zu vermeiden, dass im Kern gesunde Unternehmen aufgrund von Prognoseunsicherheiten Insolvenz anmelden.
Verkürzter Prognosezeitraum bei Überschuldung
Bei der Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung hat die Geschäftsführung für die Fortführungsprognose grundsätzlich einen Prognosezeitraum von zwölf Monaten zu Grunde zu legen. Für diesen Zeitraum muss die Fortführung des Unternehmens gesichert sein. Aufgrund der gegenwärtigen Unsicherheiten, insbesondere der stark steigenden Energiepreise, ist eine zuverlässige Prognose über einen Zeitraum von zwölf Monaten derzeit jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Daher sieht der Bundestagsbeschluss vor, den Prognosezeitraum auf vier Monate zu verkürzen. Die Fortführung des Unternehmens muss also nur noch für die jeweils nächsten vier Monate gesichert sein. Diese Regelung ist befristet bis zum 31.12.2023. Unsicherheit besteht derzeit darüber, wie die Prüfung für die Übergangszeiträume vorzunehmen ist. Beispielsweise wenn ein Unternehmen am 30.10.2023 feststellt, dass das Fortbestehen zwar für die nächsten vier Monate, aber nicht darüber hinaus gesichert ist.
Die Änderungen wirken sich auch sofort aus: Ist ein Unternehmen derzeit nach dem alten Prognosezeitraum überschuldet, aber die Frist für die Stellung des Insolvenzantrages noch nicht abgelaufen, entfällt die Antragspflicht, wenn eine Vier-Monatsprognose gestellt werden kann.
Um Insolvenzgründe zu beseitigen: Antragspflicht bei Überschuldung verlängert
Überschuldet sich ein Unternehmen (Kapitalgesellschaft), hat die Geschäftsführung sofort einen Eröffnungsantrag zu stellen. Nur wenn Aussicht besteht, die Insolvenzreife zu beseitigen, kann das Management den Antrag auch bis maximal sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung stellen. Diese Frist darf nur in Anspruch genommen werden, solange sie für erfolgversprechende Bemühungen um eine Beseitigung der Insolvenzgründe genutzt wird.
Diese Frist wird nun – ebenfalls bis zum 31.12.2023 befristet – auf acht Wochen verlängert. Die Verlängerung dieser Frist soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Vorbereitung von Sanierungsbemühungen aufgrund der aktuellen Situation mehr Zeit in Anspruch nehmen kann als bislang. Ob hierfür tatsächlich zwei weitere Wochen eine wesentliche Verbesserung darstellen, kann man bezweifeln.
Planungszeiträume für Eigenverwaltung und Restrukturierung
Schließlich ist für den Zugang zu einer Eigenverwaltung oder einem Restrukturierungsverfahren eine Finanzplanung zu erstellen und einzureichen. Für diese verkürzt sich der Planungszeitraum von sechs auf vier Monate. Auch diese Änderung soll den aktuellen Prognoseunsicherheiten Rechnung tragen und den Einstieg in gerichtliche Restrukturierungsverfahren vereinfachen. Beide Verfahren dienen dem Erhalt und der Restrukturierung unternehmerischer Wertschöpfung, wenn außergerichtliche Maßnahmen nicht mehr ausreichen und dem Management bei der Fortführung erhebliche Straf- und Haftbarkeitsrisiken drohen. Daher ist es richtig, den Zugang zu den Verfahren in der aktuellen Planungsunsicherheit zu erleichtern.
Praxishinweis: Bei Überschuldung insolvenzrechtliche Beratung einholen
Der Insolvenzgrund der Überschuldung spielt in der Praxis eine deutlich geringere Rolle als die Zahlungsunfähigkeit. Daher werden die praktischen Auswirkungen der Änderungen überschaubar bleiben. Wenn die verantwortlichen Organe die Überschuldung nicht zweifelsfrei ausschließen können, ist ihnen daher dringend insolvenzrechtliche Begleitung angeraten. Vor gerichtlichen Restrukturierungsverfahren liegen pflichtgemäßes und strafbares Handeln sehr nah beieinander – vor und nach der neuerlichen Anpassung des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts.
Wichtig ist, dass die Geschäftsführung keinesfalls von einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Allgemeinen ausgeht. Der Insolvenzgrund der Überschuldung besteht nach wie vor. Lediglich die Prognosezeiträume wurden verkürzt, was eine Erleichterung für die Fortführungsplanung bedeutet.
Anders als bei den coronabedingten Aussetzungen und Beschränkungen der Antragspflicht ist auch nicht Voraussetzung, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten kausal auf ein Ereignis, etwa höhere Energiepreise, zurückzuführen sind. Die Erleichterung gilt für alle Unternehmen, die im Falle der Überschuldung insolvenzantragspflichtig sind
Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit bleibt es bei der Pflicht zum unverzüglichen Insolvenzantrag, spätestens binnen drei Wochen. Hier gibt es, anders als in der Corona-Pandemie, keine Erleichterungen.
Dr. Alexander Fridgen
Partner
Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Dr. Adrian Bölingen
Rechtsanwalt
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