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Mit dem § 48 | GmbHG schafft der Gesetzgeber die gesetzliche Grundlage für virtuelle Gesellschafterversammlungen. Was bei der Umsetzung zu beachten ist und ob virtuelle Versammlungen als Alternative zur Präsenzversammlung taugen, erläutern Baker Tilly Partner Oliver Köster und Eden Tahmasian, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Praxisgruppe M&A/Allgemeines Handels- und Gesellschaftsrecht.
Die Gesellschafterversammlung einer GmbH stellt ein zwingendes Willensbildungsorgan dar, dessen Organisation in § 48 GmbHG normiert ist. Seit dem 01.08.22 ist die Versammlung nunmehr fernmündlich oder mittels Videokommunikation möglich. Mit dieser Ergänzung schafft der Gesetzgeber eine Grundlage, mit der die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft in Phasen einer Pandemie erhalten bleibt. Darüber hinaus trägt die Gesetzesänderung dem fortschreitenden digitalen Wandel Rechnung. Umso bedeutsamer wird die Frage nach der Umsetzung in der Praxis.
Welches Problem hat der Gesetzgeber gelöst?
Die dispositiven Bestimmungen des § 48 GmbHG enthalten Regelungen über die interne Organisation einer Gesellschafterversammlung. Normiert ist der Ablauf, die Beteiligung der Gesellschafter, sowie Ort und Zeit.
Bis zur Gesetzesänderung war unklar, ob die Voraussetzungen einer Gesellschafterversammlung vorliegen, wenn diese nur auf elektronischem Wege abgehalten wurde. Um Sicherheit zu schaffen, hatten Gesellschafter die Möglichkeit, virtuelle Kommunikationsmittel als Alternative zur Präsenzversammlung zu beschließen. Der Beschluss konnte jedoch nur mit satzungsändernder Mehrheit i.S.d. § 53 II 1 GmbHG erfolgen. Erlangte eine Gesellschaft nicht die erforderliche Mehrheit, kam es teilweise zu umständlichen Umlaufbeschlussverfahren: Die Gesellschafterversammlung wurde über eine Videokonferenz abgehalten, während die Beschlüsse aus der Versammlung erst im Anschluss allen Gesellschaftern in Textform zur Zustimmung zugesendet wurden.
Mit der Ergänzung des § 48 I GmbHG um einen Satz 2 gehört jene umständliche Vorgehensweise der Vergangenheit an. Nichtphysische Versammlungen sind neben Präsenzversammlungen gesetzlich zulässig, wenn die ausdrückliche Zustimmung aller Gesellschafter der GmbH in Textform vorliegt. Damit wird eine Beschlussfassung über Videokonferenz oder sogar telefonisch möglich.
Wie wirkt sich die Neuerung in der Praxis aus?
In der Praxis treffen nun bereits bestehende Gesellschaftsverträge mit der Neuerung im Gesetz aufeinander. Es bleibt unklar, ob Gesellschaftsverträge, die lediglich den Wortlaut des § 48 I GmbHG a.F. wiedergeben, vorrangig Anwendung finden. Ein solcher Gesellschaftsvertrag wird wohl dahingehend auszulegen sein, dass sich die Gesellschaft an der Gesetzeslage orientieren möchte und daher gerade keine eigenen Regelungen geschaffen hat. Dementsprechend schließe der Gesellschaftsvertrag nunmehr auch die Ergänzung um virtuelle Versammlungen ein.
Sind bereits detaillierte Bestimmungen über fernkommunikative Versammlungen im Gesellschaftsvertrag vorhanden, hat sich die GmbH bereits mit der Thematik auseinandergesetzt bzw. diese zumindest angedacht und eine vertragliche Vereinbarung darüber getroffen. Der autonome Wille der Gesellschafter müsste demnach die dispositiven Bestimmungen auch nach der Neuerung verdrängen.
Fraglich bleibt auch, welche Anforderung an die Zustimmung der Gesellschafter gestellt wird, wenn der Gesellschaftsvertrag eine strengere oder geringere Form als die Textform vorsieht. Oder wenn überhaupt kein Einverständnis gefordert wird. Diese Vereinbarungen könnten „besondere Bestimmungen“ i.S.d. § 45 II GmbHG darstellen, welche der Regelung des § 48 I 2 GmbHG vorgehen.
Wie sich die Neuregelung mit den Gesellschafterinteressen in Einklang bringen lässt
Sind die ersten Herausforderungen überwunden, gilt es sodann die neue Gesetzeslage mit den Gesellschafterinteressen in Einklang zu bringen. Durch die Umstellung sollten die Rechte der Gesellschafter jedenfalls keine Einschränkungen erleben. Da die Gesellschafterversammlung von einem interaktiven Meinungsaustausch lebt, empfiehlt es sich, der Präsenzversammlung vergleichbare Abläufe auch in virtuellen Versammlungen herzustellen. Hierbei kann es helfen, den Versammlungsablauf zu strukturieren und bewusst Frage- und Diskussionspausen zu schaffen. Lange Monologe der Geschäftsführung können hierdurch vermieden werden.
Da es sich in der Praxis als schwierig erweisen könnte, das Einverständnis aller Gesellschafter einzuholen, ist anzuraten, den Gesellschaftsvertrag entsprechend der Neuregelung zu modernisieren und durch einen Konsens ein eventuelles Misstrauen gegenüber Neuerungen zu vermeiden. Beispielsweise kann ein Anspruch der Gesellschafter auf eine Präsenzversammlung vereinbart werden.
Außerdem ist anzumerken, dass eine Protokollierung der Versammlung zwar nicht vorgeschrieben, aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch geboten ist.
Virtuelle Versammlungen gewährleisten Funktionsfähigkeit von Gesellschaften in unsicheren Zeiten
Eine flexiblere Handhabung der Gesellschafterversammlung war im Zuge der Corona-Pandemie und im Zeitalter der Digitalisierung abzusehen. Nun gilt es Erfahrungen im Umgang mit der neuen Form der Versammlung zu sammeln. Die Auseinandersetzung mit dem Thema lohnt sich mit Blick auf die Vorteile einer virtuellen Versammlung. Sie bietet eine unkomplizierte und kostengünstige Alternative zur Präsenzteilnahme. Insbesondere großen Gesellschaften verhilft sie zu einem beschleunigten Geschäftsverkehr und gewährleistet die Arbeits- und Funktionsfähigkeit auch in unsicheren Zeiten.
Oliver Köster, LL.M.
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