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Die Gasknappheit wirkt sich zunehmend auf alle Lebensbereiche aus, auch die Lebensmittelproduktion ist betroffen. Im Fall der hiesigen Zuckerproduzenten sendet das Kartellamt nun ein Signal an betroffene Branchen.
Die Kappung der Gasversorgung könnte auch in einigen Zuckerfabriken hierzulande erhebliche Probleme verursachen. Schlimmstenfalls könnte es zu Produktionsstillständen, einem Verderb der Zuckerrübenernte oder zu erheblichen Preisanstiegen kommen. Als Grundprodukt für die Lebensmittelproduktion würden sich übermäßige Preisspitzen beim Zucker in der gesamten Wertschöpfungskette auswirken. Diese Preisanstiege würden auch beim Verbraucher ankommen.
Um auf eine mögliche Gasmangellage vorbereitet zu sein, haben die vier in Deutschland herstellenden Zucker-Unternehmen vereinbart, sich unter Einbeziehung des Vereins der Zuckerindustrie (VdZ) gegenseitig Produktionskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Das Bundeskartellamt (BKartA) hat diese Kooperation nun einmalig und zeitlich begrenzt bis Ende Juni 2023 gebilligt.
Ein zentraler Aspekt für die Entscheidung der Bonner Behörde war, dass die Unternehmen wegen des drohenden Notstandes bei der Belieferung von Erdgas erhebliche Anstrengungen unternommen hätten, Zuckerfabriken von Erdgas auf andere Brennstoffe wie Heizöl und Kohle umzustellen. Trotzdem sei eine solche Umstellung bei einigen Fabriken in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen (zumal viele Fabriken aus Umweltschutzgründen und aufgrund staatlicher Vorgaben zuvor komplett von Kohle und Öl auf Gas umgerüstet worden seien, was kurzfristig nicht mehr rückgängig zu machen sei).
Strenger Rahmen durch Bundeskartellamt vorgegeben
Die Bereitstellung freier Produktionskapazitäten im Rahmen der Kooperation ist nur dann zulässig, wenn es durch hoheitliche energiewirtschaftliche Maßnahmen zu Kürzungen oder Kappungen der Gasversorgung kommt und als Folge zu Produktionsstillstand an einem Standort. Die Unternehmen müssen allerdings zuvor konzernintern alle ihre freien Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa nutzen und versuchen, die Zuckerrüben an einem anderen nicht mit Erdgas betriebenen Unternehmensstandort zu verarbeiten, sofern das wirtschaftlich möglich ist.
Der VdZ soll die verfügbaren freien Verarbeitungskapazitäten an den einzelnen Standorten der Zuckerunternehmen abfragen, um das Bereitstellen der Kapazitäten vorzubereiten und die Umsetzung zu gewährleisten. Zudem soll der Verband ein fortlaufendes Monitoring einführen, welche Kapazitäten auf freiwilliger Basis bereitgestellt werden können.
Ausgeklügeltes System zur Sicherstellung kartellrechtlicher Vorgaben
Da für die ermöglichte Kooperation zwangsläufig auch wettbewerblich sensible Informationen ausgetauscht werden müssten, soll dieser Informationsfluss auf ein unerlässliches Minimum reduziert werden. Die Abrechnung der Verarbeitung soll auf Grundlage der Produktionskosten erfolgen, die ein unabhängiger ökonomischer Berater bilateral und vertraulich bei den einzelnen Zuckerunternehmen anfragt.
Am Ende teilt der ökonomische Berater dem Unternehmen den jeweiligen Gesamtbetrag für die Verarbeitungskosten mit, ohne den konkreten Berechnungsansatz und die eingesetzten Daten weiterzugeben. Dadurch soll auch keine Rückverfolgung der Produktionskosten möglich sein. Da der Anlieferer auf eigene Kosten seinen Produktionsanteil beim Verarbeiter abholen soll, wird zudem sichergestellt, dass auch der jeweilige Verarbeiter keine Informationen über die weitere Verwendung des verarbeiteten Zuckers und die nachfolgenden Lieferströme und Kundenbeziehungen erhält.
Was dies für Unternehmen bedeutet
Die Entscheidung des BKartA ist ein Signal für andere Branchen, dass Kapazitätskooperationen (und andere denkbare Kooperationen) zwischen Wettbewerbern zur Überwindung der Gasmangellange unter bestimmten Prämissen ausnahmsweise kartellrechtlich zulässig sein können.
Voraussetzung ist, dass die jeweilige Branche vom Erdgas abhängig ist und bei einer Gasmangellage der Ausfall der Produktion droht. Weiter darf sich die Gasmangellage nicht oder nicht zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen durch eine Verlagerung der Produktion auf andere deutsche oder europäische Unternehmensstandorte oder durch sonstige Maßnahmen abfedern lassen. Ebenso darf eine Umstellung der verwendeten Brennstoffe in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich sein. Schließlich müsste sich der Produktionsausfall auch in erheblichem Maße auf andere Unternehmen in der Wertschöpfungskette oder die Verbraucher auswirken.
Auch wenn nach diesen Vorgaben eine Kapazitätskooperation in Betracht kommt, müssen Unternehmen zusätzlich sicherstellen, dass sie den Austausch wettbewerblich sensibler Informationen zur Abwicklung der Kooperation auf ein unerlässliches Minimum begrenzen.
Dr. Stefan Meßmer
Partner
Rechtsanwalt
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