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Die Nutzung von IT-Lösungen in Zivilprozessen hat sich mittlerweile in deutschen Gerichten etabliert – die Einbindung von Videotelefonie ist keine Seltenheit mehr. Doch wie sieht es mit der Nutzung von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) aus?
In einer dreiteiligen Serie hinterfragt das Baker Tilly Team die Chancen und Risiken sowie Vor- und Nachteile der Verwendung von VR und AR bei der Beweisführung in Zivilprozessen.
Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie einer VR-Brille ist im Zivilprozess zumindest in Deutschland – soweit bekannt – noch nicht erfolgt. Nach einer Definition der Begrifflichkeiten schauen wir in diesem Beitrag auf Praxisfälle, in welchen VR und AR bereits erfolgreich genutzt werden und welche Hürden beim Einsatz dieser Technologien bestehen.
Was ist Virtual Reality? Bei der VR wird eine digitale 360 Grad Umgebung geschaffen und die analoge Welt vollständig ausgeblendet. Die Nutzung von VR erfolgt durch spezielle Headsets (z.B. Oculus Rift), welche die virtuelle Welt unmittelbar vor die Augen des Nutzers projizieren. Die entsprechende Situation wird für die betroffenen Personen greifbar und kann flexibel dargestellt werden.
Was ist Augmented Reality? Bei der AR – auf Deutsch auch erweitere Realität – wird die analoge Welt durch Projizierung von virtuellen Elementen (Bildern, Texte oder Animationen z.B. Filter auf Social Media) ergänzt. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Smartphone-Spiel Pokémon Go.
Was ist Mixed Reality? Als Oberbegriff für VR und AR wird nicht selten der Begriff Mixed Reality (MR) verwendet, die Abgrenzung der Begriffe ist dabei nicht völlig trennscharf durchzuführen. Wir verwenden MR im Zuge dieser Beitragsserie als die Gesamtheit von AR und VR.
Einsatz von VR und AR Im Strafverfahren der sog. Polizisten-Morde von Kusel hat das Landesgericht Kaiserslautern bei der Beweisführung gegen die Täter beispielsweise bereits VR-Technologie eingesetzt. Das BKA und LKA hatten für den Prozess ein 3D-Bild des Tatorts angefertigt, auf dem die Patronenhülsen sowie das abgestellte Polizeiauto abgebildet waren. Der per VR-Brille betrachtende Vorsitzende Richter Mall soll die technischen Möglichkeiten kommentiert haben mit: „Das ist Wahnsinn.“
AR eignet sich für den Zivilprozess besonders im Bereich des zivilen Bau- und Architektenrechts. Ein mögliches Beispiel könnte die Begehung einer Baustelle sein. Über Kamera könnte der Ist-Zustand in den Gerichtssaal übertragen werden. Per AR könnte dann ein vertragsgemäß zu erwartender Baufortschritt, also der Soll-Zustand, digital über das reale Kamerabild "gelegt" werden. Hierdurch könnte eine planerische Realität sehr gut veranschaulicht werden
Aktuelle Herausforderungen und Nachteile von Virtual und Augmented Reality Die Nutzung von VR und AR erfordert entsprechende Hardware, sprich VR- und AR-Brillen. Die Brillen sind derzeit noch nicht bei den Gerichten vorhanden. In puncto Anschaffung summieren sich die Kosten im Einzelfall im mittleren dreistelligen Bereich. Hinzukommt, dass die Bedienung zumindest gewissen Vorbildungen bedarf.
Generell muss die MR-Umgebung für jeden Fall zunächst von entsprechenden Unternehmen/Sachverständigen entwickelt werden, um im Prozess eingesetzt zu werden. All diese Umstände sorgen für Kosten, die im Vergleich zu herkömmlichen Beweisführungsmethoden höher ausfallen würden. Bei den genannten Punkten handelt es sich jedoch um eher kurz- bis mittelfristige Herausforderungen.
Viel fraglicher dürfte der Umgang sein, wenn eine Partei nicht einverstanden ist mit der programmierten virtuellen Umgebung der Gegenseite. Eine Pflicht zur Programmierung einer alternativen Umgebung und der Tragung der entsprechenden Kosten ist derzeit schwer vorstellbar.
Blick in die Zukunft: Nutzung von Mixed Reality Technologien Trotz der aktuellen Herausforderungen und der noch nicht vorhandenen Gesetzeslage hinsichtlich genannter Punkte dürfte ein Fortschreiten der Nutzung von MR-Technologien nur schwer aufzuhalten sein. Die Vorteile, die VR und AR mit sich bringen, bietet massives Potenzial in der Beweisführung, welches sich die Gerichte zu nutzen machen sollten bzw. ein massiver Bedarf vorhanden sein dürfte.
Vielen Dank für die Mitwirkung am Artikel an Nils Versteeg, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Baker Tilly.
Andreas Metzner, LL.M.
Director
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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