Aufhebungsverträge: sofortige Annahme als Bedingung verstößt nicht gegen faires Verhandeln

Arbeitsrecht

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter der Bedingung der sofortigen Annahme stellt keinen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns dar. Mithilfe von Aufhebungsverträgen können Arbeitgeber die rechtlichen Hindernisse und oftmals bestehenden Unsicherheiten einer Kündigung umgehen und die Kosten einer ggf. durch den Arbeitnehmer einzureichenden Kündigungsschutzklage vermeiden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21, Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Mai 2021 – 18 Sa 1124/20

In einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2019 (Az. 6 AZR 75/18) wurde das Gebot des fairen Verhandelns als Voraussetzung der Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Verträge anerkannt. Nun hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24. Februar 2022 (Az. 6 AZR 333/21) die Voraussetzungen des fairen Verhandelns weiter präzisiert und judiziert, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Gebot des fairen Verhandelns stets anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen sei und der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrages von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig mache, für sich genommen, keine Pflichtverletzung darstelle, auch wenn dies dazu führe, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibe noch den erbetenen Rechtsrat einholen könne.

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2022 zugrundeliegenden Fall (die Entscheidung ist bisher als Pressemitteilung veröffentlicht) stritten der Arbeitgeber und die Arbeitnehmerin über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, nachdem die klagende Arbeitnehmerin einen zuvor zwischen den Parteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrages angefochten hatte, weil sie meinte, zu dessen Abschluss gezwungen worden zu sein.

Am 22. November 2019 führte der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten in den Büroräumlichkeiten des Geschäftsführers ein Gespräch mit der als Teamkoordinatorin beschäftigten Klägerin. Darin warf die Beklagte der Klägerin vor, ohne Berechtigung Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert zu haben, um einen höheren Gewinn vorzutäuschen und legte ihr einen vorgefertigten Aufhebungsvertrag, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Abkürzung der ordentlichen Kündigungsfrist auf den 30. November 2019 vorsah, zur Unterzeichnung vor. Nach einer zehnminütigen Pause unterschrieb die Klägerin den Aufhebungsvertrag. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächsverlaufs blieben streitig. Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag im Nachhinein wegen widerrechtlicher Drohung vom 29. November 2019 an, um dessen Nichtigkeit herbeizuführen und das Arbeitsverhältnis fortzuführen.

In den anschließenden Verfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, dass ihr die Beklagte für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages mit einer außerordentlichen Kündigung sowie der Erhebung einer Strafanzeige gedroht habe und ihr eine längere Bedenkzeit und die Einholung von Rechtsrat trotz ihrer ausdrücklichen Bitte von dem Geschäftsführer und dem späteren Prozessbevollmächtigten nicht gewährt worden seien. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten stattgegeben, nachdem die Klägerin vor dem Arbeitsgericht mit ihrer Klage Erfolg hatte. 

Die von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen. Bereits das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht habe nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts überzeugend ausgeführt, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und damit gegen vorvertragliche Nebenpflichten verstoßen habe. Der Senat ist zudem der Auffassung, dass auch bei einem zugunsten der Klägerin angenommenen Gesprächsverlauf nicht von einer Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung ausgegangen werden könne. Sowohl der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung als auch das Erstatten einer Strafanzeige seien für einen verständigen Arbeitgeber unter den vorliegenden Umständen möglich und zulässig.

Und selbst die von dem beklagten Arbeitgeber gestellte Bedingung, dass der Aufhebungsvertrag nur sofort angenommen werden könne, habe die Entscheidungsfreiheit der Klägerin nicht verletzt.

Die Entscheidung liegt bisher nur als Pressemitteilung vor.

Hinweis für die Praxis

Arbeitgeber dürfen gegenüber ihren Arbeitnehmern mitteilen, welche im Einzelfall rechtlich zulässigen Mittel ihnen zur Verfügung stehen und welche dieser Gestaltungsmittel sie in nächster Zukunft gegen den betroffenen Arbeitnehmer einsetzen können und ggf. werden, um ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zu sanktionieren. Dazu gehören sowohl die Abmahnung, die ordentliche und außerordentliche Kündigung als auch das Erstatten einer Anzeige, sofern das Verhalten strafrechtlich relevant ist.

Unabhängig davon sollten Arbeitgeber im Rahmen von Vertragsverhandlungen mit Arbeitnehmern stets darauf achten, dass sie keine psychische Drucksituation schaffen oder ausnutzen, die den Arbeitnehmern eine freie und überlegte Entscheidung erheblich erschwert oder unmöglich macht, um eine Anfechtung aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu vermeiden. In Anlehnung an das hier besprochene Urteil werden die Gerichte zukünftig einzelfallabhängig unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation beurteilen, ob das Gebot des fairen Verhandelns verletzt wurde oder nicht.
 

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