Kürzt Kurzarbeit Null den Urlaub?
Viele Arbeitnehmer befinden sich aufgrund der Corona-Pandemie in Kurzarbeit. Neben vielen anderen Thematiken rund um die Kurzarbeit wirft insbesondere das Zusammenspiel von Kurzarbeit und Urlaub in der Praxis immer wieder Fragen auf. Während der Kurzarbeit Null arbeiten die betroffenen Arbeitnehmer gar nicht. Kann der Arbeitgeber deshalb den Urlaub kürzen? Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten Arbeitgeber die (anteilige) Kürzung des Urlaubs wegen der Kurzarbeit in jedem Fall individualvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen ausdrücklich regeln.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat nun jüngst entschieden (Az. 6 Sa 824/20), dass Kurzarbeit Null den Urlaub (anteilig) kürzt.
Im Streitfall klagte eine Arbeitnehmerin, die seit dem 01.03.2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten in einem Betrieb der Systemgastronomie beschäftigt ist. Sie ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig und ihr stehen pro Jahr 28 Werktage bzw. umgerechnet auf ihre Teilzeittätigkeit 14 Arbeitstage Urlaub zu.
Infolge der Corona-Pandemie galt für die Arbeitnehmerin von Juni, Juli und Oktober 2020 durchgehend Kurzarbeit Null. Der Arbeitgeber hatte ihr im Jahr 2020 insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt. Er ist der Ansicht, dass mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche entstünden. Er habe deshalb den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin für 2020 bereits vollständig erfüllt.
Die Arbeitnehmerin ist dagegen der Ansicht, dass konjunkturbedingte Kurzarbeit nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolge, sondern im Interesse des Arbeitgebers. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit, da sie während der Kurzarbeit z. B. Meldepflichten unterliege. Zudem könne die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beendet werden, weswegen es an der Planbarkeit der freien Zeit fehle. Die Arbeitnehmerin verlangt daher für das Jahr 2020 den ungekürzten Urlaub von 14 Arbeitstagen.
So wie die Vorinstanz – das Arbeitsgericht Essen – hat auch das LAG Düsseldorf die Klage abgewiesen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Arbeitnehmerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Daher stehe ihr der Jahresurlaub 2020 nur anteilig im gekürzten Umfang zu.
Das LAG Düsseldorf begründete dies damit, dass der Erholungsurlaub bezweckt, sich zu erholen. Dies setze eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Während der Kurzarbeit sind die beiderseitigen Leistungspflichten aber aufgehoben, sodass Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln sind, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist. Daher war der Urlaub für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um ein Zwölftel zu kürzen.
Das LAG Düsseldorf betonte zudem, dass dies dem Europäischen Recht entspricht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entstehe der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG während Kurzarbeit Null nicht. Das deutsche Recht enthalte dazu keine günstigere Regelung. Es existiere weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit, noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An dieser Rechtsansicht habe auch die besondere Situation – dass die Kurzarbeit durch die Corona-Pandemie veranlasst ist – nichts geändert.
Mein Praxistipp
Das LAG Düsseldorf hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Es bleibt also abzuwarten, ob sich das BAG der Rechtsauffassung des LAG anschließt oder eine für die Arbeitnehmerin günstigere Entscheidung trifft.
Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollte die (anteilige) Kürzung des Urlaubs wegen der Kurzarbeit – sofern noch nicht geschehen – individualvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen ausdrücklich geregelt werden.
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