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Öffentliche Auftraggeber können Aufträge gezielt an Auftragnehmer vergeben, die Autisten beschäftigen. Das bietet sich zum Beispiel an, wenn es um Aufträge aus dem IT-Bereich geht. Möglich machen das neben sozialrechtlichen auch vergaberechtliche Vorschriften.
I. Was ist die Ausgangslage? Das Beschaffungswesen der öffentlichen Hand hat allein schon wegen seines hohen Volumens großen Einfluss auf zahlreiche Bereiche des Wirtschafts- und Wettbewerbsgeschehens. Bereits seit längerem können die öffentlichen Auftraggeber ihre Marktmacht nutzen, um neben den im Vordergrund stehenden Wirtschaftlichkeitserwägungen, die dem Gebot des sparsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln geschuldet sind, auch umweltbezogene oder soziale Aspekte in ihre Beschaffungsentscheidungen einfließen zu lassen. Sie werden damit ihrer allgemeinen Vorbildfunktion auch im Wirtschaftsleben gerecht.
Im Rahmen unserer Beratungstätigkeit haben wir uns mit der Frage befasst, ob ein öffentlicher Auftraggeber befugt sein kann, einen Auftrag aus der Software-Entwicklung vor dem Hintergrund der oftmals besonderen Fähigkeiten dieses Personenkreises gezielt nur an Menschen mit Autismus zu vergeben. In diesem Zusammenhang haben wir die folgenden Überlegungen angestellt, die wir bei Bedarf gerne individuell vertiefen können.
II. Was sagt das Sozialrecht? Nach § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB IX „werden Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt werden können, bevorzugt diesen Werkstätten angeboten.“ Absatz 2 der Regelung stellt insoweit Inklusionsbetriebe nach § 215 Abs. 1 SGB IX den Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne von § 219 Abs. 1 SGB IX gleich. Welche Menschen in diesem Sinne (schwer-)behindert sind, klärt § 2 SGB IX. „Behinderung“ ist hier also ein sozialrechtlicher, kein medizinischer Begriff. Der § 224 SGB IX spricht Bund und Länder an. Adressat der Verpflichtung ist die „öffentliche Hand“: Dies sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, nicht aber privatrechtlich organisierte Unternehmen, an denen Staat oder Kommunen (Mehrheits-)Anteile halten. Eröffnet ist der Anwendungsbereich der Vorschrift, sobald Beschaffungsaufträge von Behindertenwerkstätten oder Inklusionsbetrieben „ausgeführt werden können“: Ausreichend ist die technische und organisatorische Fähigkeit zur Ausführung des konkreten Auftrags. Es ist nicht erforderlich, dass Behindertenwerkstätten oder Inklusionsbetriebe den Auftrag qualitativ gleich hochwertig oder gar besser als ein herkömmliches Unternehmen bewältigen können. Zu denken ist hier beispielsweise an Gebäudeunterhalt, Grünanlagenbetreuung, Schreinerarbeiten, jährlich wiederkehrende Überprüfungen von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln. Komplexe Kontroll-, Überwachungs- und Auswertungsaufgaben oder Software-Projekte erfordern spezifische kognitive und Konzentrationsfähigkeiten, diebei Menschen mit Autismus häufig gegeben sind.
Derartige Aufträge sind nach dem Wortlaut von § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB IX den dort genannten Einrichtungen „bevorzugt anzubieten“. „Bevorzugt“ bedeutet aber nicht „ausschließlich“: § 224 SGB IX hebt nicht den im Vergabebereich grundsätzlich bestehenden Wettbewerb auf; auch Behindertenwerkstätten und Inklusionsbetriebe müssen sich in einem angemessenen Vergabeverfahren der Konkurrenz gleichartiger und herkömmlicher Unternehmen stellen. Ihre gesetzlich vorgegebene Bevorzugung, die aufgrund ihres übergreifenden sozialrechtlichen Charakters sowohl bei oberschwelligen als auch bei unterschwelligen Beschaffungen gilt, besteht in Folgendem:
Zum einen hat die öffentliche Hand bei jeder Beschaffungsmaßnahme zu prüfen, ob sich diese auch durch die genannten Einrichtungen ausführen lässt. Ist das der Fall, muss sie in angemessenem Umfang Behindertenwerkstätten und Inklusionsbetriebe in das Vergabeverfahren einbinden. Das bedeutet aber nicht, dass diese Einrichtungen einen Rechtsanspruch auf Auftragserteilung geltend machen könnten. Das konkrete Vergabeverfahren bestimmt der öffentliche Auftraggeber nach seinem pflichtgemäßen Ermessen; im Oberschwellenbereich dürfte regelmäßig das offene Verfahren angezeigt sein.
Zum anderen besteht die Möglichkeit, Werkstätten für behinderte Menschen und Inklusionsbetriebe beim Zuschlag und bei den Zuschlagskriterien zu bevorzugen, auch wenn die nach § 224 Abs. 1 Satz 2 SGB IX vorgesehenen konkretisierenden Verwaltungsvorschriften des Bundes aufgrund kompetenzrechtlicher Zweifel immer noch ausstehen. Zur näheren Ausgestaltung wird hier regelmäßig auf eine Bundesrichtlinie vom 10. Mai 2001 oder auf Erlasse der einzelnen Bundesländer für den Unterschwellenbereich zurückgegriffen, die unter anderem Hinweise zu den privilegierten Einrichtungen, den erforderlichen Nachweisen und den zulässigen Vergabeverfahren geben. Sie erlauben es zudem regelmäßig, bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten bei den gesetzlich bevorzugten Bietern einen Preisabschlag (üblicherweise 15 Prozent) zu berücksichtigen. Unabhängig davon ist die Regelung des § 224 SGB IX von verschiedenen Unklarheiten begleitet, beispielsweise zur Reichweite der Gleichstellung von Inklusionsunternehmen mit Werkstätten für behinderte Menschen.
III. Was sagt das Vergaberecht?
1. Bestimmten Auftragnehmern vorbehaltene öffentliche Aufträge nach § 118 GWB § 97 Abs. 3 GWB erlaubt es ausdrücklich, im Rahmen der Vorgaben des GWB bei der Vergabe auch „soziale und umweltbezogene Aspekte“ zu berücksichtigen. Eine solche konkretisierende gesetzliche Regelung ist § 118 GWB. Sie geht in ihrem Anwendungsbereich und in ihrer rechtlichen Wirkung deutlich über die sozialrechtlich nach § 224 SGB IX vorgegebene Bevorzugung von Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, hinaus. Beide Regelungen bestehen unabhängig nebeneinander. In § 118 GWB heißt es:
(1) „Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.“
Diese Regelung erlaubt es zwar nicht, auf den grundsätzlichen vergaberechtlichen Wettbewerb zwischen den für einen konkreten Beschaffungsauftrag geeigneten Unternehmen gänzlich zu verzichten. Sie erlaubt aber, diesen Wettbewerb auf Werkstätten für behinderte Menschen und sogenannte Sozialunternehmen zu begrenzen. Wettbewerb findet dann nur noch zwischen diesen Einrichtungen statt, die Teilnahme anderer privatwirtschaftlicher Bewerber oder Bieter ist ausgeschlossen. Von der Privilegierungsmöglichkeit Gebrauch machen können alle öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB, also auch zahlreiche juristische Personen des Privatrechts. Vergaberechtlich privilegiert sein können auf diesem Wege – unter der zusätzlichen Voraussetzung eines 30-prozentigen Beschäftigungsanteils – wiederum (anerkannte) Werkstätten für behinderte Menschen sowie sogenannte Sozial- und insbesondere Integrationsunternehmen. Diese Institutionen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie neben einer geschützten Arbeitsumgebung auch besondere Unterstützung, Förderung und Hilfestellung für die geschützten Personengruppen anbieten. Im Einzelnen ist insoweit noch einiges ungeklärt, vor allem die Bedeutung der in § 118 Abs. 1 GWB ausdrücklich angesprochenen „benachteiligten Personen“ sowie der „Programme mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen“.
§ 118 Abs. 1 Alt. 1 GWB privilegiert somit bestimmte Arten von sozialen Einrichtungen. Ob diese für den konkreten Auftrag tatsächlich Menschen mit Behinderung einsetzen, ist rechtlich unerheblich.
2. Autismus als Ausführungsbedingung nach § 128 Abs. 2 GWB An diesem letzten Punkt setzt § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB an. Diese Vorschrift erlaubt es öffentlichen Auftraggebern, „besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) fest[zu]legen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen“. Diese Möglichkeit kann mit der Beschränkung des Vergabeverfahrens auf Werkstätten für behinderte Menschen oder Inklusionsbetriebe nach § 118 GWB kombiniert werden, gilt aber auch unabhängig von § 118 GWB. Anders als § 118 Abs. 1 Alt. 1 GWB begünstigt nämlich § 128 Abs. 2 GWB nicht bestimmte Einrichtungen, sondern alle Unternehmen, die bereit sind, Menschen mit Autismus bei der Ausführung des jeweiligen Auftrags einzusetzen.
Nach unserer Einschätzung gestattet es diese Regelung, die tatsächliche Ausführung eines konkreten Auftrags (nur) durch Menschen mit sozialrechtlich festgestelltem Autismus zu verlangen und sicherzustellen. Bei den (optionalen) Anforderungen des § 128 Abs. 2 GWB handelt es sich um individuelle Vorgaben, die der öffentliche Auftraggeber an die Ausführung eines Auftrags stellen kann. Das gilt dann, wenn sie ihm zweckmäßig erscheinen, um seinen Beschaffungsbedarf optimal zu decken und/oder weitere, zum Beispiel sozialpolitische, Ziele im Sinne von § 128 Abs. 2 Satz 3 GWB durch die Beschaffung zu verwirklichen. Regelungstechnisch stellen sie vertragliche Vereinbarungen dar, die – anders als Ausschluss- und Eignungskriterien – die konkret geschuldete Handlung bestimmen.
Die gesetzlich geforderte „Verbindung mit dem Auftragsgegenstand“ gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB, also der sachliche Zusammenhang mit der konkreten Auftragsausführung, lässt sich bei verschiedenen Datenauswertungs-, Kontroll-, Überwachungs- und Software-Leistungen unserer Ansicht nach daraus ableiten, dass gerade die oftmals besonderen Fähigkeiten von Menschen mit Autismus in den Bereichen Logik, Analyse, Detailgenauigkeit, Fehler- und Mustererkennung hier eine besonders wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Erledigung der konkreten Aufgabe erwarten lassen.
Dr. Peter Czermak
Rechtsanwalt
Dr. Gina Schneider
Manager
Rechtsanwältin
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