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Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) hat die Europäische Union (EU) einen einheitlichen Rechtsrahmen zur Regulierung digitaler Dienste geschaffen.
Hauptziele der beiden Acts sind der Schutz der Grundrechte von Nutzern im digitalen Raum sowie die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zur Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.
Betroffene Dienstanbieter sehen sich infolgedessen erhöhten Compliance-Anforderungen gegenüber. In einem weiteren Beitrag werden wir vertiefend auf das Thema DSM eingehen und stellen uns zunächst einmal die Frage: Welche rechtlichen Anforderungen gehen mit der DSA einher?
Zweck der Verordnung ist es, Gefahren für Grundrechte im Zuge der digitalen Transformation entgegenzutreten. Die EU will insbesondere den Austausch von illegalen Waren, Dienstleistungen und Online-Inhalte verhindern. Daneben soll der Missbrauch von Online-Diensten durch manipulative Algorithmen und dadurch die Verbreitung von Desinformation bekämpft werden. Zudem sollen auch gewisse Durchsetzungsdefizite der DSGVO adressiert werden.
Der DSA betrifft Anbieter digitaler Vermittlungsdienste mit Angebot innerhalb der EU, unabhängig von ihrem Sitz. Die Verordnung soll jedoch darüber hinaus auch Wirkung innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) entfalten. Es wird zwischen den Dienstanbieterkategorien „reine Durchleitung“, „Caching“ und „Hosting“ differenziert. Zudem werden „Online-Plattformen“ und „Online-Suchmaschinen“ als Unterkategorien explizit hervorgehoben. Zu den konkret betroffenen Dienstanbietern zählen beispielsweise Online-Marktplätze, soziale Netzwerke, Content-Sharing-Plattformen, App-Stores und Online-Reise- und Unterkunftsplattformen. Kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz unterhalb von 10 Mio. Euro sind hingegen ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen.
Aus dem DSA ergeben sich für Dienstanbieter neben einer Meldepflicht (Näheres dazu im Abschnitt IV.) umfassende Sorgfaltspflichten. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach Art und Größe des jeweiligen Dienstanbieters und stellt sich mithin als abgestuftes Regulierungssystem dar.
Zunächst legt die Verordnung in Art. 11 bis 15 allgemeine Pflichten fest, die für alle Vermittlungsdienste Geltung entfalten. Darüber hinaus bestehen für Hosting-Dienstanbieter weitergehende Pflichten, vgl. Art. 16 bis 18. Neben diesen Pflichten gelten in Bezug auf Online-Plattformen, als Unterkategorie der Hosting-Dienste, gemäß Art. 19 bis 32 zusätzliche Anforderungen. Für Dienste, die als sehr große Online-Plattformen und -Suchmaschinen eingestuft wurden, gelten die umfangreichsten Bestimmungen der Verordnung, die zusätzlich in Art. 33 bis 43 niedergelegt sind.
Im Einzelnen haben die Verpflichtungen folgende, wesentliche Ausprägungen:
1. Verhalten in Bezug auf rechtswidrige Inhalte und Haftung Grundsätzlich müssen Vermittlungsdienstanbieter bei Hinweisen auf rechtswidrige Inhalte seitens Behörden und Gerichten entsprechende Maßnahmen zur Überprüfung und Entfernung ergreifen. Insbesondere für (Hosting-)Dienstanbieter bedeutet dies, dass sie ihre Plattformen weiterhin nicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte oder Waren und Dienstleistungen von Nutzern überwachen müssen. Es bleibt bei der gewohnten Praxis von „Notice-and-Takedown“. Es ist allerdings verpflichtend, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, um Meldungen zu ermöglichen und bei der Feststellung von Rechtsverletzungen effektiv Abhilfe schaffen zu können.
Sofern Vermittlungsdienstanbieter diesen Anforderungen entsprechen, kommt ihnen (wie bereits unter der E-Commerce-Richtlinie) eine Haftungsprivilegierung zugute. Der DSA stellt darüber hinaus klar, dass diese Privilegierung auch bestehen bleibt, wenn Dienstanbieter auf Eigeninitiative bestimmte Untersuchungen oder Maßnahmen zur Einhaltung von Rechtsvorschriften vornehmen. Vorsicht walten lassen sollten Hosting-Anbieter, die Vertragsschlüsse zwischen Unternehmern und Verbrauchern ermöglichen. Sofern das Angebot der Plattform für Verbraucher den Schluss zulässt, dass der Vertragsgegenstand oder diesen betreffende Informationen dem Dienstanbieter selbst bzw. einem zugehörigen Unternehmen zuzuordnen sind, scheidet die Haftungsprivilegierung aus. Hosting-Anbieter sollten ihre Plattform daher derart gestalten, dass eine deutliche Distanzierung zu Angeboten von Drittunternehmen erkennbar wird.
Ähnlich wie im Zuge des nationalen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) verankert der DSA konkrete Anordnungen zur Moderation der Inhalte auf Online-Plattformen sowie bezüglich der Einrichtung von Verfahren des Beschwerdemanagements. Diesbezüglich müssen Dienstanbieter künftig auch Angaben in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen machen. Es empfiehlt sich daher für Diensteanbieter, ihre AGB in dieser Hinsicht zu überprüfen und ggf. fehlende Pflichtangaben zu ergänzen.
2. Anforderungen an Gestaltung Darüber hinaus enthält die Verordnung neue Gestaltungserfordernisse. So wird z.B. geregelt, dass Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen getroffen und Online-Werbung ordnungsgemäß gekennzeichnet werden müssen. In Bezug auf Online-Werbung bedarf es künftig auch weitergehender Informationen über den jeweiligen Auftraggeber der Anzeige sowie zu den wichtigsten Parametern der Zielgruppenbestimmung. Der Einsatz auf Profiling basierender Online-Werbung ist zudem untersagt, sofern diese auf Minderjährige zielt oder auf Grundlage von sensiblen Daten, wie beispielsweise Gesundheitsdaten, erfolgt.
Darüber hinaus besteht künftig ein Verbot sogenannter „Dark Patterns“ und sogenannten „Nudging“, wobei es sich um manipulative Darstellungselemente handelt, die den Nutzer an einer freien und informierten Entscheidung hindern. Welche konkreten Elemente von diesem Verbot umfasst sind, bleibt vor dem Hintergrund der weiteren Ausgestaltung durch Leitlinien der Kommission abzuwarten.
3. Transparenzpflichten Abhängig von der Art und Größe des Dienstanbieters bzw. dessen Plattform stellt der DSA regelmäßige Berichtspflichten auf (vgl. Art. 15, 24 und 42 DSA). So müssen u.a. die Anzahl der eingegangenen behördlichen oder gerichtlichen Anordnungen und die jeweils ergriffenen Maßnahmen, Einzelheiten über die auf Eigeninitiative durchgeführte Moderation von Inhalten, die bei der Moderation von Inhalten eingesetzten automatisierten Mittel sowie die Anzahl von Nutzern und von eingehenden Beschwerden dokumentiert und offengelegt werden.
4. B-to-C-Marktplätze Betreiber von B-to-C-Marktplätzen müssen anhand der Aufforderung zur Vorlage von Kontakt- und Zahlungsdaten sowie Identitätsnachweisen sicherstellen, dass Unternehmen, die auf ihrem Marktplatz Handel betreiben vertrauenswürdig sind. Zum Zwecke des Verbraucherschutzes ist der Dienstanbieter im Falle unvollständiger oder ungenauer Daten verpflichtet, das Angebot des betreffenden Unternehmens von seinem Marktplatz zu entfernen.
5. Konsequenzen bei Verstößen Beim Auftreten von Verstößen gegen Verpflichtungen unter dem DSA stehen Aufsichtsbehörden verschiedene Durchsetzungsmechanismen zur Verfügung. Im schlimmsten Fall drohen die Sperrung der betroffenen Dienste sowie die Verhängung von Bußgeldern (bis zu 6 % des Jahresumsatzes). Daneben eröffnet die Verordnung auch privaten Akteuren die Möglichkeit, ihre Rechte selbst oder vertreten durch Verbände durchzusetzen.
16.11.2022
Beginn der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Nutzerzahlen ==> Identifizierung von sehr großen Online-Plattformen und -Suchmaschinen (mehr als 45 Mio. aktive Nutzer) durch EU-Kommissionsbeschluss
Seit dem 17. Februar 2023 sind alle vom DSA umfassten Anbieter von Online-Plattformen und -Suchmaschinen verpflichtet, die Zahl der durchschnittlichen monatlichen Nutzer ihres Dienstes zu veröffentlichen sowie der EU-Kommission zu melden. Die Veröffentlichung muss alle 6 Monate aktualisiert werden. In der Folge legt die EU-Kommission per Beschluss fest, welche Dienstanbieter als „sehr große Online-Plattformen bzw. -Suchmaschinen“ eingestuft werden. Dies geschieht, sofern die jeweilige Plattform oder Suchmaschine über mehr als 45 Mio. aktive Nutzer verfügt.
Betroffene Dienstanbieter müssen vollständig Verpflichtungen des DSA nachkommen
Die als solche eingestuften Dienstanbieter haben den Verpflichtungen des DSA spätestens 4 Monate nach dem Beschluss der Kommission Folge zu leisten.
DSA entfaltet Wirkung für alle Anbieter digitaler Dienste / Deadline für Ernennung eines Digital Services Coordinator
Ab dem 17. Februar 2024 entfalten die Bestimmungen des DSA auch für alle sonstigen Anbieter digitaler Dienste Wirkung. Darüber hinaus muss zu diesem Zeitpunkt in jedem der EU-Mitgliedsstaaten ein Digital Services Coordinator ernannt worden sein, der als zuständige nationale Behörde die Umsetzung des DSA überwachen sowie als Schnittstellen zwischen den Aufsichtsbehörden fungieren soll. Zudem ist er Beschwerdestelle für alle Nutzer und stellt den Austausch mit der Kommission sicher.
Die Verordnung ergänzt und aktualisiert die bisher in der EU geltende E-Commerce-Richtlinie und in Deutschland zudem das Telemediengesetz (TMG). Angesichts der umfassenden Übereinstimmung und des weitgehenden Verzichts auf Öffnungsklauseln im Zuge des DSA wird das bislang in Deutschland geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vor dem Hintergrund des Ziels der Vollharmonisierung voraussichtlich nur noch rudimentäre Anwendung finden.
Unter Berücksichtigung der umfassenden Ausgestaltung des DSA sowie des Ziels der Vollharmonisierung innerhalb der EU besteht künftig nur noch ein eingeschränkter Handlungsspielraum für die nationalen Gesetzgeber. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern das NetzDG angepasst wird und ggf. weiterhin Anwendung findet.
Diensteanbieter sollten zeitnah prüfen, inwieweit ihr Unternehmen von den neuen Pflichten betroffen ist und ggf. rechtzeitig Compliance-Strukturen anpassen, notwendige Änderungen ihres Angebots vornehmen sowie ihre AGB aktualisieren.
Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag lediglich einen generellen Überblick hinsichtlich der Anforderungen für digitale Online-Dienste bietet. Im Einzelfall kann die neue Regulierung weitreichende Pflichten in Bezug auf Transparenz, Moderierung und Gestaltung von Inhalten auf Plattformen bedeuten.
Teil 2: Beitrag über den Digital Markets Act
Philip Koch
Manager
Rechtsanwalt
Dr. Christian Engelhardt, LL.M.
Partner
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