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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine wegweisende Entscheidung getroffen, die öffentliche Arbeitgeber aufatmen lässt: Die dauerhafte Personalgestellung nach Ausgliederung in eine Service-GmbH fällt nicht unter die Leiharbeitsrichtlinie.
Was ist die Personalgestellung?
Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitgeber, wie etwa Kommunen, Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft, Stadtwerke, für die ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) gilt, Servicegesellschaften gründen und Aufgaben auslagern. Widersprechen Mitarbeiter, die diese Aufgaben wahrnehmen, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die neue Servicegesellschaft, werden sie häufig im Wege der Personalgestellung zur dauerhaften Arbeitsleistung überlassen. Der TVöD lässt die Personalgestellung ausdrücklich in seinem § 4 Abs. 3 zu und nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist die Personalgestellung aufgrund des TVöD vom Anwendungsbereich des AÜG ausgenommen.
Bisher war offen, ob diese nach nationalem Recht zulässige dauerhafte Personalgestellung in den Anwendungsbereich der Europäischen Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104) fällt, gegen diese verstößt und daher auch nach nationalem Recht nicht mehr zugelassen werden darf.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun mit einer aktuellen Entscheidung vom 22. Juni 2023 (EuGH v. 22.06.2023 – C-427/21) für Klarheit gesorgt. Er hat ausdrücklich festgestellt, dass eine dauerhafte Personalgestellung nach Ausgliederung nicht in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt.
Geklagt hatte ein Mitarbeiter einer in der Rechtsform einer GmbH geführten Klinik in Baden-Württemberg, deren alleiniger Gesellschafter eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände in der Fassung vom 13.09.2015 Anwendung (TVöD).
Die Klinik gliederte verschiedene Bereiche (u.a. „Poststelle“, „Archiv“ und „Bibliothek“), in denen der Kläger tätig war, im Jahr 2018 auf eine von ihr gegründete Service-GmbH aus. Diese Ausgliederung und Verlagerung der Aufgaben hätten grundsätzlich dazu geführt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Klinik auf die Service-GmbH übergegangen wäre. Der Kläger hat allerdings von seinem gesetzlich eingeräumten Recht (§ 613a Abs. 6 BGB) Gebrauch gemacht und diesem Übergang fristgemäß widersprochen.
Infolge dieses Widerspruchs blieb das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der beklagten Klinik weiter bestehen. Die Klinik hat daraufhin den Kläger im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD dauerhaft der Service-GmbH zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt. Der Kläger war mithin zwar weiterhin bei der Klinik angestellt, musste aber seine nach seinem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung bei der Service-GmbH erbringen, die ihm gegenüber auch fachlich und organisatorisch weisungsbefugt war. Seine Vergütung erhielt der Kläger nach wie vor von der Klinik.
Gegen die dauerhafte Personalgestellung und seine Verpflichtung, für die Service-GmbH tätig zu sein, erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass er trotz der Verlagerung seines Arbeitsbereichs nicht verpflichtet sei, seine Arbeitsleistung dauerhaft bei der Service-GmbH zu erbringen. Zur Begründung führte er an, dass die Regelung, die eine solche Personalgestellung erlaube, gegen das Unionsrecht und insbesondere gegen die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104 verstoße, weil sie zu einer dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung führe.
Nachdem die zuständigen Instanzgerichte die Klage abgewiesen hatten, hat der Kläger Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt. Das BAG hat das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem EuGH im Jahr 2021 Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, insbesondere dazu, ob die Leiharbeitsrichtlinie auf Fälle der Personalgestellung wie der vorliegenden anwendbar sei.
In seiner Entscheidung vom 22.06.2023 ist der EuGH zu dem Ergebnis gekommen, dass die Leiharbeitsrichtlinie auf Fälle wie dem vorliegenden nicht anwendbar sei.
Wann fällt ein Arbeitsverhältnis laut EuGH unter die Leiharbeitsrichtlinie?
Damit ein Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt, muss nach Ansicht des EuGH ein Arbeitgeber sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrages als auch bei jeder der tatsächlichen Überlassungen die Absicht haben, den betreffenden Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen nur vorübergehend zur Verfügung zu stellen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn, wie im konkreten Fall, der Mitarbeiter ursprünglich zur Erledigung von Aufgaben seines Arbeitgebers, mithin der Klinik, eingestellt worden ist und dieser bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht die Absicht hatte, ihn einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Absicht der vorübergehenden Überlassung fehlte zudem laut EuGH nicht nur im Zeitpunkt der Einstellung, sondern auch bei Überlassung an das Drittunternehmen, wenn – wie hier – das Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber nur deshalb fortbesteht, weil der Mitarbeiter von seinem Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf dieses Drittunternehmen zu widersprechen, Gebrauch gemacht hat.
Da die beklagte Klinik keinerlei Absicht hatte, den Kläger einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen und die Zurverfügungstellung auch nicht vorübergehend, sondern dauerhaft war, ist nach Ansicht des EuGH der Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie nicht eröffnet.
Die Leiharbeitsrichtlinie bezieht sich laut EuGH ausschließlich auf vorübergehende Arbeitsverhältnisse, Übergangsarbeitsverhältnisse oder zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse, nicht aber auf Dauerarbeitsverhältnisse.
Die mit der Leiharbeitsrichtlinie verfolgten Ziele der Flexibilität von Unternehmen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze oder auch der Förderung des Zugangs der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung können in den Fällen, in denen, wie hier, die von einem Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben endgültig auf ein Drittunternehmen verlagert werden und das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers aufgrund seines Widerspruchs gegen den Übergang mit seinem bisherigen Arbeitgeber bestehen bleibt, nicht erreicht werden. Zudem ist der in der Leiharbeitsrichtlinie vorgesehene Schutz der Leiharbeitnehmer für einen Arbeitnehmer wie den Kläger, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf das Drittunternehmen widersprochen hat und für den damit sämtliche Arbeitsbedingungen erhalten bleiben, nicht erforderlich und daher nicht anwendbar.
Zwar muss abschließend noch das BAG über den Fall entscheiden. Angesichts der eindeutigen Haltung des EuGH steht allerdings nicht zu befürchten, dass es die dauerhafte Personalgestellung aufgrund des TVöD nach Ausgliederung von Arbeitsaufgaben auf ein Drittunternehmen und folglich auch die Privilegierung derartiger Fälle nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b) AÜG für europarechtswidrig hält.
Nach der Entscheidung des EuGH ist damit die dauerhafte Personalgestellung nach Ausgliederung, wie sie TVöD und AÜG für öffentliche Arbeitgeber vorsehen, auch weiterhin zulässig. Damit sind auch die Befürchtungen vom Tisch, der EuGH würde den öffentlichen Arbeitgebern diese Möglichkeit nehmen, was für viele von ihnen zu ganz erheblichen personellen Problemen und zusätzlichen Kosten geführt hätte.
Gabriele Heise
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht
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