MiCAR und ESG: Anforderungen und Umsetzung für Crypto Asset Service Provider

Foto: glänzende Bitcoin-Münzen mit einem leuchtend grünen Farbton, die auf US-Dollar-Scheinen liegen.
  • 06.02.2025
  • Lesezeit 6 Minuten

Kryptowerte-Dienstleister in der Europäischen Union müssen regulatorische Anforderungen an die Offenlegung von ESG-Auswirkungen durch Crypto Assets erfüllen. Die Komplexität des Nachhaltigkeitsreportings wird oft unterschätzt.

Die „Markets in Crypto-Assets Regulation“ (MiCAR) stellt einen einheitlichen Rechtsrahmen für Kryptowerte in der Europäischen Union (EU) dar. Sie hat das Ziel, den Anlegerschutz zu erhöhen, die Marktintegrität sicherzustellen und Unternehmen durch klare regulatorische Vorgaben Rechtssicherheit zu bieten.

Gleichzeitig bringt MiCAR neue Nachhaltigkeitsanforderungen mit sich, insbesondere für Crypto Asset Service Provider (CASPs). Diese Anforderungen betreffen die Offenlegung von Nachhaltigkeitsindikatoren von Crypto Assets, um potenzielle adverse Effekte auf Umwelt und Klima für Kunden sichtbar zu machen. 

Regulatorische Anforderungen der MiCAR: Diese Indikatoren müssen berichtet werden

MiCAR trat am 29. Juni 2023 in Kraft und ist seit dem 30. Dezember 2024 vollständig anwendbar. CASPs müssen demnach Nachhaltigkeitsindikatoren offenlegen. Gemäß Artikel 66 (5) MiCAR sind sie verpflichtet, Informationen über die wichtigsten umweltbezogenen nachteiligen Auswirkungen des Konsensmechanismus zu veröffentlichen.

Entsprechend Artikel 66 (6) MiCAR hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) innerhalb von technischen Regulierungsstandards (RTS) – basierend auf den unspezifischen Anforderungen der MiCAR – konkrete Anforderungen definiert und Indikatoren festgelegt. Letztere werden in vier Gruppen unterteilt:

  • „General information“: Diese Informationen sind von allen CASPs unter allen Umständen zu veröffentlichen und inkludieren bspw. Angaben zu dem CASP sowie qualitative Informationen im Hinblick auf das Crypto Asset.
  • „Mandatory key indicator“: Hierbei handelt es sich um den wahrscheinlich wichtigsten Indikator: Den Energieverbrauch des Crypto Assets pro Jahr (ausgedrückt in kWh). Dieser Indikator – inklusive Beschreibung der dazugehörigen Erhebungsmethodik – ist ebenfalls in jedem Fall zu veröffentlichen.
  • „Supplementary information“: Diese Gruppe an Indikatoren erweitert die Nachhaltigkeitsindikatoren um Angaben bezüglich des Anteils erneuerbarer Energie am Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen. Hinzu kommen außerdem Angaben zu Energieverbrauch und Emissionen auf Transaktionsebene des Crypto Assets. Diese Angaben sind nur zwingend zu veröffentlichen, sofern der „Key Indicator“ einen Schwellenwert von 500.000 kWh pro Jahr überschreitet. Zudem sind nicht alle CASPs zur Beachtung der „Supplementary information“ verpflichtet.
  • „Optional information“: Innerhalb dieser Gruppe sind weitere Indikatoren definiert, deren Berücksichtigung im Reporting rein optional ist. Damit spielen diese Daten in der Umsetzungspraxis für CASPs i. d. R. keine Rolle.

Die ESMA hat weiterhin präzisiert, wie diese Informationen offengelegt werden müssen. Dazu gehört auch, dass diese Informationen kostenlos und verständlich über eine öffentliche Webseite bereitgestellt werden. Unternehmen sind verpflichtet, die Angaben mindestens einmal jährlich zu überprüfen und bei wesentlichen Änderungen unverzüglich zu aktualisieren. 

Insbesondere die letzte Anforderung bedeutet für die CASPs in der operativen Umsetzung u. U. hohe Aufwände, weil für die Überwachung von wesentlichen Änderungen ein kontinuierliches Monitoring aufgebaut werden muss und die Veröffentlichungen dadurch keinen „one time effort“ darstellen.

Diese Offenlegungspflichten nach Artikel 66 (5) MiCAR sollen die Transparenz im Kryptomarkt erhöhen und sicherstellen, dass Investoren und Aufsichtsbehörden verlässliche ESG-Informationen erhalten.

Umsetzung der ESG-Anforderungen: Heterogene Netzwerke machen Messung komplex

Für die praktische Umsetzung der Anforderungen gibt es für CASPs unterschiedliche Herausforderungen. Aufgrund unterschiedlicher Arten von Konsensverfahren (bspw. Proof-of-Work oder Proof-of-Stake) oder gar durch unterschiedliche Formen von DLTs (bspw. DAG oder Blockchain) sind die Netzwerke der CASPs überaus heterogen. Dies muss in der Methodik zur Erhebung der Nachhaltigkeitsindikatoren berücksichtigt werden. Daraus erwächst die Notwendigkeit, unterschiedliche Modelle zu entwickeln und – unter Beachtung gleicher Grundprinzipien wie Neutralität, Transparenz und Konsistenz – individuelle Analysen und Berechnungen für die Netzwerke durchzuführen. Einen „one fits all approach“ gibt es nicht.

Im Zentrum der Methodik steht die Definition der ESMA, die den Energieverbrauch folgendermaßen definiert: „Total amount of energy used for the validation of transactions and the maintenance of the integrity of the distributed ledger of transactions, expressed per calendar year“. Demnach müssen für die Berechnung zwei Elemente berücksichtigt werden: 

  1. Alle Aktivitäten, die zur Integrität des Netzwerks beitragen.
  2. Alle Vorgänge, die für die Validierung von Transaktionen relevant sind.

Für die Aufgaben sind innerhalb von DLTs sogenannte „Nodes“ zuständig. Diese Nodes betreiben Hardware zur Erfüllung dieser Funktion und tragen damit zu dem zu berechnenden Energieverbrauch bei.

Abhängig davon, wie genau eine DLT funktioniert, existieren in der wissenschaftlichen Literatur und im praktischen Einsatz unterschiedliche Modelle zur Ermittlung des Energieverbrauchs. Zwei Ansätze stehen dabei im Fokus:

  1. Top-Down-Modell: Analyse empirischer Daten auf Netzwerkebene (z. B. Hash-Rate, Energieverbrauch des Netzwerks) zur Schätzung der gesamten Netzwerknutzung. Diese Methode ermöglicht eine umfassende Bewertung des Gesamtverbrauchs, indem sie zentrale Parameter wie die durchschnittliche Effizienz der genutzten Hardware berücksichtigt.
  2. Bottom-Up-Modell: Einsatz von Crawlern und Software-Tools zur Identifikation der aktiven Nodes und Berechnung des Energieverbrauchs auf Basis der verwendeten Hardware. Durch die Analyse einzelner Netzwerkknoten lassen sich detaillierte Rückschlüsse auf den Energieverbrauch spezifischer Konsensmechanismen ziehen.

Um diese Modelle bestmöglich nutzen zu können, sind qualitativ hochwertige Datenquellen unerlässlich. Wesentliche Größen innerhalb beider Modelle ist der Energieverbrauch einzelner Nodes im Netzwerk. Dieser kann über Messungen rekonstruiert werden, indem Annahmen über die eingesetzte Hardware getroffen und Messungen unter „realen Bedingungen“ durchgeführt werden. Um die Qualität der Daten sicherzustellen, sollten Untersuchungen ausschließlich in ISO-zertifizierten Testzentren mit entsprechend kalibrierten Messinstrumenten erfolgen.

Herausforderungen und Best Practices: Darauf kommt es beim Reporting nach MiCAR an

Die Umsetzung der ESG-Anforderungen erfordert für Unternehmen eine strategische Herangehensweise. Wichtige Aspekte bei der individuellen Erfüllung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten sind:

  • Datenqualität und Transparenz: Die verwendeten Datenquellen und Methoden müssen nachvollziehbar sein. Annahmen oder Schätzwerte sind zu kennzeichnen.
  • Zertifizierte Messmethoden: Messungen sollten mit zertifizierten Messinstrumenten durchgeführt werden, um die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen sicherzustellen.
  • Operationalisierung der Berechnung: CASPs müssen in Monitoring- und Reporting-Tools investieren, um ihre ESG-Daten effizient zu erfassen und aktuell zu halten, um insb. der Anforderung im Hinblick auf „wesentliche Änderungen“ gerecht werden zu können.
  • Interessenkonflikte: Unternehmen müssen sorgfältig prüfen, ob bei der Auswahl externer Dienstleister oder der Nutzung von Datenquellen Interessenkonflikte vorliegen, welche zu Greenwashing-Vorwürfen führen können. 

Fazit

Die MiCAR stellt für CASPs neue Herausforderungen dar, insbesondere im Bereich der ESG-Transparenz. Die Umsetzung erfordert technische, methodische und organisatorische Anpassungen. Eine proaktive Herangehensweise kann jedoch nicht nur regulatorische Konformität sicherstellen, sondern auch das Vertrauen der Marktteilnehmer stärken und langfristig Wettbewerbsvorteile schaffen.

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Autoren dieses Artikels

Dr. Christoph Wronka, LL.M. (London)

Director, Head of Anti-Financial Crime Audit & Advisory

Certified Anti-Money Laundering Specialist (CAMS), Certified Internal Auditor (CIA)

Ralph Hüsemann

Partner

Wirtschaftsprüfer

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