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Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21) zeigt wieder einmal auf, dass bei der Formulierung von Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln bzw. Stichtagsregelungen besondere Vorsicht geboten ist.
Zwar sind vertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig. Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.
Zum Sachverhalt
Die beklagte Arbeitnehmerin führte im Jahr 2019 erfolgreich eine Fortbildung zum „Fachtherapeut Wund ICW“ auf Kosten ihrer Arbeitgeberin, einer Reha-Klinik, durch. Im dazu vereinbarten Fortbildungsvertrag war unter anderem eine Bindungsfrist von einem halben Jahr nach dem Fortbildungsende sowie eine Rückzahlungsklausel vorgesehen.
Die Arbeitgeberin forderte von der Arbeitnehmerin die Kosten für die Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ anteilig zurück, als diese kurz vor Beendigung der Fortbildung und somit vor Ablauf der vorgesehenen Bindungsfrist aus gesundheitlichen Gründen kündigte. Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass die entsprechende Klausel des Fortbildungsvertrags unwirksam sei, denn die Klausel enthalte eine unangemessene Benachteiligung, weil sie die Arbeitnehmerin auch dann zur Rückzahlung verpflichte, wenn sie unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, und das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund personenbedingt kündige. Dieser Umstand war in der zugrundeliegenden Regelung nicht vorgesehen.
Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klage der Arbeitgeberin abgewiesen hatten, gab nun auch das Bundesarbeitsgericht der Arbeitnehmerin recht. Die Rückzahlungsklausel führe "zu einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam".
Die Begründung des Gerichts
Zur Begründung wurde unter anderem darauf verwiesen, dass es nicht zulässig sei, eine Rückzahlungspflicht an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.
Wenn der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden (z. B. Krankheit) dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch nicht mehr möglich. Damit kann der Arbeitgeber unabhängig von der Kündigung des Arbeitnehmers dessen Qualifikation bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht nutzen. An dem Fortbestehen eines nicht mehr erfüllbaren und damit „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses besteht in der Regel kein billigenswertes Interesse. Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für ihn nicht amortisiert, ist dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen.
Insbesondere könne aber nicht verlangt werden, dass sich der Arbeitnehmer weiter an das Arbeitsverhältnis binden muss, sofern er eine Rückzahlungsverpflichtung abwenden will. Er wäre nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ohne Gegenleistung des Arbeitgebers verpflichtet, am Arbeitsverhältnis festzuhalten. Dies könnte den Arbeitnehmer zudem in finanzielle Schwierigkeiten bringen.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beschränkung der durch Art. 12 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers bei dessen Leistungsunfähigkeit nicht durch den Ausbildungsvorteil ausgeglichen wird.
Schließlich wird ausgeführt, dass an Arbeitgeber als Verwender von Rückzahlungsklauseln keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden, da es ohne Weiteres möglich sei, diese Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen.
Mein Praxistipp
Berufliche Fortbildungen werden immer wichtiger. Daher unterstützen Arbeitgeber ihre Beschäftigen auch aktiv bei außerbetrieblichen Fortbildungen. Zugleich möchten Arbeitgeber die Arbeitnehmer möglichst langfristig an sich binden. Bei der Ausgestaltung und dem Abschluss von Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklauseln ist in der Praxis jedoch besondere Vorsicht geboten. Die verwendeten (Muster-)Vereinbarungen entsprechen oftmals nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Im Zweifel bleiben Arbeitgeber auf den Kosten sitzen, auch wenn der Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheidet.
Neben der Bindungsdauer, die im Verhältnis zu der Dauer der Fortbildung nicht zu lang sein darf, ist insbesondere auch bei den die Rückzahlungspflicht auslösenden Gründen (arbeitgeber- oder arbeitnehmerveranlasst) zu differenzieren.
Durch das vorliegende Urteil wurden diese Anforderungen noch einmal verschärft. Wir empfehlen, bestehende Fortbildungsvereinbarungen daher auf Aktualität zu prüfen.
Marco Stahn
Director
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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