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Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 6. Mai 2024 (Az. 4 Sa 446/23) entschieden, dass der Konsum von Kokain während der Arbeitszeit und in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten ist, der einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Für eine fristlose Kündigung ist der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ausreichend.
Außerordentliche Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Drogenkonsums
Der 1982 geborene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 1. Juni 2002 bei der Beklagten, einem Logistikunternehmen, als Kommissionierer in Vollzeit beschäftigt. Er war seit 2018 freigestelltes Betriebsratsmitglied. Bei der Beklagten besteht eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Umgang mit Suchtmitteln vom 21. Januar 2015, die unter anderem ein betriebliches Suchtmittelverbot enthält. Am 17. August 2022 beobachtete ein anderes Betriebsratsmitglied durch die Scheiben des Betriebsratsbüros, wie der Kläger an seinem Schreibtisch ein weißes Pulver mit einer Karte zu einer Linie formte und sodann mit einem Röhrchen durch die Nase sog. Damit konfrontiert, behauptete er, es habe sich um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt. Der Aufforderung nach einem Drogentest kam der Kläger nicht nach. Die Beklagte sprach nach Anhörung des Klägers und Zustimmung des Betriebsrats am 12. September 2022 eine außerordentliche Tat- und hilfsweise Verdachtskündigung aus. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die das Arbeitsgericht abwies.
LAG: Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung in Form der Verdachtskündigung gegeben
Das LAG bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung, da die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung in Form der Verdachtskündigung gegeben sind. Zwar ist unklar, ob der Kläger tatsächlich Drogen konsumiert und somit Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag verletzt hat, sodass nicht die Form der Tatkündigung einschlägig ist. Für eine fristlose Kündigung reicht jedoch der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung aus, die ein eigenständiger Kündigungsgrund ist. Hierfür muss es einen konkret begründeten Tatverdacht geben und der Arbeitgeber muss alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts tun, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Der Besitz von Kokain – der mit dem Konsum zwingend einhergeht – stellt einen Straftatbestand gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG dar. In der Begehung einer Straftat in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers während der Arbeitszeit ist ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung „an sich“ zu sehen. Auch wenn der Kläger abgestritten hat, dass es sich um Kokain handelte, spricht laut dem LAG viel dafür, dass dies lediglich eine Schutzbehauptung war, insbesondere der Umstand, dass der Kläger einen Drogentest ablehnte. Die Kündigung ist auch verhältnismäßig, da das Vertrauen in den Kläger, der zudem als Betriebsratsmitglied eine Vorbildfunktion innehat, unwiderruflich zerstört wurde. Auch hat die Beklagte versucht, den Sachverhalt weitestgehend aufzuklären, indem sie den Kläger anhörte und ihm einen Drogentest anbot.
Praxishinweis: Arbeitgeber sollten klare Regelungen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen treffen
Vor dem Hintergrund der Legalisierung von Cannabis seit dem 1. April 2024 ist das Thema Drogenkonsum auch in der Arbeitswelt wieder in den Fokus gerückt. Um Klarheit im Unternehmen zum Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz zu schaffen, sollte der Arbeitgeber Regelungen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen treffen bzw. vorhandene Regelungen anpassen. Hierbei ist der Betriebsrat entsprechend zu beteiligen, da Drogen- und Suchtmittelverbote gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind.
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