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Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 26.05.2023 (12 TaBV 1/23) entschieden, dass die Festlegung des Vergleichsentgelts für ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auch dann keine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung darstellt, wenn infolge der Vergütungsfestlegung ein Entgelt nach einer tariflichen Entgeltgruppe gezahlt wird.
Die Entscheidung des LAG ist eine erfreuliche Nachricht für Arbeitgeber, da sie ihnen keine zusätzlichen betriebsverfassungsrechtlichen Hürden bei der Erfüllung von Compliance-Anforderungen im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit auferlegt. Zuletzt hatte der sechste Strafsenat des BGH mit Urteil vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) entschieden, dass ein Mitglied der Geschäftsleitung den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllen kann, wenn es einem Betriebsratsmitglied unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot eine überhöhte Vergütung gewährt.
Zum Sachverhalt
Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Festlegung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden. Dieser hatte seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Dreher begonnen und wurde später als Schlosser im Betrieb der Arbeitgeberin eingesetzt. Für das Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern bestehen ein Haustarifvertrag und ein Entgelttarifvertrag.
Nachdem der freigestellte Betriebsratsvorsitzende zunächst eine Vergütung nach einer tariflichen Vergütungsgruppe einschließlich Sonder- und Funktionszulagen erhalten hatte, wurde er ab 2006 als außertariflicher Angestellter geführt. Seine Vergütung betrug zuletzt durchschnittlich EUR 13.576,63 brutto monatlich. Darin enthalten war auch ein geldwerter Vorteil für den zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen.
Im Jahr 2022 passte die Arbeitgeberin die Bezüge des Betriebsratsvorsitzenden auf EUR 6.338,56 brutto monatlich unter Wegfall des Dienstwagens mit privater Nutzungsmöglichkeit an. Dieser Betrag setzt sich auf der Gehaltsabrechnung wie folgt zusammen: Grundgehalt nach der Tarifgruppe 8/25, Leistungszulage (4 %), Fachkarrierezulage und Ausgleichszulage. Vorausgegangen war eine Überprüfung der Bezüge auf ihre Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht. Eine vorherige Beteiligung des Betriebsrats hatte nicht stattgefunden.
Mit seinem Antrag machte der Betriebsrat geltend, dass vor Umsetzung der Vergütungsanpassung das Verfahren nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG durchzuführen und seine Zustimmung zur Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden einzuholen bzw. gerichtlich zu ersetzen sei.
Zur Lösung
Der Betriebsrat kann in Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, über den Wortlaut des § 101 BetrVG hinaus zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung und im Falle ihrer Verweigerung die Durchführung des arbeitsrechtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen. Anders als bei einer Einstellung oder Versetzung, die einen tatsächlichen Vorgang darstellen, handelt es sich bei der Ein- oder Umgruppierung um eine reine Rechtsanwendung, die der Arbeitgeber nicht tatsächlich aufheben kann. Sie ist entweder richtig oder falsch.
Die Bestimmung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden stellt zwar einen Akt der Rechtsanwendung und die Bekanntgabe des dabei gefundenen Ergebnisses durch die Arbeitgeberin dar. Es handelt sich aber „nur“ um eine Rechtsanwendung nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG und keine Ein- oder Umgruppierung i. S. d. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat daher zu Recht nicht beteiligt.
Eine Eingruppierung ist die - erstmalige oder erneute - Einreihung eines Arbeitnehmers in eine betriebliche Vergütungsordnung. Es handelt sich um einen rein gedanklichen Akt der wertenden Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsordnung. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats soll dazu beitragen, dass diese Rechtsanwendung zu möglichst sachgerechten Ergebnissen führt. Es dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen und damit der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit sowie der Transparenz der betrieblichen Entgeltpraxis. Die Verfolgung und Durchsetzung des individualrechtlichen Anspruchs eines Arbeitnehmers ist dagegen nicht Sinn und Zweck des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG.
Der Bestimmung des Vergleichsentgelts nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG fehlt die für die Ein- und Umgruppierung charakteristische Subsumtion der vom freigestellten Betriebsratsvorsitzenden ausgeübten Tätigkeit unter die abgrenzenden und abstufenden Tatbestandsmerkmale der kollektiven Vergütungsordnung des Haustarifvertrags. Der Betriebsratsvorsitzende erbringt keine arbeitsvertragliche Tätigkeit, die den Tätigkeitsmerkmalen der maßgeblichen Vergütungsgruppen wertend zugeordnet werden könnte. Vielmehr drücken die Vergütungsgruppe 8/25 und die weiteren Vergütungsbestandteile lediglich den Mittelwert der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung aus. Die Arbeitgeberin hat die Entgeltentwicklung von Arbeitnehmern ausgewertet, die sie aufgrund ihrer Qualifikation, einer ähnlich langen Betriebszugehörigkeit und einer ähnlich hohen Vergütung in der Zeit unmittelbar vor der Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden mit dem Betriebsratsvorsitzenden für vergleichbar hält und die Entgeltgruppe 8/25 bei einer Durchschnittsbetrachtung als betriebsübliche berufliche Entwicklung angesehen.
Auch liegt keine Benachteiligung nach § 78 S. 2 BetrVG vor. Soweit sich die Vergütungsbestimmung nicht allein aus der Anwendung der kollektiven Vergütungsordnung auf die Tätigkeit eines Arbeitnehmers ergibt, besteht auch kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG für andere Arbeitnehmer und nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder.
Praxishinweis
Die Entscheidung erleichtert für Arbeitgeber die Festlegung der Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern, da der Betriebsrat hierfür nicht zu beteiligen ist.
Arbeitgeber sollten die Entscheidung ferner zum Anlass nehmen, ihre Überwachung der Betriebsratstätigkeit unter Compliance-Gesichtspunkten kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder in regelmäßigen Abständen überprüft wird.
Personalverantwortliche binden mit der Festlegung überhöhter Vergütungen für freigestellte Betriebsratsmitglieder Mittel im Unternehmen, die nicht für Investitionen, Schuldenabbau oder Ausschüttungen an Anteilseigner zur Verfügung stehen und sollten sich auch der strafrechtlichen Risiken bewusst sein.
Karsten Till
Manager
Rechtsanwalt
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