Bilanzierung von Schadensersatzforderungen nach IFRS
- 22.11.2021
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Die Einordnung von Schadensersatzforderungen stellt oftmals eine erhebliche Herausforderung dar. Nicht immer ist klar, ob der Schadensersatz in den Anwendungsbereich von IFRS 9 oder von IAS 37 fällt. Was sind die Unterschiede und wie können sich Bilanzierende orientieren?
Schadensersatzforderungen betreffen i.d.R. zwei Parteien: die eine, welche den Schadensersatz geltend macht (Anspruchsinhaber) und die andere, welche ggf. schadensersatzpflichtig ist (Schadensersatzpflichtiger). Für Rechnungslegungszwecke hat der potenzielle Anspruchsinhaber zu beurteilen, wann und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch nach IFRS aktiviert werden darf, während sich der potenziell Schadenzersatzpflichtige mit der Frage nach der Bildung einer Rückstellung zu beschäftigen hat.
Damit ein Schadensersatzanspruch aktiviert werden darf, muss ein, nach den Vorschriften der IFRS, bilanzierbarer Vermögenswert vorliegen. Hierfür müssen die Ansatzkriterien der einschlägigen Standards erfüllt sein. Schadensersatzforderungen können in den Anwendungsbereich von IAS 37, aber auch von IFRS 9 fallen. Die Differenzierung der Anwendungsbereiche ergibt sich im Wesentlichen nach der Herkunft des Schadensersatzanspruch. Handelt es sich bei dem Schadensersatzanspruch um ein Finanzinstrument nach IFRS 9, geht dieser dem IAS 37 vor.
Einordnung der Finanzinstrumente nach IFRS 9
Ein Finanzinstrument ist ein Vertrag, der gleichzeitig bei dem einen Unternehmen zu einem finanziellen Vermögenswert und bei dem anderen Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument führt (IAS 32.11, IAS 32.AG12, § 3 Rn. 13 Beck’sches IFRS Handbuch). Weiterhin ist ein vertragliches Recht auf den Erhalt flüssiger Mittel bzw. auf Tausch gegen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten erforderlich (IAS 32.11).
Sofern ein Finanzinstrument vorliegt, wäre dieses erstmalig zu dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem der potenzielle Anspruchsinhaber Vertragspartner geworden ist (IFRS 9.3.1.1). Eine Partei wird dabei dann zum Vertragspartner zum Zeitpunkt des Entstehens eines Anspruchs (siehe hierzu auch die Voraussetzungen zum Vorliegen eines Finanzinstruments – IAS 32.11). Sollten mehrere Ansprüche bestehen, so wäre ggf. jeder einzeln hinsichtlich seines Entstehungszeitpunktes zu untersuchen.
Zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes von Schadensersatzforderungen hat der Bilanzierende den jeweiligen finanziellen Vermögenswert zu klassifizieren und zu bewerten (IFRS 9.3.1.1).
Prüfung nach IAS 37 mit bilanzierbaren Vermögenswerten
Sofern die Ansprüche nicht unter IFRS 9 fallen, sind die Ansatzvoraussetzungen nach IAS 37 zu prüfen. Damit ein nach IAS 37 bilanzierbarer Vermögenswert vorliegt, darf es sich nicht um eine Eventualforderung (IAS 37.31) handeln. Diese liegt standardgemäß dann nicht mehr vor, wenn die Realisation von Erträgen so gut wie sicher ist (IAS 37.33). Diese Formulierung lässt jedoch viel Interpretationsspielraum. Zum einen kann dieser Formulierung entnommen werden, dass in jedem Fall das Bestehen dem Grunde nach so gut wie sicher sein muss. Zum anderen könnte die Formulierung aber auch so ausgelegt werden, dass auch die Höhe so gut wie sicher sein muss.
Für diese Auslegung spricht auch eine Aussage im Rahmenkonzept, die besagt, dass Vermögenswerte nicht angesetzt werden dürfen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses sehr gering ist. Die Realisation von Erträgen ist insbesondere dann so gut wie sicher, wenn der Anspruchsinhaber die Verfügungsgewalt innehat, d. h. den zukünftigen Ressourcenzufluss steuern kann. Unter „so gut wie sicher“ ist in diesem Zusammenhang eine Wahrscheinlichkeit für den Ressourcenzufluss von mehr als 90 % zu verstehen. Sollte es sich hingegen um eine Eventualforderung handeln, für welche der Ressourcenzufluss lediglich wahrscheinlich sein muss, so dürfte diese nicht bilanziert werden und müsste stattdessen im Anhang angegeben werden.
Juristische Einschätzungen helfen bei komplexen Sachverhalten
Die Einordnung von Schadensersatzforderungen ist wie beschrieben nicht immer eindeutig. Bei komplexeren Sachverhalten ist daher anzuraten, eine juristische Einschätzung des Sachstands einzuholen. Aus dieser sollte insbesondere die Anspruchsgrundlage, der Zeitpunkt des Anspruchsentstehens, die Anspruchshöhe sowie die Wahrscheinlichkeit des Anspruchserfolgs her-vorgehen, damit dann in einem zweiten Schritt auf dieser Basis die rechnungslegungsbezogene Einordnung erfolgen kann.
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