BFH schafft Rechtssicherheit zur Nachspaltungsveräußerungssperre
- 21.01.2022
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Anmerkung zum BFH-Urteil vom 11.8.2021 – I R 39/18: Nachspaltungsveräußerungssperre in § 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG als einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung.
Der I. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 11.08.2021 (Az. I R 39/18) entschieden, dass eine Spaltung die Voraussetzungen für eine anschließende Veräußerung nur unter den Kriterien des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG begründen könne. Der allgemeine Missbrauchsverdacht nach § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG stelle damit keine eigenständige Nachspaltungsveräußerungssperre dar. Die Sätze 3 und 4 bilden daher eine einheitliche spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsregelung.
Das Urteil des BFH schafft dadurch Rechtssicherheit für Abspaltungen und Aufspaltungen im Sinne des § 15 UmwStG mit Blick auf eine einer Auf-/Abspaltung folgenden Veräußerung bzw. Transaktion.
Eine statt zwei Missbrauchsvermeidungsregelungen
In dem Urteil hat der BFH zutreffend entschieden, dass eine Übertragung zu steuerlichen Buchwerten und damit insoweit steuerneutral nach § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG nur dann nicht zulässig sei, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft veräußert werden, die mehr als 20 % der vor der Wirksamkeit der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen. Folglich kommt es für die Frage, ob die Spaltung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen hat, auf die Wertrelation der gemeinen Werte der Anteile zum steuerlichen Übertragungsstichtag und die fünfjährige Sperrfrist nach § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG an.
Die Entscheidung des I. Senats des BFH ist sehr zu begrüßen, da sie Rechtssicherheit für die betroffenen Steuerpflichtigen schafft.
Dem Urteil lag folgender stark vereinfachter Sachverhalt zugrunde:
Ein Erwerber vereinbarte mit den Gesellschaftern der GmbH 1 (Veräußerer) am 23.11.2007 den Erwerb von Anteilen einer neu zu gründenden Gesellschaft (Zielgesellschaft/ GmbH 3). Bis zum Vollzug der Transaktion sollte ein Pre-Closing Carve-out dergestalt stattfinden, dass der maßgebliche Teilbetrieb in Form einer 100%-Beteiligung an einer Tochterkapitalgesellschaft (GmbH 2) der GmbH 1 auf die Zielgesellschaft abgespalten werden sollte. Steuerlicher Übertragungsstichtag war der 31.12.2007. Für diese Abspaltung wurde ein Buchwertantrag durch die übertragende Rechtsträgerin, die GmbH 1, gestellt. Die Veräußerung der Anteile an der Zielgesellschaft erfolgte am 01.07.2008 und damit noch innerhalb der fünfjährigen Sperrfrist des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG.
Das zuständige Finanzamt vertrat die Rechtsauffassung, dass durch die Abspaltung der 100%-Beteiligung an Tochterkapitalgesellschaft der GmbH 1 auf die Zielgesellschaft die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen worden seien. Folglich sei eine Buchwertübertragung ausgeschlossen und stattdessen der gemeine Wert anzusetzen nach § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG. Diese Rechtsansicht wurde auch durch das FG Hamburg in erster Instanz mit Urteil vom 18.9.2018 (6 K 77/16) bestätigt.
Dem widersprach allerdings der I. Senat des BFH im Revisionsverfahren, dem das BMF auch beigetreten war. Stattdessen stimmte der BFH der Rechtsauffassung der Klägerin zu. Insbesondere wurde im zugrundeliegenden Sachverhalt die 20%-Wertgrenze des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG unterschritten, sodass die Buchwertübertragung im Ergebnis wirksam war.
Überdies bestätigt der BFH indes auch, dass der Missbrauch nach § 42 AO a.F. sondergesetzlich ausgeschlossen sei. Denn die Voraussetzungen einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsregelung (hier: § 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG) seien erfüllt gewesen.
Rechtssicherheit für die Praxis
Zwar ist das Urteil des BFH (noch) nicht im BStBl. veröffentlicht. Das Urteil führt aber zu einer Rechtssicherheit für Pre-Closing Umstrukturierungen im Anwendungsbereich des § 15 UmwStG durch das konkrete Abstellen auf die Kriterien, mithin die 20%-Schwelle, des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG. Andernfalls würde sich im Rahmen solcher Carve-outs stets der allgemeine Missbrauchsverdacht stellen und eine praktisch kaum zu kontrollierende subjektive Tatbestandskomponente ergeben, die sich u.U. auch transaktionsgefährdend auswirken könnte.