UPDATE: EU-Sanktionen gegen Russland - das sollten Unternehmen jetzt beachten

  • 04.03.2022
  • Lesezeit 11 Minuten

Die EU-Sanktionen gegen Russland umfassen aktuell die Bereiche warenbezogene Sanktionsmaßnahmen (Dual-Use-Güter, Güter zur Ölraffination, Luft- und Raumfahrt), personenbezogene Sanktionen, kapitalmarktbezogene Sanktionen sowie gebietsbezogene Sanktionen, die Donezk, Lugansk und Belarus betreffen. Was sollten Unternehmen nun beachten, um Haftungsrisiken zu vermeiden?

In den letzten Tagen hat die EU als Reaktion auf den Krieg Russlands in der Ukraine eine Vielzahl weiterer Sanktionsverordnungen erlassen bzw. bestehende Verordnungen verschärft.  Wir geben einen aktuellen Überblick über die wichtigsten bestehenden Sanktionen gegen Russland und konkrete Handlungsempfehlungen. Gleichzeitig weisen wir Sie gerne auf unser Online-Seminar "EU-Sanktionen gegen Russland – das sollten Unternehmen jetzt beachten" am 16. März 2022 hin. Sie können sich gerne direkt hier ›› anmelden.

Warenbezogene Sanktionsmaßnahmen

Mit der Verordnung (EU) 2022/328 des Rates vom 25. Februar 2022 wurden weitere Maßnahmen beschlossen, die sich insbesondere auch auf den Warenverkehr unmittelbar auswirken. Die Maßnahmen werden durch Änderung der bereits bestehenden Verordnung (EU) Nr. 833/2014 umgesetzt, das heißt die nachfolgenden Artikel beziehen sich auf die Verordnung (EU) Nr. 833/2014.

Dual-Use-Güter
Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung besteht nunmehr ein umfassendes Verkaufs-, Liefer-, Verbringungs- und Ausfuhrverbot für sämtliche Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use-Güter) an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland sowie zur Verwendung in Russland. Betroffen sind alle Dual-Use-Güter, die in Anhang I der Verordnung (EU) 2021/821 – EU-Dual-Use-VO - aufgeführt sind. 

Anders als üblicherweise bei Dual-Gütern besteht hier ein Verbot und nicht nur ein Genehmigungsvorbehalt, d.h. der Verkauf, die Lieferung, das Verbringen oder die Ausfuhr sind schlichtweg rechtlich nicht mehr möglich und zulässig.

Ebenfalls verboten sind sämtliche Hilfeleistungen im Zusammenhang mit dem zuvor benannten Verbot (Art. 2 Abs. 2), wie etwa technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste in diesem Zusammenhang. Hierunter fällt auch das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung und das Bereitstellen von Finanzhilfen im Zusammenhang mit den zuvor benannten Gütern.

Nach Art. 2 Abs. 3 und Abs. 4 sind wenige, restriktiv auszulegende, Ausnahmen von dem Verbot vorgesehen, wie beispielsweise zu humanitären Zwecken, medizinische oder pharmazeutische Zwecke, Verwendung von Verbraucherkommunikationsgeräte, im persönlichen Reisegepäck von natürlichen Personen, für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei Raumfahrtprogrammen oder sonstigen rein zivilen Angelegenheiten, für die maritime Sicherheit oder die zivilen Kommunikationsnetze  als auch für Organisationen, die im weiteren Sinne unter der Kontrolle der EU stehen. 

Hierbei gilt, dass die enumerative Auflistung in Abs. 3 eine Ausnahme der Verbotsvorschrift darstellt. Die Ausführer sind jedoch verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen nach der ersten Nutzung dieser Ausnahmeregelung, eine Mitteilung an das BAFA über die Nutzung abzugeben, zudem ist die Anwendung der Ausnahmeregelung in der Zollanmeldung anzugeben. Ergänzend hierzu bleibt die allgemeine Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern bestehen, d.h. es ist weiterhin eine Genehmigung des BAFA erforderlich. 

Soweit auf die Ausnahmen nach Abs. 4 abgestellt wird, ist die Anwendung unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt, d.h. hier ist zuvor die Genehmigung des BAFA einzuholen.

Für Verträge, die vor dem 26. Februar 2022 geschlossen wurden, besteht eine Altvertragsregelung, wonach die Vertragserfüllung (Lieferung) weiterhin möglich sein kann. Die Anwendung dieser Regelung bedarf jedoch der Genehmigung des BAFA und der Genehmigungsantrag ist vor dem 1. Mai 2022 einzureichen.

Sonstige Güter
Art. 2a Abs. 1 der VO sieht ein Verbot des Verkaufs, der Lieferung, der Bereitstellung oder der Ausfuhr von Gütern und Technologien vor, welche zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten. 
Die betroffenen Güter sind in Anhang VII der Verordnung aufgeführt. Hiervon betroffen sind insbesondere folgende Produktgruppen:

  • Kategorie I – Allgemeine Elektronik
  • Kategorie II – Rechner
  • Kategorie III – Telekommunikation und Informationssicherheit
  • Kategorie IV - Sensoren und Laser
  • Kategorie V – Navigation und Luftfahrtelektronik
  • Kategorie VI – Meeres- und Schiffstechnik
  • Kategorie VII – Luftfahrt, Raumfahrt und Antriebe


Der Anhang VII ist vergleichbar zum Anhang I der EU-Dual-Use-VO aufgebaut, d.h. die Produkte werden anhand ihrer abstrakten technischen Parameter beschrieben. Zudem sind die Anmerkungen zur Klassifizierung der Produkte unter den Anhang VII zu berücksichtigen, etwa die Anmerkung zur Kategorie II, wonach unter diese Kategorie keine Waren fallen, die für den persönlichen Gebrauch natürlicher Personen bestimmt sind.

Nach Art. 2a Abs. 2 VO sind auch Hilfeleistungen verboten, wie technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder auch Finanzierungen im Zusammenhang mit den nach Abs. 1 bestehenden Verboten.

Art. 2a folgt der Systematik des Art. 2, sodass auch hier Ausnahmen nach Abs. 3 und 4 gegeben sind, welche den Ausnahmen des Art. 2 entsprechen.
Anders als Art. 2 handelt es sich hier jedoch um Güter, die gerade nicht unter die Dual-Use-VO fallen. Sollte insofern eine Ausnahme nach Abs. 3 vorliegen, kann die Ware ohne weitere Genehmigung exportiert werden, es ist nur die Anzeigepflicht gegenüber dem BAFA sowie die Angabe in der Zollanmeldung zu berücksichtigen.

Auch für die Verbote nach Art 2a besteht eine Altvertragsregelung, wonach die Vertragserfüllung für Verträge, die vor dem 26. Februar 2022 geschlossen wurden, nach vorheriger Genehmigung durch das BAFA zulässig ist. Auch hier ist der Antrag bis spätestens 1. Mai 2022 zu stellen.

Güter zur Ölraffination
Art. 3b Abs. 1 VO sieht das Verbot vor, die in Anhang X aufgeführten Güter, die im Zusammenhang mit der Ölraffination stehen, zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen. Nach Abs. 2 gilt auch hier das Verbot der technischen Hilfe, der Vermittlungsdienste und andere Dienste sowie die Bereiche von Finanzmitteln und Finanzhilfen in Zusammenhang mit diesen Gütern und Technologien.

Nach Abs. 4 kann das BAFA eine Ausnahmegenehmigung erteilen, wenn die dort genannten besonderen Umstände vorliegen, das heißt zur Abwendung oder Eindämmung eines Ereignisses erforderlich sind, das voraussichtlich schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Sicherheit oder auf die Umwelt haben wird.

Verträge, die vor dem 26. Februar 2022 geschlossen wurden, können noch bis zum 27. Mai 2022 erfüllt werden. Bis zu diesem Datum gelten die Verbote nach Abs. 1 und 2 für derartige Verträge nach der Altvertragsklausel des Abs. 3 nicht.

Luft- und Raumfahrt
Güter und Technologien der Luft und Raumfahrtindustrie, die in Anhang XI aufgeführt sind, unterfallen ebenfalls einem Verkaufs-, Liefer-, Verbringungs- und Ausfuhrverbot, Art. 3c Abs. 1 VO. Verboten ist auch das Bereitstellen von Versicherungen und Rückversicherungen in Bezug auf die in Anhang XI aufgeführten Güter und Technologien, Abs. 2, sowie Reparatur und Wartungsmaßnahmen an jenen Gütern, Abs. 3. 

Auch in Bezug auf die vorgenannten Verbote gilt eine weitgehende Untersagung der technischen Hilfe, Vermittlungsdienste und anderer Dienste sowie das Bereitstellen von Finanzmitteln und Finanzhilfen nach Abs. 4.

In Bezug auf Lieferverträge und in diesem Zusammenhang zu erbringender Dienstleistung, die nach Abs. 1 und 4 verboten sind, gilt eine Ausnahmeregelung, wonach diese noch bis zum 28. März 2022 erbracht werden können, sofern der Vertrag vor dem 26. Februar 2022 geschlossen wurde. Für die Verbote nach Abs. 2 und 3 - Versicherungsdienstleistungen sowie Wartung und Reparatur - besteht keine Altvertragsregelung. Diese sind per sofort untersagt.
Ausnahmen zu den Verboten sind in der Verordnung nicht vorgesehen.

Neben den güterbezogenen Sanktionen hatte die EU ein Überflug- und Landeverbot in der EU für russische Luftfahrtunternehmen ausgesprochen, Verordnung (EU) 2022/334. 

Personenbezogene Sanktionen

Die EU hat durch diverse Durchführungsverordnungen den Personenkreis des Anhangs I zur VO (EU) Nr. 269/2014 erheblich erweitert.

Zu dem Personenkreis gehört nicht nur der russische Präsident, sondern auch andere (ranghohe) Politiker, Geschäftsleute, Militärangehörige und Oligarchen.  

Die Vermögen der im Anhang I gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen wurden eingefroren. Zudem besteht ein Bereitstellungsverbot, wonach es verboten ist, den dort gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. 

Insbesondere das mittelbare Bereitstellungsverbot führt zu Herausforderungen, da dies faktisch bedeutet, dass der wirtschaftlich Berechtigte zu ermitteln ist. So wäre etwa eine Transaktion mit einer nicht weiter sanktionierten Firma in Russland verboten, wenn dieses Unternehmen unter der Kontrolle einer der in Anhang I genannten Personen steht. Analog dem Geldwäschegesetz muss daher geprüft werden, wer wirtschaftlich Berechtigter ist und der Abgleich gegen diese Personen erfolgen. 

Unternehmen, die weiterhin im Russlandgeschäft aktiv sind, sollten daher unabhängig von Ware und unmittelbaren Empfängern mögliche mittelbaren Bereitstellungsverbote anhand des sich fast täglich ändernden Anhanges I prüfen. 

Kapitalmarktbezogene Sanktionen 

Die EU hat diverse Sanktionen verabschiedet, die den Kapitalmarkt betreffen, u.a.:

  • Verordnung (EU) 2022/262: Kapitalbeschränkungen i.Z.m. der Bereitstellung von Finanzmitteln an die russische Regierung und Zentralbank.
  • Verordnung (EU) 2022/328: Umfangreiche Kapitalbeschränkungen, u.a. Verbot der Entgegennahme von Einlagen, die gewisse Grenzwerte übersteigen, von russischen Staatsangehörigen oder in Russland ansässigen Personen; Verbote der Kontoführung und des Verkaufes auf Euro lautender Wertpapiere an russische Kunden. 
  • Verordnung (EU) 2022/345: Ausschluss von sieben russischen Banken gem. Anhang XIV und deren Mehrheitsbeteiligungen vom SWIFT-System und Verbot des Verkaufes und der Abgabe von Euro-Banknoten an natürliche und juristische russische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland. 

Unternehmen mit Russlandgeschäft sollten sich mit ihrer Hausbank abstimmen, ob eine Zahlung oder die Entgegennahme weiterhin möglich ist. Soweit Zahlungen im Bankverkehr ausscheiden, sollte aufgrund des Verbotes der Bereitstellung von Euro-Banknoten von Barzahlungen als Ultima Ratio abgesehen und Barzahlungen nur nach Prüfung ggf. Freigabe durch das BAFA ausgeführt werden. 

Weitere Sanktionsmaßnahmen

Überdies gelten die folgenden beiden Verordnungen:

  • Verordnung EU 2022/334:  Lande- und Überflugverbot betreffend das Hoheitsgebiet der EU für Luftfahrzeuge mit russischem Betreiber, Eigentümer, Charterer und/oder russischer Zulassung bzw. unter russischer Kontrolle.
  • Verordnung (EU) 2022/350: Übertragungsverbot für die in Anhang XV genannten russischen Medien. 
Regionen Donezk und Lugansk

Der Handel mit Gütern und Technologien in den ukrainischen Regionen Donezk und Lugansk wurde durch die Verordnung (EU) 2022/263 mit Restriktionen belegt. Die Einfuhr von Waren mit Ursprung in den besetzten Gebieten in die Europäische Union wurde verboten (Art. 2). Die EU hat Exportverbote für bestimmte in Anhang II der VO gelisteten Güter in diese Gebiete ausgesprochen, welche sich auf die Bereiche Verkehr, Telekommunikation, Energie, Prospektion, Exploration und der Förderung von Öl-, Gas- und Mineralressourcen (Art. 4) beziehen. Die Erbringung von Dienstleistungen in Gestalt von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten und Finanzhilfen wurde untersagt. Es wurde ein Beteiligungsverbot an neuen oder die Ausweitung einer bestehenden Beteiligung am Eigentum an Immobilien sowie die Gründung von Joint Ventures in den betroffenen Gebieten festgelegt (Art. 3). Touristische Dienstleistungen in den Gebieten Donezk und Lugansk sind verboten (Art. 6). 

Mit „Bekanntmachung an Einführer“ (2002/C 87 I/01) wurde durch die EU mitgeteilt, dass für Waren, die in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten Donezk und Lugansk hergestellt oder aus diesen ausgeführt werden, die Voraussetzung für eine Zollpräferenzbehandlung nicht mehr als erfüllt angesehen werden.

Belarus

Mit der Verordnung (EU) 2022/355 vom 2. März 2022 wurde auch die bisherige Verordnung (EG) Nr. 765/2006 bezüglich effektiver Maßnahmen gegen Belarus erweitert, nachdem Belarus Russland bei seinen militärischen Aktivitäten gegen die Ukraine unterstützt. 

Die Maßnahmen umfassen zunächst das Verbot des Verkaufes, der Lieferung, der Verbringung und der Ausfuhr von Dual-Use-Gütern im Sinne des Anhangs I der EU-Dual-Use-VO nach Belarus oder an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Belarus. Das Verbot entspricht im Grundsatz dem Verbot aus der Russland-Embargoverordnung (EU) 2022/328. Dementsprechend sind auch die dort gegeben Ausnahmen in dieser Verordnung vorgesehen. Lediglich für Altverträge gilt abweichend, dass die Verträge, die vor dem 3. März 2022 geschlossen wurden, unter die Altvertragsklausel fallen. Für diese Verträge ist eine Genehmigung für die Vertragserfüllung bis spätestens 1. Mai 2022 zu beantragen.

Ebenfalls deckungsgleich mit der Verbotsregelung in der Russland-Embargoverordnung (EU) 2022/328 ist auch gegen Belarus das Verbot der Lieferung, des Verkaufs, des Verbringens und der Ausfuhr von Gütern und Technologien festgelegt worden, welche zur militärischen Stärkung von Belarus beitragen könnten. Die Güter sind in Anhang Va aufgeführt. Der Anhang Va entspricht im Grundsatz dem Anhang VII zur vorgenannten Russland-Embargoverordnung. Für dieses Verbot gelten dieselben Ausnahmen, die bereits bezüglich der Russlandsanktionen hinsichtlich des Anhanges VII zur Verordnung (EU) 2022/328 oben dargestellt wurden. 

Als Altverträge gelten alle Verträge, die vor dem 3. März 2022 geschlossen wurden. Die Nutzung dieser Regelung unterliegt der Genehmigungspflicht, welche bis zum 1. Mai 2022 zu beantragen ist. 

Unter das Verbot fallen auch alle technischen Hilfeleistungen und Unterstützungen, sonstige Dienstleistungen einschließlich der Finanzierung von Geschäftsvorfällen, die unter die vorgenannten Verbote fallen.

Darüber hinaus hat die EU diverse Einfuhrverbote für Produkte aus Belarus festgelegt:

  • Holzerzeugnisse gemäß Anhang X
  • Zementerzeugnisse gemäß Anhang XI
  • Eisen- und Stahlerzeuger gemäß Anhang XII
  • Kautschukerzeugnisse gemäß Anhang XIII

Ausfuhrverbote von Maschinen nach Belarus sind im Anhang XIV ersichtlich.

Sämtliche Geschäftsvorfälle mit Bezug auf Belarus sollten daher unter Berücksichtigung der verschärften Sanktionsregeln erneut vollständig auf deren Zulässigkeit überprüft werden. Wichtig zu beachten ist, dass in vielen Fällen bereits der Verkauf, damit die Verkaufsanbahnung, unter das Verbot und damit unter Strafe gestellt wurde.
 

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Autoren dieses Artikels

Sebastian Billig

Partner

Rechtsanwalt

Sven Pohl

Director

Rechtsanwalt

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