Entgeltgleichheit mit sich weiter verschärfenden Arbeitgeberpflichten

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt besteht trotz Fortschritten in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen nach wie vor eine Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern. Der sogenannte „bereinigte Gender Pay Gap“ (GPG), der die Entgeltdifferenz zwischen Männern und Frauen bei ansonsten gleichen strukturellen Voraussetzungen (Qualifikation, Tätigkeit, Beruf, Position, Berufserfahrung, Beschäftigungsumfang, Branche) angibt, betrug 2023 rund 6 Prozent.

Das Gesetz

Zwar sollte bereits das 2017 verabschiedete Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntgTranspG) das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen, allerdings haben sich dessen Instrumente bislang als wenig wirkungsvoll erwiesen. Zu diesem Ergebnis kam zumindest das zweite Evaluationsgutachten vom Sommer 2023. 

Die Rechtsprechung

Bereits im Frühjahr 2023 hatte das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21; siehe Update Arbeitsrecht vom 23.02.2023) ausgeführt, dass sich Arbeitgeber für die Rechtfertigung von Gehaltsunterschieden zwischen Arbeitnehmern unterschiedlichen Geschlechts nicht ausschließlich darauf berufen können, es habe individuelle Gehaltsverhandlungen gegeben, bei denen ein Arbeitnehmer für sich durch Verhandlungsgeschick ein besseres Ergebnis erzielen konnte als eine Arbeitnehmerin. 

Nach Ansicht des BAG bedarf es vielmehr weiterer Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Entlohnung, wie zum Beispiel mehr Berufserfahrung oder längere Betriebszugehörigkeit. Damit besteht bereits seit 2023 für Unternehmen ein sehr hoher Begründungsaufwand für Gehaltsunterschiede zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.

Die Messlatte für eine Begründung von Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern hat das LAG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19.06.2024 (Az. 4 Sa 26/23) jetzt noch höher gelegt. Nach Ansicht des LAG reichen auch mehr Berufserfahrung, längere Betriebszugehörigkeit oder eine höhere Arbeitsqualität für sich allein als Begründung nicht aus, um eine unterschiedliche Vergütung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu rechtfertigen.

Der Arbeitgeber müsse vielmehr auch darlegen, wie er Kriterien wie Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit oder Arbeitsqualität im Einzelnen bewertet und wie er diese zueinander bei der Bestimmung der Entgelthöhe gewichtet habe, um eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte zu ermöglichen. Im konkreten Fall sei der Arbeitgeber, der sich lediglich auf diese Kriterien berufen habe, ohne deren Bewertung detailliert aufzuzeigen, dieser Pflicht zur konkreten Darlegung nicht nachgekommen, was zu seinem Nachteil gehe. Das LAG hat daher der Klage einer Arbeitnehmerin auf höheres Entgelt im Wesentlichen stattgegeben. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil gibt bereits einen Vorgeschmack auf das, was zukünftig auf Unternehmen zukommen kann. Es bleibt aber auch abzuwarten, wie sich das BAG als höchstes Gericht in gleichgelagerten Fällen positionieren wird.

Die EU-Richtlinie

Bis spätestens 7. Juni 2026 müssen die Mitgliedstaaten die Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970), die am 6. Juni 2023 in Kraft getreten ist, umsetzen. Aufgrund der Vorgaben der Richtlinie ist damit zu rechnen, dass die gesetzlichen Verpflichtungen ab 2026 an die Unternehmen noch mehr Anforderungen stellen werden, um zu gewährleisten, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden. So werden sie möglicherweise zukünftig dazu verpflichtet sein, ihre Arbeitnehmer und zum Teil bereits auch ihre Bewerber proaktiv und transparent über Gehaltsstrukturen und Entscheidungsprozesse im Unternehmen zu informieren. 

Auch der Kreis der Vergleichsarbeitnehmer wird im Rahmen von Auskunftsansprüchen möglicherweise deutlich erweitert werden. Nach den Vorgaben der Richtlinie sollen nicht nur Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers, sondern alle Arbeitnehmer, die einer „einheitlichen Quelle“ der Entgeltregelung unterliegen (zum Beispiel demselben Tarifvertrag), ebenso wie Arbeitnehmer, die nicht zur gleichen Zeit beschäftigt sind, sondern zum Beispiel früher beschäftigt waren, als Vergleichsarbeitnehmer herangezogen werden. Sogar mit hypothetischen Vergleichsarbeitnehmern soll es bei Bedarf einen Vergleich geben müssen. Unternehmen, die diese zukünftigen Anforderungen, die gesetzlich noch genau definiert werden müssen, nicht erfüllen, drohen hohe Bußgelder und Zwangsmittel (zur Entgelttransparenzrichtlinie siehe Update Arbeitsrecht vom 05.05.2023). 

Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie bis Mitte 2026 wird voraussichtlich dazu führen, dass bisher anerkannte Vergütungssysteme zunehmend in Frage gestellt werden. Unternehmen ist daher dringend zu raten, bereits jetzt ihre Vergütungssysteme auf Equal-Pay-Risiken hin zu überprüfen und bei Bedarf entsprechend anzupassen. 

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