EuGH: Bundeskartellamt darf auch Datenschutz berücksichtigen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied gestern in der Sache Meta Platforms u.a., dass nationale Kartellbehörden im Rahmen der Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung missbraucht wird, auch einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) feststellen dürfen.
Die Meta Platforms Ireland betreibt in der Europäischen Union die sozialen Online-Netzwerke Facebook, Instagram und WhatsApp. Meldet man sich bei Facebook an, stimmt man als Nutzer den Allgemeinen Nutzungsbedingungen und daher den Richtlinien für die Verwendung von Daten und Cookies zu. Diese erlauben die Datenerfassung über Nutzeraktivitäten auch außerhalb der Dienste und ordnet sie Facebook-Konten der betroffenen Nutzer zu. Diese „Off-Facebook-Daten“ betreffen Daten über den Aufruf dritter Websites und Apps sowie anderer Meta-Online-Dienste. Dadurch wird die Personalisierung von Werbenachrichten an die Nutzer ermöglicht.
Das Bundeskartellamt untersagte diese Praktik, die Facebook-Nutzung von der Zustimmung zur Verarbeitung der Off-Facebook-Daten für Werbezwecke abhängig zu machen, im Jahr 2019 als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Hiergegen setzte sich Meta vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Wehr. Das Oberlandesgericht legte zunächst dem EuGH die Frage vor, ob nationale Wettbewerbsbehörden datenschutzrechtliche Bestimmungen berücksichtigen dürfen und wie bestimmte Vorschriften der DSGVO auf soziale Netzwerke anzuwenden seien.
Weitreichende Bedeutung für einen fairen Wettbewerb von sozialen Online-Netzwerken
Der EuGH stellt fest, dass es für nationale Wettbewerbsbehörden in der Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung missbraucht werde, notwendig sein kann zu prüfen, ob auch andere als wettbewerbsrechtliche Vorschriften, etwa der DSGVO, verletzt werden. Dabei beschränke sich die Feststellung einer Rechtsverletzung der DSGVO aber auf das wettbewerbsrechtliche Verfahren und ersetze nicht eine Entscheidung der zuständigen Datenschutzbehörden. Gleichzeitig müsse nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit berücksichtigt werden, falls es schon eine zusammenhängende Entscheidung oder Untersuchung der zuständigen Aufsichtsbehörde gebe.
Besonders brisant war die Sammlung von sog. „sensiblen Daten“, das heißt Informationen über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse Überzeugungen oder sexuelle Orientierungen, deren Verarbeitung nach der DSGVO grundsätzlich untersagt ist. Infrage stand hier, ob die Verarbeitung dieser Daten ausnahmsweise zulässig sein könne, wenn die betroffenen Personen diese offensichtlich öffentlich gemacht haben. Zwar hat das Oberlandesgericht Düsseldorf hierzu im Weiteren zu entscheiden, der EuGH stellte aber bereits klar, dass die bloße Verwendung von Websites oder Apps sowie die Eingabe von sensiblen Daten dort für sich keineswegs bedeutet, dass die Daten im Sinne der DSGVO offensichtlich öffentlich gemacht werden sollen. Vielmehr müsse explizit die Entscheidung zum Ausdruck gebracht werden, die betroffenen Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.
Für nicht sensible Daten könne die Datenverarbeitung hingegen auch ohne explizite Einwilligung rechtmäßig sein, wenn die streitige Praxis der Datenverarbeitung in objektiver Sicht unerlässlich sei, um den Hauptgegenstand des Vertrags zwischen der Plattform und seinen Nutzern zu erfüllen.
EuGH äußert generelle Zweifel an der streitigen Geschäftspraxis
Zwar war dies nicht konkreter Gegenstand des Verfahrens, dennoch äußert der EuGH in der Urteilsverkündung auch generelle Zweifel an der Praxis. Insbesondere befand der EuGH, dass die Personalisierung der Werbung für die Finanzierung der Plattform nicht als berechtigtes Interesse von Meta die Datenverarbeitung rechtfertigen kann, sofern keine Einwilligung der Nutzer vorliege.
Mit Blick auf die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen stellt der EuGH abschließend fest, dass eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke nicht per se die wirksame Einwilligung im Sinne der DSGVO ausschließe. Allerdings sei diese grundsätzlich geeignet, die Wahlfreiheit der Nutzer zu beeinträchtigen und ein klares Ungleichgewicht zwischen Nutzern und Plattform zu schaffen. Daher sei es auch wichtig für die wettbewerbsrechtliche Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, was der jeweilige Betreiber nachweisen müsse.
Entscheidung wirkt sich positiv für Verbraucher aus
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, begrüßte die Entscheidung des EuGH: „Das Urteil ist ein hervorragendes Signal für die Kartellrechtsdurchsetzung in der digitalen Wirtschaft.“ Grund sei nämlich, dass Daten ein entscheidender Faktor für die Begründung von Marktmacht darstellten und die Nutzung sehr persönlicher Daten auch kartellrechtlich missbräuchlich sein könne. Mundt rechnet mit weitreichenden Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Datenwirtschaft und einer weiterhin engen Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden.
In der Sache wird nun das anhängige Verfahren vor dem OLG Düsseldorf fortgesetzt, bevor der Beschluss des Bundeskartellamts aus 2019 rechtskräftig werden kann. Dennoch befinden sich Meta und das Bundeskartellamt schon jetzt in Gesprächen über eine Umsetzung des Beschlusses, für die Meta mit der Einführung der Kontenübersicht erst Anfang Juni eine wesentliche Voraussetzung geschaffen habe.
Für die Nutzer von Meta-Diensten bedeutet dies zunächst noch keine konkreten Auswirkungen. Klar ist allerdings, dass die Wettbewerbshüter zukünftig einen stärkeren Blick auch auf die Bedeutung des Datenschutzes im Wettbewerb werfen werden. Ob dies allerdings die Folge hat, dass sich Geschäftsmodelle generell verändern und datenschutzrechtliche Probleme gänzlich behoben werden, bleibt noch abzuwarten.
Die entsprechende Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier ==>
Die dazugehörige Meldung des Bundeskartellamts finden Sie hier ==>