Entgelttransparenzgesetz: Vom Papiertiger zum scharfen Schwert?
- 05.02.2021
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Unterschreitung des Vergleichsentgelts kann Indiz für Geschlechterbenachteiligung sein.
Gleichbehandlung und Equal Pay sind bereits seit Längerem ein allgegenwärtiges und auch kontrovers diskutiertes Thema. Das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz sollte es Mitarbeitern ermöglichen, den eigenen Verdienst mit dem Verdienst von Kollegen vergleichen und ggf. einen Anspruch auf gleiche Bezahlung durchsetzen zu können – allerdings mit bislang nur mäßigem Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu nun eine wegweisende Entscheidung zugunsten der Arbeitnehmer getroffen (BAG v. 21.01.2021 – 8 AZR 488/19), dass den Arbeitgeber in der Bringschuld sieht. Was ändert sich durch dieses Urteil für Arbeitgeber und was ist nun zu tun?
Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers
Der Anspruch auf gleiche Bezahlung ist zweistufig gegliedert: Eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer hat zunächst einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. In Betrieben ab 200 Beschäftigten kann sie oder er vom Arbeitgeber verlangen, den Median, d. h. den Mittelwert der Vergleichsgehälter einer vergleichbaren Tätigkeit des anderen Geschlechts, offenzulegen.
Erfährt die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in Folge der Auskunft des Arbeitgebers, dass ihr oder sein Gehalt unterhalb der Vergleichsgehälter des anderen Geschlechts liegt, folgt hieraus noch keine Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des höheren Vergleichsentgelts. Vielmehr muss die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Zahlung des Vergleichsentgelts verlangen und gegebenenfalls gegen den Arbeitgeber klagen mit der Argumentation, dass die ungleiche Bezahlung auf dem Geschlecht beruhe.
Höchstrichterlich ungeklärt war bislang, ob bei einer ungleichen Bezahlung eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts vermutet wird, oder ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Geschlechtsbezogenheit der Ungleichbehandlung beweisen muss. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun zu Gunsten der Arbeitnehmer.
Die konkrete Entscheidung
Im konkreten Fall machte eine Abteilungsleiterin gegenüber ihrem Arbeitgeber den Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG geltend und verlangte damit die Offenlegung der Durchschnittsgehälter auf vergleichbaren Positionen. Es stellte sich heraus, dass sowohl das Grundentgelt als auch die Zulage ihrer Kollegen über ihrem eigenen Verdienst lagen. Daraufhin verlangte die Klägerin von ihrem Arbeitgeber die Zahlung der Differenzbeträge für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Monaten.
Während die Vorinstanz die Klage mit der Begründung abwies, die Klägerin habe nicht dargetan, dass die ungleiche Bezahlung auch wegen ihres Geschlechts erfolgt sei, entschied das Bundesarbeitsgericht, dass einer ungleichen Bezahlung auch die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung anhaftet, dass die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfolgte. Die Parteien haben nun durch die Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht Gelegenheit zum weiteren Vorbringen.
Arbeitgeber sind nun in der Bringschuld
Das Bundesarbeitsgericht sieht damit den Arbeitgeber in der Bringschuld. In Entgeltdiskriminierungsverfahren sind Arbeitgeber künftig darauf angewiesen, dezidiert darzulegen, dass die ungleiche Bezahlung gerade nicht auf dem Geschlecht beruht, sondern andere Ursachen hat.
Arbeitgeber sind deshalb in Entgeltdiskriminierungsverfahren gut beraten, die Gründe ungleicher Bezahlung mit ihrem Rechtsanwalt zu erörtern. Ist das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers Ergebnis seiner individuellen Gehaltsvorstellung, spricht einiges dafür, dass die ungleiche Vergütung gerade nicht auf dem Geschlecht beruht. Abzuwarten bleibt, welche Argumente in der Rechtsprechung Gehör finden. Es steht aber zu befürchten, dass der Beweis von Arbeitgeberseite häufig nur schwer zu erbringen sein wird.