Jahressteuergesetz 2024 (JStG): Neuregelung zu Buchwertübertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften 

  • 04.11.2024
  • Lesezeit 16 Minuten

Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG behoben und Rahmenbedingungen für buchwertneutrale Übertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften nunmehr im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eindeutig festlegt.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seinem am 12. Januar 2024 veröffentlichten Beschluss vom 28. November 2023 (Az. 2 BvL 8/13) § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in der bislang geltenden Fassung für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber in diesem Zuge zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet hat, kommt dieser dem Erfordernis des BVerfG nun im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024) nach.

Der Bundestag hat am 18.10.2024 in der 2. und 3. Lesung den Entwurf des JStG 2024 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/13419) angenommen. Dem Vernehmen nach soll der Bundesrat das JStG 2024 in seiner Sitzung am 22.11.2024 verabschieden. Eine Blockade des Gesetzesvorhabens durch den Bundesrat scheint aktuell nicht wahrscheinlich, sodass mit einem zeitnahen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen ist. 

§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG soll demnach um eine neue Nummer 4 mit folgendem Wortlaut ergänzt werden:
„Satz 1 gilt entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut
(...)
4. unentgeltlich zwischen den Gesamthandsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften derselben, identisch beteiligten Mitunternehmer übertragen wird.“

Die Neuregelung tritt gemäß Art. 56 Abs. 1 des JStG 2024 grundsätzlich am Tag nach der Verkündung des JStG 2024 in Kraft. In Bezug auf die hinsichtlich § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG n.F. vorgenommene Änderung wird § 52 Abs. 12 EStG zudem um folgende spezielle Anwendungsvorschrift (§ 52 Abs. 12 Satz 12 ff. EStG n.F.) ergänzt werden: 

„12§ 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 4 ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Übertragungen vor dem 12. Januar 2024 sind Feststellungsbescheide im Sinne des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a der Abgabenordnung zur Umsetzung des Buchwertansatzes bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft in entsprechender Anwendung des § 174 Absatz 4 der Abgabenordnung zu ändern. § 176 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung steht dem Buchwertansatz bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft für Übertragungen vor dem 12. Januar 2024 nicht entgegen. Auf gemeinsamen Antrag der Mitunternehmer zum Zeitpunkt der Übertragung kann aus Vertrauensschutzgründen für Übertragungen vor dem 12. Januar 2024 von einer Anwendung des § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 4 abgesehen werden. (…)“

Die gesetzliche Regelung zur (zeitnahen) Umsetzung der Entscheidung des BVerfG ist aus Praxissicht grundsätzlich zu begrüßen, da sie die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in der bisherigen Fassung entsprechend den Vorgaben des BVerfG behebt und die Rahmenbedingungen für buchwertneutrale Übertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften nunmehr im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eindeutig festlegt. Entsprechende steuerliche Strukturierungen brauchen somit voraussichtlich in Kürze schon nicht mehr bloß auf den Tenor der Entscheidung des BVerfG in Gestalt einer Unvereinbarkeitserklärung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG gestützt werden, sondern stehen sodann ausdrücklich im Einklang mit dem aktuellen Gesetzeswortlaut.

Wünschenswert wäre jedoch gewesen, dass der Gesetzgeber inhaltlich über die vom BVerfG vorgegebenen Mindestanforderungen hinausgegangen wäre und auch die Handhabung der nicht mehr „offenen“ Altfälle im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens thematisiert worden wäre.

Inhaltliche Beschränkung der Neuregelung auf das Mindestmaß

Inhaltlich beschränkt sich der Gesetzgeber bedauerlicherweise im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung lediglich auf das vom BVerfG vorgegebene Mindestmaß, indem er die Buchwertneutralität entsprechender Übertragungen nur zulässt, wenn vollständige Beteiligungsidentität zwischen den beteiligten Personengesellschaften besteht und soweit die Übertragung „voll“ unentgeltlich erfolgt. 

U.E. springt der Gesetzgeber hier jedoch zu kurz. Denn aus rechtsdogmatischer Sicht erscheint es durchaus gerechtfertigt, auch Übertragungsvorgänge zwischen nicht vollständig beteiligungsidentischen Mitunternehmerschaften zum Buchwert zuzulassen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der durch § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG getroffenen Regelung. 

Da die Entscheidung des BVerfG diesen Fall nicht betrifft und der Gesetzgeber sich auch nicht proaktiv für eine Erfassung dieser Konstellationen entschieden hat, sollte in der Beratungspraxis von entsprechenden Gestaltungen weiterhin Abstand genommen werden. Denn sowohl der Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. als auch die Gesetzesbegründung sprechen eindeutig gegen eine Erfassung auch dieser Konstellationen. Der Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf des JStG 2024 (vgl. BT-Drucks. 20/12780, S. 121) lässt sich ausdrücklich entnehmen, dass die erforderliche Beteiligungsidentität nicht vorliegt, wenn „unmittelbar oder mittelbar und zivilrechtlich oder nur wirtschaftlich eine natürliche Person oder eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nur an einer der beiden Mitunternehmerschaften beteiligt ist“. Ebenfalls als schädlich erachtet wird eine Beteiligung als Treuhänder; unschädlich sind lediglich 0 %-Beteiligungen, wie sie regelmäßig von Komplementärgesellschaften gehalten werden.

Erfolgt die Übertragung (nur) teilweise unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, so ist klarstellend anzumerken, dass dies u.E. dem Grunde nach für die Buchwertfortführung nicht schädlich ist in dem Sinne, dass eine Buchwertfortführung sodann vollumfänglich zu verwehren ist. Vielmehr hat – wie auch in Bezug auf die Ziffern 1 bis 3 des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – eine Aufspaltung des Übertragungsvorganges in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil zu erfolgen und die Buchwertfortführung ist nur in Bezug auf den unentgeltlichen Teil der Übertragung möglich. Der Umfang der Aufdeckung der stillen Reserven im Zuge einer solchen teilentgeltlichen Übertragung hängt sodann davon ab, ob man sich der strengen Trennungstheorie, der sog. modifizierten Trennungstheorie oder der Einheitstheorie anschließt. Der altbekannte Streitstand setzt sich somit fort. Auch in dieser Hinsicht wäre es wünschenswert gewesen, dass der Gesetzgeber die Änderung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG genutzt hätte, um in Bezug auf die Handhabung teilentgeltlicher Vorgänge Klarheit zu schaffen.

Anwendungsregelung ermöglicht lediglich Aufrollen von „offenen“ Altfällen 

Wie erwartet erklärt § 52 Abs. 12 Satz 12 EStG n.F. die Neuregelung durch § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. lediglich für offene Fälle anwendbar. Hiervon erfasst werden sämtliche Fälle, die aktuell Gegenstand laufender bzw. ruhend gestellter Einspruchsverfahren sind, die sich gegen die Ablehnung der Buchwertfortführung in entsprechenden Konstellationen richten. Dies dürfte im Wesentlichen entsprechende Übertragungsvorgänge ab 2013 (d.h. nach dem Vorlagebeschluss des I. Senats des BFH an das BVerfG) betreffen sowie ggf. auch Gestaltungen, die in den Jahren 2008 bis 2010 vorgenommen wurden und in denen ein Ruhen des Einspruchsverfahrens unter Bezugnahme auf die damals anhängigen Verfahren vor dem BFH beantragt wurde oder die erst zu einem späteren Zeitpunkt in einer Betriebsprüfung aufgegriffen wurden.

Ebenfalls erfasst werden sämtliche Übertragungsvorgänge, die in der jüngeren Vergangenheit (vor dem 12. Januar 2024) vorgenommen wurden und die schlicht aus dem Grunde noch als offene Fälle gelten, da die Steuerbescheide gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) ergangen sind und in denen der VdN noch nicht aufgehoben wurde, insbesondere, da die betreffenden Zeiträume noch nicht Gegenstand einer Betriebsprüfung waren. Diese Fälle scheint die auf Vertrauensschutzerwägungen gestützte „Widerspruchslösung“ des § 52 Abs. 12 Satz 15 EStG n.F. vor Augen zu haben, wenn sie den Mitunternehmern das Recht einräumt, mit einem gemeinsamen Antrag auf die Buchwertneutralität für vor dem 12. Januar 2024 (d.h. vor der Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG) vorgenommene Übertragungen zu verzichten, um so die bewusst herbeigeführte Aufdeckung stiller Reserven beizubehalten (siehe dazu sogleich noch im Detail unter Ziffer II. c).

Wie bereits in unserem Newsblogbeitrag vom 18.01.2024  angedeutet, bestätigt nunmehr der Wortlaut der vorgesehenen Anwendungsregelung, dass der Gesetzgeber durch diese Art der Regelung vorliegend nicht die Möglichkeit eröffnet, auch die nicht mehr „offenen“ Altfälle, die vornehmlich aus dem Zeitraum von 2001 bis 2006 stammen dürften, zu korrigieren. 

Auch die Bezugnahme auf § 174 Abs. 4 AO vermag hier nicht zu einem abweichenden Ergebnis zu führen. Die von § 52 Abs. 12 Satz 13 f. EStG n.F. getroffenen Regelungen sind erforderlich, um im Einklang mit den Vorgaben des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG einen rückwirkenden Buchwertansatz nicht nur auf Ebene der übertragenden, sondern auch auf Ebene der übernehmenden Mitunternehmerschaft zu ermöglichen. Dies erscheint folgerichtig, da die Übertragungen regelmäßig auf Ebene der übertragenden Mitunternehmerschaft von der Finanzverwaltung aufgegriffen worden sind und daher in Bezug auf die übertragenden Gesellschaften die Fälle durch Einspruchsverfahren offengehalten wurden, sodass auch in erster Linie an dieser Stelle die entsprechende Korrektur durch die Finanzbehörden im Einklang mit der Entscheidung des BVerfG sowie des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. erfolgen wird. Wurde auf Ebene der übernehmenden Mitunternehmerschaft infolge des aus Sicht der Finanzverwaltung erforderlichen Ansatzes des Wirtschaftsgutes zum Teilwert bzw. gemeinen Wert zusätzliches Abschreibungsvolumen generiert, wird gegen diesen Steuerbescheid aufseiten der übernehmenden Gesellschaft kein Einspruch eingelegt worden sein.

Die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 174 Abs. 4 AO ist ausweislich der Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf des JStG 2024 (vgl. BT-Drucks. 20/12780, S. 131) als bloßer Rechtsfolgenverweis ausgestaltet. Folglich wird ausschließlich hinsichtlich der Rechtsfolgen auf § 174 Abs. 4 AO verwiesen; das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm ist hingegen nicht erforderlich. 

Vor dem Hintergrund des Telos des § 174 Abs. 4 AO erscheint es zutreffend, dass der Gesetzgeber sich für diese Zwecke auf diese Norm bezieht. In direkter Anwendung sollen durch die Norm die Fälle erfasst werden, in denen ein Steuerpflichtiger einen Steuerbescheid insbesondere im (außer-)gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren erfolgreich angegriffen hat und sich in diesem Zuge herausstellt, dass der betreffende Sachverhalt an sich hätte in einem anderen Steuerbescheid (zu Ungunsten des Steuerpflichtigen) berücksichtigt werden müssen (sog. negativer Widerstreit). § 174 Abs. 4 AO gibt dem unterlegenen Finanzamt für diese Fälle eine Ermächtigungsgrundlage an die Hand, den in der Vergangenheit strittigen Sachverhalt, der in dem nunmehr aufgehobenen Steuerbescheid fehlerhaft gewürdigt wurde, in einem anderen Steuerbescheid nachträglich zu berücksichtigen (durch Erlass eines neuen oder Änderung eines bereits ergangenen Steuerbescheids) und so die richtigen steuerlichen Folgen aus dem verwirklichten Sachverhalt zu ziehen. Hierdurch wird dem Prinzip der materiellen Rechtsmäßigkeit Vorrang eingeräumt. Im direkten Anwendungsfall des § 174 Abs. 4 AO erfolgt dies jedoch ohne Verletzung des Vertrauensschutzes. Denn der Vertrauensschutz findet in diesem Fall bereits hinreichende Berücksichtigung dadurch, dass eine Folgeänderung durch das Finanzamt nur möglich ist, wenn der Steuerpflichtige die ursprüngliche Änderung durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder eines entsprechenden Antrages selbst angestoßen hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch folgerichtig, dass § 52 Abs. 12 Satz 14 EStG n.F. nunmehr anordnet, dass § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dem Buchwertansatz bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft nicht im Wege steht. Denn aufgrund des Erfordernisses der vollständigen Beteiligungsidentität i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. ist eine entsprechende „Personenidentität“ im Hinblick auf beide Schwesterpersonengesellschaften gegeben, sodass es gerechtfertigt erscheint, den Vertrauensschutz zugunsten der übernehmenden Gesellschaft insoweit einzuschränken, wenn die übertragende Gesellschaft die Buchwertfortführung im Rahmen des Einspruchsverfahrens ausdrücklich beantragt hat.

Eine entsprechende Änderung der nicht mehr „offenen“ Altfälle wird hiermit jedoch nicht ermöglicht. Denn § 174 Abs. 4 AO setzt voraus, dass noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, was in Bezug auf die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2006 nunmehr jedoch inzwischen größtenteils der Fall sein dürfte. Es bleibt somit grundsätzlich dabei, dass entsprechende Fälle weder von der Entscheidung des BVerfG noch von § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. i.V.m. der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 12 Satz 12 ff. EStG n.F. profitieren.

„Widerspruchslösung“ zugunsten der Beibehaltung des Ansatzes des Teilwerts/ gemeinen Werts

In Bezug auf die durch § 52 Abs. 12 Satz 15 EStG n.F. eingeräumte „Widerspruchslösung“ erscheint es auf den ersten Blick fraglich, welche Fälle der Gesetzgeber konkret vor Augen hatte. Sollte in entsprechenden Konstellationen bewusst eine Aufdeckung der stillen Reserven erreicht werden, so erscheint es eher naheliegender, dass in der Vergangenheit vor dem Hintergrund des anhängigen BVerfG-Verfahrens und auch der vorangegangenen Verfahren vor dem BFH eine Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaften aus Gründen der Rechtsicherheit als eine Entnahme aus dem Gesamthandsvermögen der einen Gesellschaft in das Privatvermögen des Mitunternehmers ausgestaltet wurde und daran anschließend eine Einlage aus dem Privatvermögen in das Gesamthandvermögen der Schwesterpersonengesellschaft erfolgte.

Ein solcher Vorgang war und ist jedoch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sowie § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG i.V.m. des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG ausschließlich zum Teilwert/ gemeinen Wert möglich und ist nicht vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 EStG erfasst. In solchen Konstellationen kann es daher auch nicht mit dem Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. zu einer rückwirkenden – und im konkreten Einzelfall unerwünschten – Buchwertneutralität des Übertragungsvorgangs kommen. Dies dürfte bspw. die Konstellationen betreffen, in denen an den jeweiligen Schwestergesellschaften ein Gesellschafter als Kommanditist beteiligt ist und daneben eine Komplementärgesellschaft mit einer 0 %-Beteiligung am Vermögen der Personengesellschaft.

Erfasst werden daher wohl z.B. die Konstellationen, die dem folgenden Beispielsfall ähnlich sind: A ist 40 % und B ist zu 60 % an der KG 1 beteiligt sowie spiegelbildlich an der KG 2; an beiden Gesellschaften ist eine Komplementär-GmbH zu 0 % beteiligt. Ein Betriebsgrundstück, das dem Gesamthandsvermögen der KG 1 zugeordnet ist (Buchwert: 20, Teilwert/ gemeiner Wert: 100), wurde unentgeltlich in das Gesamthandsvermögen der KG 2 durch KG 1 übertragen. Bilanziell wurde das Grundstück aus der Gesamthandsbilanz der KG 1 ausgebucht und die Gesamthandsbilanz der KG 2 eingebucht. Die Gegenbuchungen erfolgten jeweils anteilig auf den Kapitalkonten II von A und B bei der KG 1 und der KG 2, um die Unentgeltlichkeit der Übertragung entsprechend zu gewährleisten. 

Vor dem Hintergrund der BVerfG-Entscheidung sowie unter Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. qualifiziert ein solcher Übertragungsvorgang nunmehr eindeutig (rückwirkend) als Übertragung zu Buchwerten, da § 6 Abs. 5 EStG nunmehr als lex specialis greift. Nach alter Rechtslage wurde jedoch eine Entnahme durch A und B steuerlich fingiert und die sich anschließende fingierte Einlage gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG zum Teilwert/ gemeinen Wert bewertet. Die Übertragung führte daher zu einer Aufdeckung stiller Reserven (im Beispielsfall i.H.v. 80), die sich – vereinfacht dargestellt – in Bezug auf die KG 1 als (fiktiver) Entnahmegewinn ausgewirkt und bei KG 2 von Beginn an zu einem höheren Bilanzausweis in Bezug auf das Grundstück geführt hat. War KG 1 im Zeitpunkt der Übertragung in einer Verlustsituation, so wurde der entstandene (fiktive) Entnahmegewinn u.U. vollständig „neutralisiert“. Zugleich wurde in Bezug auf die KG 2 ein erhöhtes Abschreibungspotential geschaffen, das sich – unter der Annahme, dass KG 2 im Gegensatz zu KG 1 Gewinne erwirtschaftet – steuermindernd auswirkt. 

Würde eine solche Übertragung – unter der Annahme, dass es sich noch um einen „offenen“ Fall handelt – nunmehr rückwirkend als Buchwertübertragung behandelt, so würde sich dies zumindest in Bezug auf KG 2 nachteilig auswirken, da hier der steuermindernde Effekt durch das erhöhte Abschreibungspotential entfallen würde. In solchen Konstellationen können die betroffenen Mitunternehmer nunmehr durch gemeinsamen Antrag den Buchwertansatz verhindern, wodurch ihnen ausreichender Schutz vor steuerlich nachteiligen Folgen gewährt wird. Dies erscheint auch folgerichtig vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu § 174 Abs. 4 AO, da in einer solchen Konstellation durch keinen der Beteiligten ein Anstoß für eine Buchwertfortführung gegeben wurde. 

Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf in der Fassung des Regierungsentwurfs (vgl. BT-Drucks. 20/12780, S. 121) ist ein gemeinsamer Antrag der an beiden Mitunternehmerschaften beteiligten Mitunternehmer erforderlich. In Anbetracht der Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 174 Abs. 4 AO erscheint es ebenso konsequent, hier spiegelbildlich einen Antrag aller beteiligten Mitunternehmer zu verlangen, um einen Gleichklang in Bezug auf die Handhabung auf Ebene der übertragenden und der aufnehmenden Mitunternehmerschaft zu erreichen.

Fazit und Auswirkungen für die Praxis

Sollten die Änderungen betreffend § 6 Abs. 5 EStG wie erwartet im November auch vom Bundesrat gebilligt werden, ist vor dem Hintergrund des insoweit eindeutigen Wortlauts der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 12 Satz 12 ff. EStG n.F. für „offene“ Altfälle grundsätzlich kein aktives Tätigwerden der betroffenen Steuerpflichtigen erforderlich. Denn die Norm sieht insoweit keinen Ermessensspielraum aufseiten der Finanzverwaltung vor. § 6 Absatz 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. ist in allen offenen Fällen anzuwenden. 

Es bietet sich je nach Sachlage jedoch an, entsprechende Änderungen mit dem Finanzamt im Einzelnen konkret abzustimmen, um den Prozess zu beschleunigen und insbesondere jahrelang schwebende Rechtsbehelfsverfahren oder diesbezügliche Streitigkeiten im Rahmen laufender Betriebsprüfungen zeitnah zu beenden.

In Bezug auf in der Vergangenheit erfolgte Übertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften, die bewusst unter Aufdeckung der stillen Reserven vorgenommen wurden, sollte geprüft werden, ob diese Übertragungsvorgänge nunmehr vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. i.V.m. § 52 Abs. 12 Satz 12 ff. n.F. tatsächlich erfasst werden und daher das zuständige Finanzamt in diesem Fall nunmehr ebenfalls eine Buchwertübertragung zugrunde legen wird. Es dürfte sich hier jedoch – wie dargelegt – eher um Ausnahmefälle handeln, da entsprechende Übertragungen in der Vergangenheit oftmals derart ausgestaltet worden sein dürften, dass sie bereits nicht in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG fallen oder diese Fälle bewusst nicht offengehalten wurden und es sich somit je nach Zeitpunkt der Übertragung ggf. ohnehin nicht mehr um „offene“ Fälle i.S.d. § 52 Abs. 12 Satz 12 ff. EStG n.F. handeln dürfte. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor und soll weiterhin an dem bisherigen Ansatz des Teilwerts/ gemeinen Werts festgehalten werden, so sollte schnellstmöglich mit dem zuständigen Finanzamt Kontakt aufgenommen und das weitere Vorgehen eng abgestimmt werden.

Vor dem Hintergrund der in § 52 Abs. 12 Satz 12 ff. EStG n.F. getroffenen Anwendungsregelung besteht für nicht mehr „offene“ Altfälle wie erwartet aktuell keine Möglichkeit, von der Entscheidung des BVerfG und der Gesetzesänderung zu profitieren. Hier wäre allenfalls eine Billigkeitslösung denkbar. Sofern das Inkrafttreten von § 6 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. insoweit nicht von einem ergänzenden BMF-Schreiben diesbezüglich flankiert werden sollte, kann nur eine Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt bezogen auf den konkreten Einzelfall in Betracht gezogen werden.
Mit Blick auf zukünftige Strukturierungen ist zu beachten, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. nur im Falle „voll“ unentgeltlicher Übertragungsvorgänge uneingeschränkt zur Anwendung kommt und ausschließlich Schwesterpersonengesellschaften erfasst, an denen die Mitunternehmer vollständig identisch beteiligt sind. In Bezug auf teilentgeltiche Übertragungen ist eine Buchwertfortführung nur in Bezug auf den unentgeltlichen Teil der Übertragung möglich; im Übrigen kommt es zu einer Aufdeckung der stillen Reserven.

Da der Gesetzeswortlaut und die Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Ausschluss nicht vollständig beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften vom Anwendungsbereich der Norm insoweit eindeutig sind und sich ihr Einbezug in die Neuregelung auch nicht unmittelbar aus der Entscheidung des BVerfG ableiten lässt, dass diese Konstellation nicht zu entscheiden hatte, bedarf es hier wahrscheinlich erneut eines Musterfalles, der zumindest bis zum BFH, vielleicht aber auch erneut bis zum BVerfG getragen werden muss, um auch insoweit Rechtssicherheit zu schaffen. Da jedoch rechtsdogmatische Gründe für die Ausdehnung des Buchwertprivilegs auch auf Übertragungen zwischen nicht vollständig beteiligungsidentischen Personengesellschaften sprechen, bleibt zu hoffen, dass die Klärung dieser Rechtsfrage weniger Zeit in Anspruch nimmt als dies in Bezug auf vollständig beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften der Fall war.

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Autor dieses Artikels

Dr. Christiane Krüger, LL.M.

Senior Manager

Rechtsanwältin, Steuerberaterin

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