Vereinbarung eines wirksamen Widerrufsvorbehalts möglich?

  • 02.08.2022
  • Lesezeit 3 Minuten

Am 25.03.2022 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen die praxisrelevante Frage geklärt, welche Voraussetzungen bei einer vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten an einen Widerrufsvorbehalt zu stellen sind.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 25.03.2022 - Az. 10 Sa 1254/21

 

Zum Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als pädagogischer Mitarbeiter angestellt. Zur Entlastung eines anderen Mitarbeiters hat die Beklagte dem Kläger höherwertige Regionalleiter-Assistenzaufgaben übertragen. Gleichzeitig teilte die Beklagte dem Kläger in einem Schreiben mit: 

„Sehr geehrter Herr B.,

ab dem 01.10.2019 erhalten Sie bis auf Widerruf für die Übernahme von Regionalleiter-Assistenz-Aufgaben eine monatliche Funktionszulage in Höhe von EUR 294,00 (…)“

Als die Stelle des leistungsgeminderten Mitarbeiters mit einem Nachfolger (der auch die Regionalleiter-Assistenzaufgaben wieder übernehmen konnte) besetzt wurde, fielen diese Zusatzaufgaben des Klägers weg. Verhandlungen über die Fortführung von Zusatzaufgaben durch den Kläger und die Fortzahlung der damit verbundenen Funktionszulage waren erfolglos, sodass die Beklagte die Gewährung der Funktionszulage widerrief. Der Kläger reichte daraufhin Klage beim Arbeitsgericht ein und forderte die Fortzahlung der Funktionszulage. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Begründung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Beklagte die Zulage wirksam widerrufen hat. Die Beklagte habe den Kläger rechtswirksam anweisen können, vorübergehend höherwertige Tätigkeiten zu übernehmen. Gegen die Zulässigkeit einer vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten qua Weisung sprechen auch keine prinzipiellen Bedenken. Die Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit bis zum Widerruf hält auch einer AGB-Prüfung („AGB-Kontrolle“) stand, sodass der Widerruf wirksam ist. Als Konsequenz des wirksamen Widerrufs habe der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Fortzahlung der Funktionszulage.

Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich – so das Landesarbeitsgericht – dass sowohl die Zuweisung der höherwertigen Aufgaben als auch die damit verbundene Funktionszulage unter einem Widerrufsvorbehalt erfolgen sollten. Dem Kläger musste klar sein, dass die Funktionszulage nur solange gezahlt wird, wie ihm auch die höherwertige Tätigkeit übertragen wurde. Die Zahlung des höheren Entgelts war an die Ausübung einer anderen Tätigkeit geknüpft.

Dies ist für sich betrachtet auch nicht grundsätzlich intransparent. Es ist auch nicht notwendig, bestimmte Gründe für den Widerruf in der Vereinbarung aufzunehmen. Die zeitweilige Zuteilung höherwertiger Aufgaben entspricht einem kurzzeitigen Bedürfnis der Personalplanung und sei daher auch nicht unangemessen. Letztlich stellte das Landesarbeitsgericht klar, dass sich ein Anspruch auf die Zahlung der Zulage auch nicht aus dem Arbeitsvertrag ergibt (§ 611a Abs. 2 BGB), da hinsichtlich der Übernahme der Regionalleiter-Assistenz-Aufgaben zwischen dem Kläger und der beklagten Arbeitgeberin eben gerade keine Änderungsvereinbarung abgeschlossen worden war. 

Fazit und Praxishinweis

Es entspricht den Interessen eines Arbeitgebers, bei vorübergehendem Vertretungsbedarf flexibel reagieren zu können. Dem Arbeitgeber stehen insofern unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. Je nach Fallkonstellation ist insofern an die (zweck-)befristete Einstellung einer Ersatzkraft, eine Änderung der Arbeitsaufgaben durch Ausübung des Direktionsrechts, eine einvernehmliche Änderung von Arbeitsaufgaben (Vertragsänderung) oder eine Änderungskündigung zu denken.

Das Judikat des Landesarbeitsgerichts Hessen zeigt auf, dass Arbeitgeber auch mit einem (wirksamen) Widerrufsvorbehalt flexibel auf zeitweiligen Vertretungsbedarf reagieren können und sicherstellen können, dass nicht dauerhaft ein dann bestandsgeschütztes „höherwertiges Arbeitsverhältnis“ begründet wird.

Allerdings bleibt vorerst noch abzuwarten, ob diese Empfehlung dauerhaft aufrechterhalten bleiben kann. Der Kläger des hier dargestellten Falles hat unter dem Aktenzeichen 10 AZR 192/22 Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Wir werden Sie an dieser Stelle über den Ausgang informieren.

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Autor dieses Artikels

Jacob Keyl

Partner

Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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